Im Bücherregal: Von A wie Abako bis Z wie Zwerg-König

In und um Nürnberg gab es über ein Jahrhundert lang eine deutschlandweit einmalige Konzentration an Motorradherstellern. Thomas Reinwald hat sich in einem Buch auf akribische Spurensuche begeben, die weit über die üblichen Verdächtigen hinausgeht: Nicht von Ardie bis Zündapp, sondern von Abako bis Zwerg-König reicht das Alphabet in seiner Fleißarbeit „Nürnberger Motorradgeschichte“, in der überraschenderweise selbst die DDR-Marke MZ eine kleine Rolle spielte.

Die Motorradindustrie in Nürnberg und Umgebung begann 1884 mit der Marke Express und erlebte ihren ersten Boom nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als kleine Firmen, die häufig Motoren in verstärkte Fahrradrahmen einbauten, wie Pilze aus dem Boden schossen. Anhand eines nur einzig auffindbaren Fotos oder gar lediglich einer alten Zeitungsannonce hat Thomas Reinwald über 55 Firmen ausfindig gemacht. Viele verschwanden so rasch wie sie gekommen waren, fehlte es ihnen doch oft an Kapital für technische Neuerungen und das wirtschaftliche Überleben. Manche Nürnberger Marke der 20er-Jahre baute ihre Motorräder in irgendeiner Hinterhofwerkstatt zusammen und erlangte allenfalls regional eine gewisse Bekanntschaft. Nicht nur hier weiß der Autor immer wieder mit genauen Adressen zu glänzen und manchmal auch, was aus dem Gebäude wurde.

Die zweite große Blütezeit erlebte die Zweirad-Hochburg dann noch einmal in den 1960er und 1970er Jahren, in denen Hersteller wie Hercules und Zündapp bekanntermaßen vor allem dank Mopeds und Kleinkrafträdern (heute Leichtkrafträder) noch einmal erstarkten. Weniger bekannt sein dürfte, das auch der zeitweilig weltgrößte Seitenwagenhersteller Steib seinen Sitz in Nürnberg hatte und die berühmten Bing-Vergaser ebenfalls in der Stadt beheimatet waren. Aus dem nahen Furth im Wald stammten die Motorradhelme von Uvex und in Altendorf östlich von Nürnberg wurde die damals innovative Geradeweghinterradfederung von Jurisch entwickelt, die später von der bis heute gebräuchlichen Schwinge verdrängt wurde. 2005 endete dann nach nach 121 Jahren mit Sachs der letzte Versuch einer eigenen Motorradproduktion in Nürnberg.

Dass es sich hier nicht um ein Buch aus einem renommierten großen Verlag handelt, zeigt sich hin und wieder in dem einem oder anderen fehlenden Wortzwischenraum oder unterschiedlichen Absatzabständen. Die Fleißarbeit des Autors schmälert das in keinster Weise und an der Druckqualität insbesondere der vielen zeitgenössischen Fotos gibt es absolut nichts auszusetzen.

„Nürnberger Motorradgeschichte“ von Thomas Reinwald ist im Zweirad-Verlag Fürth erschienen. Das Buch hat 256 Seiten mit 676 Abbildungen und kostet 39 Euro. (cen)


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„Nürnberger Motorradgeschichte“ von Thomas Reinwald.

„Nürnberger Motorradgeschichte“ von Thomas Reinwald.

Foto: Autoren-Union Mobilität