Energie im Überfluss für die Welt von morgen?

Entwickelt sich in mittlerer Zukunft Albanien zum Saudi Arabien des Balkans, Lothringen zu Kuwait 2.0 oder Mali in Westafrika zu einer Art Vereinigter Arabischer Emirate? Möglicherweise. Denn was sich wie Science Fiction anhört, könnte in einigen Jahren durchaus Realität werden. Forscher vermuten nämlich, dass sich unter dem Boden der genannten Länder gewaltige natürliche Energiereserven befinden, die sämtliche fossilen Vorkommen mengenmäßig in den Schatten stellen und dem Klima der Erde nicht den geringsten Schaden zufügen würden. Die Rede ist von Wasserstoff, weißem Wasserstoff.

Auf dem Element mit der chemischen Bezeichnung H2 fußen die größten Hoffnungen, in absehbarer Zeit mit seiner Unterstützung Klimaneutralität beim Heizen, in der Industrie und im Verkehr zu schaffen. Das farb- und geruchlose Gas lässt sich zum Beispiel zur Stahlproduktion und in Verbrennungsmotoren einsetzen oder mittels Brennstoffzelle zusammen mit Sauerstoff zur Stromerzeugung auch in Elektroautos oder zum Heizen verwenden.

Wasserstoff ist zwar farblos, dennoch unterscheidet ihn die Wissenschaft in der Beschreibung durch eine Reihe verschiedener Farben, je nachdem, ob er mehr oder weniger das Klima beeinflusst. Grau ist der aus fossilen Energieträgern mittels Dampfreformierung produzierte Wasserstoff, wobei klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre entweicht. Immerhin entsteht bei der Gewinnung einer Tonne Wasserstoff rund zehnmal so viel CO2. Als blau gilt er, wenn dieses CO2 gespeichert wird, als türkis, wenn der Wasserstoff über das Gas Methan als Ausgangsstoff verfügt. Da zu diesem Prozess Wärme erforderlich ist, bleibt Klimaneutralität jedoch nur dann gegeben, wenn diese aus erneuerbaren Energien stammt.

Grüner Wasserstoff gilt als das Erdöl vom Morgen. Er entsteht mit Hilfe der Elektrolyse, bei der mit Hilfe von Ökostrom Wasser in seine beiden Elemente Sauerstoff und Wasserstoff getrennt wird. Nachteil: Dieser Prozess verlangt große Mengen an Elektrizität. Seit geraumer Zeit taucht auch der Begriff von weißem Wasserstoff auf, der bislang kaum Beachtung gefunden hat, weil darunter natürlich vorkommender verstanden wird. Bis vor einigen Jahren war sich die Wissenschaft einig, dass Wasserstoff das zwar am häufigsten vorkommende Element im Universum war, aber zumeist nur in Verbindung mit anderen Elementen, aber in reiner Form ganz selten anzutreffen ist. Bis zum Jahr 1987.

Damals bohrten Arbeiter im Dorf Bourakébougou, rund sechzig Kilometer nord-östlich von Malis Hauptstadt Bamako für einen Brunnen ein über 100 Meter tiefes Loch. Doch statt Wasser strömte ein geruchloses Gas an die Oberfläche, dass explosionsartig in Flammen aufging, nachdem sich jemand mit einer brennenden Zigarette genähert hatte. Es dauerte Wochen, um das Feuer zu löschen und das Loch zu stopfen – aber die Analyse zeigte erst 20 Jahre später, dass es sich bei dem Gas um 98 Prozent reinen Wasserstoff handelte! 2007 hatte ein malischer Geschäftsmann das Gas aus dem Bohrloch untersuchen lassen.

Seither gibt es in Bourakébougou ein sowohl im unterentwickelten Mali als auch in der ganzen Welt einzigartiges Kraftwerk, in dem ein Generator das Dorf emissionsfrei mit Strom versorgt. Als Rohstoff dient ihm Wasserstoff, der konstant mit einem Druck von vier bar einfach aus der Erde strömt. Jetzt hat das Nest eine eigene Straßenbeleuchtung. Angeblich sollen dort noch fünf Millionen Tonnen Wasserstoff auf ihre Nutzung warten.

