Vans: Kann das Segment wiederkommen?

Bevor SUV den Automarkt im Sturm eroberten, feierte eine andere Kategorie große Erfolge: Vans und Großraumlimousinen. Je nach Maßen und Präferenz der jeweiligen Marketing-Abteilung nennt man sie Kompakt- oder Minivans sowie Großraumlimousinen. Sie kamen in den 80er Jahren auf den Markt und richteten sich vor allem an Familien.

Die Giugiaro-Studie Megagamma war ihr Vorbote: 1983 und 1984 kamen mit Chrysler Voyager, Honda Civic Shuttle, Mitsubishi Space Wagon, Nissan Prairie und Renault Espace fünf sehr moderne Modelle fast zeitgleich auf den Markt. Was sie einte, war maximale Raumausnutzung und Flexibilität bei gleichzeitiger prinzipieller Auslegung als Pkw – und das bedeutete Sicherheit, Komfort und Effizienz.

Einige Hersteller versuchten mit luxuriösen Varianten ihrer hochbauenden Transporter dagegenzuhalten – etwa Toyota mit dem Model F oder Volkswagen mit dem Caravelle. Doch das Raumlimousinen-Konzept setzte sich durch, auch in verschiedenen Größenklassen. VW beispielsweise hatte mit Golf Plus, Touran und Sharan lange Zeit gleich drei Formate im Angebot, ein noch kleinerer Space Up wurde ernsthaft erwogen und als Studie auch gezeigt. Peugeot übertrug das Konzept mit dem 1007 sogar ins Zweitürer-Segment.

Doch es gab auch heftige Rückschläge. So schädigte ein ungünstig verlaufener Crashtest den Ruf des Opel Sintra so nachhaltig, dass die Rüsselsheimer das Modell rasch vom Markt nahmen. Die rund zehn bis 15 Jahre später aufkommenden SUV spielten dann überzeugend auf der Outdoor-Klaviatur, ihre klotzigen Hauben bedienten (und bedienen) das Sicherheits- und Repräsentationsbedürfnis ihrer Fahrer.

Vor mehr als einem Jahrzehnt überschritt das Minivan-Segment seinen Zenith, seitdem ist eine Baureihe nach der anderen verschwunden. VW baut nur noch den Touran, der Opel Zafira ist zum Nutzfahrzeug mutiert, auch S-Max und Galaxy von Ford sind verschwunden.

Im Premiumsegment halten allerdings noch deutsche zwei Modelle die Stellung: Der BMW 2er Active Tourer und die Mercedes-Benz B-Klasse, bei älteren Semestern mindestens ebenso beliebt wie bei den heftig umworbenen jungen Familien. Bei den SUV wird die Verkehrsfläche zwar weniger effizient genutzt als bei Mini- und Kompaktvans, jedoch immer noch besser als in klassischen Limousinen.

Doch so langsam gibt es wieder Bewegung bei den Großraumlimousinen. Zwei neue Modelle versuchen in Europa, den Markt aufzumischen: Der mit Vierzylinder-Hybridantrieb 190 PS (140 kW) starke Lexus LM, mit einem Einstandspreis von 122.700 Euro als luxuriöses Shuttlefahrzeug konzipiert, und der vollelektrische, 245 PS (180 kW) starke Maxus Mifa 9 aus China (ab 68.990 Euro). Auch er ist in erster Linie als Shuttlefahrzeug gedacht, die Verkaufsliteratur hebt auf Eleganz und Hightech ab.

In den USA haben die mittelgroßen Vans hingegen nicht nur als Hotelshuttle, sondern in erster Linie als familienfreundliche Autos überlebt, wenngleich das Segment auch hier spürbar gerupft wurde. Vier Modelle sind aktuell im Angebot: Der Toyota Sienna mit 2,5-Liter-Vierzylinder-Hybridantrieb; der Chrysler Pacifica mit einem optional hybridisierten 3,6-Liter-V6-Motor; der Honda Odyssey mit einem 3,5-Liter-V6 – und der Kia Carnival, den es mit wahlweise mit einem 3,5-Liter-V6 oder einem hybridisierten 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo gibt.

Wir haben eine Woche mit dem Carnival verbracht – und dabei notiert, dass europäischen Familien einiges entgeht, wenn sie zugunsten der vermeintlich individuellen Massenware SUV auf die Vorzüge des Großraum-Konzepts verzichten. Mit ca. 515 Zentimetern Länge ragt der Carnival zwar in die Oberklasse, irgendwo zwischen E- und S-Klasse, mit 174 Zentimetern Höhe ist er allerdings deutlich flacher und parkhausfreundlicher als transporterbasierte Modelle wie der Volkswagen Multivan oder die V-Klasse von Mercedes-Benz.

Im Carnival, dessen weit zurückliegender Vorgänger einst auch hierzulande erhältlich war, erinnert nichts an einen Transporter: Der 291 PS starke Sechszylinder tritt mit Verve an, die Lenkung ist ausreichend präzise, der niedrige Schwerpunkt sorgt für gutes Handlung, die Federung steckt auch schlechte Wegstrecken problemlos weg. Keine Spur von Trampeln und übertriebener Härte.

Die dritte Sitzreihe lässt sich im Boden versenken, die zweite Sitzreihe kann bei Bedarf ausgebaut werden. Und bei der Konstruktion hatten die Koreaner sogar Helikopter-Eltern im Sinn: So lassen sich die hinteren Sitzreihen im Dunkeln von vorn per Nachtsichtsystem überwachen.

Angesichts dieser Qualitäten ist es durchaus erstaunlich, dass die Raumlimousine – gleich welcher Größe – in Europa völlig aus der Mode geraten sind. Doch vielleicht stoßen die eingangs erwähnten Modelle von Lexus und Maxus das Tor wieder ein wenig auf. Ohnehin ist der Automobilmarkt zyklischer Natur: Es ist fast alles irgendwann wiedergekommen. Wenn wir Glück haben, sogar mit sechs Zylindern. (cen)


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Bilder zum Artikel

Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Kia Carnival.

Kia Carnival.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia


Maxus Mifa 9.

Maxus Mifa 9.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Maxus


Maxus Mifa 9.

Maxus Mifa 9.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Maxus


Lexus LM.

Lexus LM.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Lexus


Lexus LM.

Lexus LM.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Lexus