Umberto Uccelli: „Einen Chopper oder Cruiser sehe ich nicht“

Zwei von drei Elektromotorrädern, die in Deutschland neu zugelassen werden, kommen von Zero Motorcycles. Das kalifornische Unternehmen war eines der ersten überhaupt, das Antriebsbatterien in den Rahmen packte. Waren die ersten Maschinen vor allem Enduros, gibt es mittlerweile neben Roadstern auch einen Streetfighter, einen Supersportler und ein Adventure Bike. Trotz Marktführerschaft bleiben die Absatzzahlen aber hierzulande überschaubar. Wie beurteilt der Europa-Chef die aktuelle Lage und die zukünftige Entwicklung? Jens Riedel von der Autoren-Union Mobilität fragte bei Umberto Uccelli, Vice President und Managing Director EMEA, nach.

Herr Uccelli, für die ersten elf Monate meldet der Industrieverband Motorrad für Zero 298 Neuzulassungen. Das sind zwar mit weitem Abstand die meisten Elektromotorräder in Deutschland, aber in der Gesamtheit doch recht wenige. Wie zufrieden sind Sie mit dem Absatz in Deutschland?

„Natürlich hätten wir uns mehr Absatz gewünscht, aber als führender Hersteller im Segment der Elektromotorräder sind wir zufrieden. Wir sind die klare Nummer eins und wollen das auch bleiben. Der Markt ist aktuell noch überschaubar, aber wir sehen auch eine zunehmende Wachstumsdynamik, analog der Elektrifizierung im Pkw-Bereich. Ein klar positives Signal ist, dass viele Hersteller konventioneller Motorräder an der Entwicklung von Elektromotorrädern arbeiten. Wir sind stolz darauf, hierfür den Weg bereitet zu haben, und wir arbeiten hart daran, weiter an der Spitze zu bleiben.“

Welches ist der größte Markt für Zero in Europa?

„Unser größter Markt in Europa ist Frankreich. Das ist zum einen ein Land mit sehr vielen begeisterten Motorradfahrern, und zum anderen unterstützt die französische Regierung auch die Elektrifizierung auf zwei Rädern nach Kräften. Leider sieht die Fördersituation in Deutschland anders aus, wo aktuell nur Autokäufer profitieren.“

Vor allem in den vergangenen drei, vier Jahren wurde das Modellangebot auf viele Motorradsegmente ausgedehnt. Welches ist momentan das erfolgreichste Modell der Marke?

„Besonders gut verkaufen sich unsere Motorräder, die unter die Führerscheinklasse A1 respektive B196 fallen. Aber auch unser Topmodell, das Adventure-Bike DSR/X, wird stark nachgefragt. Das könnte sich 2024 jedoch ändern: Mit unseren brandneuen Motorrädern für die A2-Kategorie sind wir nun auch in der mittleren Leistungsklasse sehr gut aufgestellt. Diese Bikes sind zudem auf die offene Leistung des A-Führerscheins aufrüstbar – ein Novum im E-Motorrad-Markt.“

Wird es eines Tages auch einmal einen Chopper oder Cruiser geben?

„Das sehe ich nicht. Obwohl wir ein amerikanisches Unternehmen sind, haben wir immer einen starken Fokus auf den europäischen Motorradmarkt gelegt. Aus diesem Grund bieten wir Motorräder in allen EU-Führerscheinklassen an, sind in das dynamische Supermoto-Segment mit eingestiegen und haben auch unser Adventure Bike auf den Markt gebracht.“

Gibt es einen typischen Zero-Kunden?

„Ja und nein. Bis vor kurzem gab es einen Schwerpunkt bei technikbegeisterten Menschen in den mittleren Altersgruppen, so etwa ab 40 Jahren. Allerdings steigt unsere Attraktivität seit einiger Zeit auch bei anderen Kundengruppen, so dass wir nun spürbar mehr jüngere Käufer sehen. Außerdem leisten sich auch immer mehr eingefleischte Motorradfans eine Zero, oft parallel zu ihrem Verbrennermotorrad. Hier spielen neben dem gestiegenen Umweltbewusstsein sicher auch die tollen Fahrleistungen eines Elektromotorrads eine Rolle. Zudem haben wir in der letzten Zeit auch immer mehr Kunden, die bei den laufend steigenden Spritpreisen ganz nüchtern einen Kostencheck machen – die bekommen dann zum günstigen Unterhalt eine satte Portion Fahrspaß gleich mit dazu!“

Noch stehen der Preis und die Reichweite einer größeren Verbreitung von Elektromotorrädern im Weg. Wie sehen Sie hier mittelfristig die Entwicklung?

„Zero Motorcycles ist ein Hersteller im Premiumsegment. Gleichwohl senken wir zum neuen Modelljahr unsere Preise, um die Motorräder für breitere Kundenschichten attraktiv zu machen. Außerdem muss man sich immer die gesamten Kosten im Alltag vor Augen halten: Neben den wegfallenden Spritkosten profitieren Zero Besitzer auch von den deutlich geringeren Wartungskosten. Durch bessere und leistungsfähigere Akkus steigern wir laufend die Reichweite unserer Motorräder, aber natürlich bleibt das weiterhin ein Thema. Auf der anderen Seite stehen die durchschnittlichen Fahrleistungen respektive die Nutzungsprofile vieler Motorradfans. Viele unserer Kunden pendeln zur Arbeit, fahren mit der Zero ihre Wochenendstrecke und sind selten auf Touren von über 250 Kilometern unterwegs. Daher ist die mittlerweile zu erzielende Reichweite mit unseren Modellen für die meisten Motorradfahrer gar kein Problem mehr. Außerdem wird die Ladeinfrastruktur auch in beliebten Tourenregionen laufend besser.“

Können Sie etwas über die Pläne von Zero für die nächsten zwei, drei Jahre sagen?

„Ja, wir planen einen konstanten Wachstumskurs und werden dafür auch unsere Produktpalette zügig weiter ausbauen – auch in für uns neuen Motorradsegmenten. Wir arbeiten intensiv daran, die für die nächsten fünf Jahre bereits geplanten neuen Modelle auf die Straße zu bringen. Gerne würde ich mehr sagen, darf ich leider jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Eins kann ich jedoch versprechen: Es wird spannend!“

Gibt es besondere Wünsche an die Politik, was das Motorrad allgemein und das elektrische im Besonderen angeht?

„Mein erster Wunsch heißt: gleiches Recht für alle. Wer sich für elektrische Mobilität entscheidet, der sollte auch mit einem Zweirad gefördert werden (Anm. d. Red:: Das Interview entstand kurz vor dem überraschenden Ende der so genannnten Umweltprämie). Dies ist ja bereits in vielen europäischen Ländern, wie etwa Frankreich oder Österreich, gelebte Praxis. Allgemein sollte die deutsche Politik – beispielsweise mit einem gestaffelten Steuersystem – rundum positive und verlässliche Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung des Verkehrs schaffen. In diesem System sollten elektrische Zweiräder einen wichtigen Platz einnehmen. Insbesondere im Einsatz als Zweckfahrzeuge – etwa beim Pendeln in die City – sind diese nicht nur lokal emissionsfrei, sondern sparen auch viel Platz im Verkehr. Viele unserer Kunden nutzen ihre Zeros genau zu diesem Zweck.“ (cen)


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Umberto Uccelli.

Umberto Uccelli.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Zero Motorcycles