„Power of Choice“: Warum BMW vom Verbrenner nicht lassen will

BMW setzt auf Antriebsvielfalt – und der Weltmarkt gibt den Bayern recht: 2023 verkaufte der Automobilhersteller mehr als 2,5 Millionen Fahrzeuge. Eine halbe Million davon war elektrifiziert. Damit sind die Bayern Nummer eins im Premiumsegment – vor Mercedes-Benz und Audi, von Marken aus Japan (Lexus), Korea (Genesis) oder China (Nio) ganz zu schweigen.

Kaum ein Autohersteller ist antriebsseitig breiter aufgestellt als BMW: Vom Verbrenner über Hybride und Batterieautos bis zum Wasserstoffantrieb reicht die Palette. „Das ist ja auch irgendwo alles richtig, weil wir in bestimmten Regionen noch lange Verbrenner haben werden“, sagt Automobilexperte Stefan Bratzel. „Gleichwohl“, so der Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach, „ist BMW der Akteur, der in großer Geschwindigkeit das Thema Elektromobilität voranbringt.“ Aber eben nicht nur.

Das eine tun ohne das andere zu lassen? Wir sprachen darüber mit Michael Nikolaides, Leiter Logistikmanagement und globale Strategie der BMW Group. Er fasst den Kurs seines Unternehmens so zusammen: „Wir haben uns als BMW produktseitig bewusst mit dem ‚Power of Choice’ Ansatz platziert.“

Auch wenn für BMW die Elektromobilität im Mittelpunkt steht, wird sie auf absehbare Zeit konventionelle Antriebe nicht verdrängen. „Wir haben im letzten Jahr weltweit 375.000 rein elektrische BMW verkauft. Und über eine halbe Million mit elektrifizierten Antrieben, also BEV und PHEV. Trotzdem sehen wir, dass für viele Jahre mit Sicherheit noch die Parallelität der Antriebe da ist. Das gesamthaft zu beherrschen, das ist eine logistische Herausforderung. Denn damit haben Sie im Vergleich zu früher unterschiedlichste Produktions- und Produktgenerationen, die Sie parallel haben müssen.“

Nikolaides verantwortet bei BMW die globale Logistik, also die Teileversorgung der Werke und den Transport der fertigen Autos. Zudem steuert er das globale Produktionsnetzwerk. Das heißt, er muss im Voraus wissen, welche Antriebe die Kunden wo nachfragen. „Die Logistik“, sagt der promovierte Physiker, „ist vom Möglichmacher zum Wettbewerbsentscheider geworden.“

Denn die Halbleiter-Krise der vergangenen Jahre oder die Blockade der Schifffahrtsroute durch den Suez-Kanal haben gezeigt, wie leicht die Lieferkette reißen kann und ganze Branchen zum Stillstand bringt. Deshalb versucht BMW verstärkt, Teil von lokalen Lieferanten zu beziehen. Diese Strategie nennt sich „Local for local“. Dehalb entsteht in Woodruff in South Carolina ein Produktionsstandort für Batterien. „Woodruff ist gerade mal sechs Meilen von unserem Werk in Spartanburg entfernt. Genau das ist der Ansatz von local for local.“ Dieses Motto gilt genauso für San Luis in Mexiko, wo die so genannte Neue Klasse unter anderem produziert werden soll. Auch dort hat BMW rund 800 Millionen Euro in ein neues Montagezentrum für Hochvoltbatterien investiert, um sie vor Ort in die Fahrzeuge einzubauen. Entsprechendes gilt für die Neue Klasse in China am Produktionsstandort Shenyang. Heißt: Auch dort entsteht derzeit ein Batteriewerk. Die Neue Klasse wird dort ab 2026 gebaut.

Nicht zu vergessen Bayern. „Da sind wir als BMW natürlich besonders stark vertreten, sind in München, Dingolfing und Regensburg – und bald in der Nähe von Straubing. Dort etablieren wir unser neues Produktionswerk für Hochvoltspeicher. Auch da also lokal für lokal. Das gibt uns natürlich Resilienz gegen Schwankungen“, prognostiziert Nikolaides.

Natürlich sei dies eine „logistische Großherausforderung – es ist eine Operation am offenen Herzen, weil es im laufenden Betrieb geschieht.“ Allein in München produziert der Automobilhersteller täglich tausend Fahrzeuge und bereitet flankierend den neuen Standort für die E-Mobilität vor. Dass die Neue Klasse mit Investitionen von über 650 Millionen Euro ins Stammwerk in München eine Heimat bekomme, zeige das „klare Bekenntnis zum Standort Deutschland.“

Da Deutschland ein teurer Standort ist, gilt es aber, „weiterhin Kosten zu reduzieren“, wie Stefan Bratzel betont. Die Herausforderungen seien groß, so der Automobilfachmann. BMW sieht er aber gut aufgestellt. Die Bayern haben, so der Professor, „eine Vielzahl rein elektrischer Modelle. Sie kommen da auch recht gut voran. Sprich: Sie verfolgen das Thema Elektromobilität stark, ohne die Verbrennermodelle vollkommen in den Schatten stellen zu wollen.“

Flexibilität ist bei BMW Trumpf, zeigt sich auch am Standort München. Dort „fahren wir genau deshalb integriert in einem Produktionssystem alle Antriebsarten. Wir können sehr schnell auf Schwankungen reagieren“, sagt Nikolaides. Wenn zum Beispiel die Nachfrage nach elektrischen Modellen sinke, erlaube es die neue Logistik, sofort zu reagieren und die Produktion anzupassen oder zu drosseln.

Angesichts der derzeit sinkenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen kann BMW auf Verbrenner oder Plug-in-Hybride umstellen. Generell sind die Zeiten für die Marke trotz schwierigem Umfeld derzeit rosig. So kann Nikolaides verkünden: „Aktuell laufen all unsere Werke unter Volllast, und dies ist auch für 2024 so prognostiziert. Daher gilt bislang das Gegenteil von drosseln, da die Nachfrage nach wie vor sehr hoch ist.“ (cen)


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Bilder zum Artikel

Michael Nikolaides.

Michael Nikolaides.

Foto: Autoren-Union Mobilität/BMW


Fertigung von Hochvoltbatterien im BMW-Werk Regensburg.

Fertigung von Hochvoltbatterien im BMW-Werk Regensburg.

Foto: Autoren-Union Mobilität/BMW


Montage von Kühlwasserleitungen für die Motor-Getriebeeinheit des BMW iX1 im Werk Regensburg.

Montage von Kühlwasserleitungen für die Motor-Getriebeeinheit des BMW iX1 im Werk Regensburg.

Foto: Autoren-Union Mobilität/BMW


US-Werk von BMW in Spartanburg.

US-Werk von BMW in Spartanburg.

Foto: Autoren-Union Mobilität/BMW