Interview Vincent Ricoux: „Wir müssen einfach besser sein“

Nissan blickt in Deutschland auf ein erfolgreiches Jahr 2023 zurück und plant in den kommenden Jahren weiteres Wachstum. In diesem Jahr, so Deutschlandchef Vincent Ricoux bringt die Marke mit dem Interstar ein weiteres leichtes Nutzfahrzeug auf den Markt, und außerdem erhalten Qashqai und Juke eine Überarbeitung. In zwei Jahren wird die Modellpalette zudem weitgehend elektrifiziert sein. Mit Vincent Ricoux sprach Walther Wuttke von der Autoren-Union Mobilität.

Wie zufrieden sind Sie mit den Zulassungen im vergangenen Jahr, und mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr?

„Wir sind mit dem Ergebnis des abgelaufenen Jahres zufrieden, allerdings ist der Markt deutlich schwieriger geworden. Wir haben aber trotzdem 35.000 Zulassungen erreicht und damit unseren Absatz um 22 Prozent gesteigert. Wir liegen damit unter den fünf Marken, die am meisten zugelegt haben. In Zukunft wollen wir mehr Volumen generieren. Allerdings kann heute noch niemand sagen, wie sich 2024 entwickelt. Wir sehen nach wie vor einen Bedarf an Automobilen in Deutschland und sind auf jeden Fall für jedes Szenario aufgestellt. Unser mittelfristiges Ziel liegt bei 50.000 Zulassungen und einen Marktanteil von 1,5 Prozent, und das wollen wir im Jahr 2026 erreicht haben.“

Mit welchen Modellen soll dieses Wachstum erreicht werden, und welche Neuheiten können wir von Nissan in diesem Jahr noch erwarten?

„Wir haben bereits angekündigt, dass wir ein weiteres leichtes Nutzfahrzeug, den Nissan Interstar, auf den Markt bringen werden. Außerdem werden Juke und Qashqai eine Überarbeitung erhalten.“

Wie lange plant Nissan, noch Verbrenner-Modelle anzubieten?

„Wir bieten heute noch Verbrenner-Modelle an, werden aber in den kommenden Jahren uns nach und nach von den Verbrennerantrieben verabschieden und die Palette elektrifizieren – dazu gehören auch Hybrid-Technik oder unsere e-Power-Technologie, die wir beim Qashqai und X-Trail anbieten. In zwei Jahren werden wir im Pkw-Bereich zu fast 100 Prozent elektrifiziert sein. Angesichts der aktuellen EU-Vorschriften werden wir im Jahr 2030 ein vollständig elektrisches Modellangebot haben.“

Nachfolger des Micra

Plant Nissan, in absehbarer Zukunft ein preiswertes Elektromobil auf den Markt zu bringen? Könnte das der Nachfolger des Micra sein?

„Wir haben angekündigt, dass wir einen Nachfolger für den Micra bringen werden, es ist aber noch zu früh, um über den Preis zu spekulieren. Der nächste Micra wird dann als Elektrofahrzeug auf den Markt kommen und in einer französischen Renault-Fabrik gebaut werden. Wir beobachten aber natürlich den Markt. Wir haben aktuell drei Elektrofahrzeuge in der Palette, Ariya, Townstar und Leaf, dessen Neuauflage ja in Planung ist.“

Planen Sie einen Ersatz für die beendete Elektro-Förderung?

„Wir haben alle Kaufverträge unserer Kunden, die vor dem 17. Dezember abgeschlossen worden sind, gesichert und 100 Prozent der staatlichen Prämie übernommen. Außerdem zahlen wir 3000 Euro für den Leaf und 1500 Euro für den Ariya. Ich glaube aber nicht, dass es die Aufgabe der Industrie ist, die staatliche Prämie zu übernehmen. So funktioniert Wirtschaft nicht. Es ist aber gleichzeitig unsere Aufgabe, wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir werden den Markt beobachten und bei Bedarf unsere Angebote anpassen. Wenn wir die Umwandlung zur Elektromobilität beschleunigen wollen, brauchen wir auch den Staat. Die Kunden brauchen außerdem Sicherheit und eine Perspektive. Überraschungen gefallen den Kunden verständlicherweise nicht.“

Erwarten Sie beim Ausbau der Ladeinfrastruktur eine stärkere Rolle des Staates?

„Der Übergang zur Elektromobilität funktioniert nur dann, wenn jeder seine Rolle spielt. Wir haben schon viel in die Infrastruktur investiert und zum Beispiel unsere Händler mit Schnellladesäulen ausgerüstet. Aber wir haben ja auch nicht die Straßen gebaut. Der Staat muss also eine starke Rolle beim Ausbau der Ladeinfrastruktur spielen, wenn die Transformation gelingen soll.“

Im Rahmen der Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi wurde das Gemeinschaftsunternehmen Ampère gegründet, um die Entwicklung von Plattformen und Antrieben zu optimieren. Welchen Einfluss hat das Unternehmen auf Nissan?

„Das ist für uns eine große Chance, und deshalb haben wir 600 Millionen Euro investiert. Außerdem haben wir einen Sitz im Aufsichtsrat. Ampère wird uns bei der weiteren Entwicklung unserer Elektropalette helfen. Gleichzeitig gehen die gemeinsamen Entwicklungen mit Renault weiter. Wir werden aber unsere Eigenständigkeit behalten und in Europa bleiben. Wir investieren gerade Milliarden in unsere britische Fabrik in Sunderland. Dort werden wir drei neue Modelle produzieren, der neue Leaf, Qashqai und Juke.“

Leasingangebot für Gebrauchte

Planen Sie, ihr Händlernetz auf ein Agentursystem umzustellen, wie es zahlreiche Mitbewerber machen?

„Nein, in absehbarer Zukunft nicht für Deutschland. In Europa haben wir das Agenturmodell am 1. Januar in Schweden eingeführt. Das ist für uns ein Pilotprojekt, bei dem wir untersuchen, wie dieses Modell für Nissan als Marke funktioniert. Wenn wir feststellen, dass das in Schweden funktioniert, können wir das auch auf anderen Märkten übernehmen. Doch das wird nicht in den nächsten drei, vier Jahren geschehen.“

Gibt es bei Nissan Überlegungen, den Gebrauchtwagenhandel von Elektromobilen, beispielsweise durch entsprechende Prüfzertifikate zu stärken?

„Wir haben eine achtjährige Garantie für die Batterie. Ein spezielles Zertifikat haben wir noch nicht. Wir arbeiten außerdem zurzeit an einem Leasingangebot für Gebrauchtwagen.“

Nissan entwickelt die Feststoffbatterie für die Allianz. Wann kommt sie in einem Nissan auf den Markt?

„Wir haben in Yokohama ein Pilotwerk, das in diesem Jahr in Betrieb geht, und die ersten Autos sollten in 2028 auf den Markt rollen. Allerdings kann ich noch nicht sagen, um welches Fahrzeug es sich genau handeln wird. Außerdem arbeiten wir kontinuierlich daran, die Reichweiten unserer Energiespeicher zu verbessern.“

Wie beurteilen Sie die neuen Wettbewerber aus China, die auf den europäischen Markt drängen?

„Das sind ja nicht die ersten neuen Wettbewerber, die wir erleben. Wir müssen einfach besser sein.“ (cen)


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Bilder zum Artikel

Nissan-Deutschlandchef Vincent Ricoux.

Nissan-Deutschlandchef Vincent Ricoux.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Nissan