Schneller wieder unter Strom

Das Konzept, stromgetriebene Fahrzeuge mit Wechselakkus auszustatten, ist fast so alt wie die Elektromobilität selbst. Im Pkw-Bereich sind die Versuche überschaubar, doch bei Leichtfahrzeugen wie Scootern, Zwei- und Dreirädern könnte der Durchbruch kurz bevorstehen. Das Berliner Unternehmen Swobbee hat daraus nicht nur eine Geschäftsidee gemacht, sondern plant auch Verwegenes: Die Expansion in die USA.

Swobbee stellt Wechsel-Stationen her, in denen die Kunden ihre leergefahrenen Batterien deponieren und gegen frisch geladene austauschen können. Diese Praxis erklärt auch den eigentümlich anmutenden Namen der Firma: Aus der englischen Vokabel „to swap“ für ein- oder austauschen und der phonetischen Abwandlung „swap-e“ wurde das Kunstwort „swobbee“, das nun für eine international unverwechselbare Markenidentität steht.

Das Format der Lade- und Tauschboxen erinnert entfernt an Telefonzellen. Das Metallgehäuse benötigt etwa einen Quadratmeter Grundfläche und beinhaltet je nach Ausführung eine unterschiedliche Zahl an Fächern für die Akkus der verschiedenen Fahrzeughersteller, die sich dem System angeschlossen haben. Zugang erhalten die Nutzer über eine Smartphone-App. Sie stecken die leere Batterie in ein freies Fach und bekommen eine volle Batterie wieder heraus.

In einer Produktionshalle in Berlin-Adlershof werden die Swobbee-Atationen aus rund 850 Einzel-Bauteilen zusammengefügt, bis der etwa 450 Kilo schwere Stromspender einsatzbereit ist. „Was wir hier verbauen“, erklärt Ludwig Speidel, „sind keine Spezial-Anfertigungen, sondern ganz überwiegend handelsübliche Metall- und Elektronik-Komponenten.“ „Herz und Hirn“, wie Speidel es nennt, der Anlagen sind jedoch eigenentwickelte Leiterplatten und Software, die Kommunikation und Steuerung der Säulen übernehmen. Der 30-jährige Betriebswirt Speidel ist gelernter Außenhandelskaufmann und bildet gemeinsam mit Gründer Thomas Duscha sowie Stefan von Wolff die Geschäftsleitung von Swobbee.

In der kurzen Zeit ihres Bestehens – der Handelsregister-Eintrag erfolgte 2020 – hat die Firma bereits ein Netz von 90 Stationen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern sowie in Indonesien und USA aufgebaut. Dort soll die Metropole New York zum Einfallstor für den nächsten großen Schritt werden. Derzeit wird die Gründung einer US-Tochterfirma vorbereitet, die dann eigenständig Aufstellung, Betrieb und Wartung der Akku-Stationen übernimmt.

Aus Berliner Sicht gibt es in der Millionenstadt an der Ostküste ideale Voraussetzungen für einen Erfolg des Swobbee-Konzepts. Dort sind auf Elektrofahrrädern, E-Mopeds, Rollern und Lastenrädern Tausende von Kleingewerblern unterwegs, die als selbständige Unternehmer Dienste im Hol-, Bring- oder Reparaturservice anbieten. Die Fahrzeuge und Batterien, die sie nutzten, waren aber, so Speidel, in der Vergangenheit kaum normiert und überwacht, die Lademöglichkeiten unzulänglich und nach einer Reihe von Unfällen wurden sie obendrein stark eingeschränkt. Swobbee will für diesen Kundenkreis nun ein zertifiziertes und sicheres System aufbauen, für das in den nächsten Jahren rund ein Viertel des gesamten Unternehmens-Etats aufgewendet werden soll.

Die firmeninternen Analysen gehen von bis zu 100.000 potenziellen Abnehmern allein in New York aus, die für ihre Elektromobile Batteriepakete mit einer Kapazität zwischen 0,75 und zwei Kilowattstunden benötigen. In der Praxis können die Anwender mit erheblicher Zeitersparnis rechnen, denn anders als im Pkw-Bereich, wo Hochvolttechnik inzwischen immer kürzere Ladezeiten ermöglicht, dauert das vollständige Auffüllen eines Zweirad-Akkus noch immer drei bis acht Stunden. Der Austausch an der Swobbee-Station nimmt dagegen nur wenige Minuten in Anspruch. „Wir sind auch mit dem Büro des New Yorker Bürgermeisters Eric Adams in Kontakt“, freut sich Ludwig Speidel, „dort bekommen wir Unterstützung für unser Vorhaben.“

So international wie die Zukunftspläne ist auch das Unternehmen selbst. Unter den derzeit 42 Mitarbeitern findet sich rund ein Dutzend Nationalitäten. Sie sind sowohl in der Produktion der Hardware, der Entwicklung der Steuerungssoftware sowie in der Akquise von neuen Standorten tätig. Grenzüberschreitende Partnerschaften sollen die Internationalisierung weiter voranbringen. Unlängst konnte über Kooperationen mit dem französischen Konzern Total Energies und dem indischen E-Mobilitäts-Unternehmen Motovolt berichtet werden. In dem Subkontinent sollen binnen der nächsten zwei Jahre 200 Wechselstationen installiert werden.

Um diese Herausforderungen zu stemmen, braucht Swobbee den langen Atem seiner Investoren. Bis es ans Geldverdienen geht, werden sie das Start-up aus Adlershof noch geraume Zeit flüssig halten müssen. Außer einer Berliner Unternehmerfamilie gehören die in den Niederlanden beheimatete Inno-Energy-Gruppe sowie eine tschechische und eine polnische Firma dazu. „Wir sind hier im Infrastrukturbereich unterwegs“, sagt Ludwig Speidel, da dauere es mitunter länger, bis der Break-Even-Point in Sicht ist. Auch wenn der Markt für Elektro-Leichtfahrzeuge durch Corona und andere Faktoren eine leichte Delle bekommen habe, ändere dies nichts an der langfristigen Perspektive. „Wir werden beim Ausbau opportunistisch vorgehen.“ (cen)


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Bilder zum Artikel

Ludwig Speidel ist einer von drei Geschäftsführern bei Swobbee, Hersteller von Aku-Wechselstationen mit Ladefunktion.

Ludwig Speidel ist einer von drei Geschäftsführern bei Swobbee, Hersteller von Aku-Wechselstationen mit Ladefunktion.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Axel F. Busse


Montage einer Akku-Lade- und Wechselstation bei Swobbee.

Montage einer Akku-Lade- und Wechselstation bei Swobbee.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Axel F. Busse


Akku-Wechselstation von Swobbee.

Akku-Wechselstation von Swobbee.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Green Pack


Akku-Wechselstation von Swobbee.

Akku-Wechselstation von Swobbee.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Green Pack


Akku-Wechselstation von Swobbee.

Akku-Wechselstation von Swobbee.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Green Pack


Akku-Wechselstation von Swobbee.

Akku-Wechselstation von Swobbee.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Green Pack


Akkuwechselstation von Swobbee an einer Berliner Tankstelle.

Akkuwechselstation von Swobbee an einer Berliner Tankstelle.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Swobbee


Akkuwechselstation von Swobbee für den schwedischen Mobilitätsanbieter Voi in Hamburg.

Akkuwechselstation von Swobbee für den schwedischen Mobilitätsanbieter Voi in Hamburg.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Swobbee


Akkuwechselstation von Swobbee für den schwedischen Mobilitätsanbieter Voi in Hamburg.

Akkuwechselstation von Swobbee für den schwedischen Mobilitätsanbieter Voi in Hamburg.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Swobbee


Akkuwechselstation von Swobbee für den E-Scooter-Verleiher Tier in Polen.

Akkuwechselstation von Swobbee für den E-Scooter-Verleiher Tier in Polen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Swobbee