Ebenso zufällig wie im Westen Afrikas stießen im Mai vergangenen Jahres Forscher in der Region Lothringen in Frankreich auf ein großes Vorkommen an natürlichem Wasserstoff. Ein Team des Labors für Georessourcen der dortigen Universität, des Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und des Energieerzeugers La Française de l'Energie wollte dort den Methangehalt im Boden untersuchen und stieß stattdessen auf natürlichen Wasserstoff. Je tiefer sie bohrten, desto mehr Wasserstoff konnten sie nachweisen. Derzeit wird versucht, die genaue Menge Vorkommens zu ermitteln, und laut CNRS könnte es sich um rund 46 Millionen Tonnen handeln – das entspricht mehr als der Hälfte der derzeitigen jährlichen Weltproduktion an grauem Wasserstoff.

Seither geht es Schlag auf Schlag. Ein anderes französisches Forschungsteam von der Universität Grenoble entdeckte eine mutmaßlich riesige Wasserstoffgasquelle im Inneren einer Chromit-Mine im albanischen Bulqiza, etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Tirana entfernt. „Jährlich werden mindestens 200 Tonnen H2 aus den Stollen der Mine ausgestoßen, was eine der größten bisher aufgezeichneten Raten darstellt“, meldeten die Forscher, wie aus einer erst im vergangenen Monat veröffentlichten Studie hervorgeht. „Orte mit ähnlicher Geologie sollten gute Ziele für die Suche nach anderen natürlichen Wasserstoffquellen sein“, hieß es weiter.

Im Nordosten Spaniens stieß das Explorationsunternehmen Helios Aragón nach eigenen Angaben auf ein unterirdisches Lager von über einer Million Tonnen, das in diesem Jahr angebohrt werden soll. Weitere Vorkommen an natürlichem Wasserstoff fanden sich in den USA, in Kanada und in Australien. Die bisherigen Ergebnisse könnten eine vielversprechende und günstige Alternative zu grünem Wasserstoff andeuten, der derzeit etwa fünf Euro pro Kilogramm kostet. Weißer Wasserstoff würde nur mit 50 Cent pro Kilogramm zu Buche schlagen, schätzt das US-amerikanische Nachrichten- und Forschungsmagazin „Science“.

Sogar das „greenpeace magazin“ konnte kein Haar in der Suppe entdecken. Im Dezember vergangenen Jahres war dort zu lesen: „Mit Wasserstoff können Fahrzeuge betankt werden, als Alternative zu Diesel und Benzin; Wasserstoff kann die Stahl- und Chemieindustrie klimafreundlich machen, denn bei der Verbrennung bleibt nur Wasser übrig. ‚Grünen‘ Wasserstoff mit erneuerbarer Energie herzustellen ist aufwändig und teuer. Doch es gibt weltweit auch natürliche Vorkommen von Wasserstoff. Auf unserem Planeten könnten durch natürlichen Wasserstoff die CO2-Emissionen massiv reduziert werden. Wo es den ‚weißen Wasserstoff‘ in großen Mengen gibt, ist noch unklar. Startups sind auf der Suche.“

Worauf es jetzt allerdings am meisten ankommt, ist Geduld. Denn bis dieser weiße Wasserstoff in ausreichender und wirtschaftlich lohnender Menge zu Tage gebracht werden kann, dürften noch einige Jahre verstreichen. Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht. (cen)


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Wasserstoff.

Wasserstoff.

Foto: Autoren-Union Mobilität/BVEG


Wasserstoffgenerator im Dorf Bourakébougou in Mali.

Wasserstoffgenerator im Dorf Bourakébougou in Mali.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hydroma


Prototyp des Mercedes-Benz GenH2 Truck mit Flüssigwasserstoff.

Prototyp des Mercedes-Benz GenH2 Truck mit Flüssigwasserstoff.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Daimler Truck


Von Toyota entwickelter Wasserstoffspeicher.

Von Toyota entwickelter Wasserstoffspeicher.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota