Alfa Romeo Giulia: Die Erfindung der sportlichen Mittelklasse
28. Mai 2016 Von Thomas Lang, cen
Vor allem in China und in den Vereinigten Staaten will Alfa Romeo sein künftiges Wachstum generieren. Die Grundpfeiler des Erfolgs sollen neben überzeugenden neuen Fahrzeugen auch die Markenhistorie bilden. Für die Giulia eine einfache Übung. Die Baureihe gilt als Mutter aller sportlichen Mittelklasse-Limousinen.
Die erste Giulia betrat am 27. Juni 1962 standesgemäß die internationale Autobühne. Die 4,14 Meter lange Limousine feierte ihre Premiere im „Autodromo di Monza“, der traditionsreichen italienischen Grandprix-Strecke im königlichen Park von Monza vor den Toren Mailands. Die Wahl der Premierenbühne war Programm. Die Giulia sollte eine Zielgruppe von jungen Aufsteigern und Wirtschaftswunderkindern erschließen, die mehr von ihrem Auto verlangten als ein reines Beförderungsmittel. Diese Zielgruppe beackerte die Marke bereits seit1955 erfolgreich, als die Giulietta erschienen war. Giulia sollte nun Giulietta ablösen. Geräumiger und leistungsstärker. Bis 1964 baute Alfa Romeo beide Baureihen parallel.
Das Design der Giulia überzeugte auf Anhieb mit klaren geraden Linien. Der Luftwwiderstandsbeiwert von 0,34 (VW-Käfer: 0,54) war für die Zeit im Karosseriebau ebenso wegweisend, wie die verstärkte Sicherheitszelle für die Passagiere und die definierten Crashzonen im Front- und Heckbereich. Der Vierzylinder mit den beiden obenliegenden Nockenwellen, den Alfa für die Giulietta mit 1,3 Liter Hubraum in den Fünfzigern entwickelt hatte, erwies sich auch für die Giulia als idealer Antrieb. Um den Abstand zur kleineren Giulietta zu wahren, erweiterten die Entwickler den Hubraum auf 1,6-Liter.
Zur Premiere mobilisierte die Giulia ti 66 kW / 90 PS bei 6000 Umdrehungen pro Minute (U/min). Genug, um den 1070 schweren Viertürer mit 170 km/h Höchstgeschwindigkeit zu beflügeln. 501 Exemplare der 1963 vorgestellten Topversion Giulia 1600 ti Super verfügten über 82 kW / 112 PS, die 190 km/h Höchstgeschwindigkeit ermöglichten. 1963 war das ein Leistungsangebot, das die Fachzeitschrift „auto, motor und sport“ zu dem Fazit brachte: „Überlegenheit, die man nur in Maßen ausnützen darf, wenn man nicht die übrigen Verkehrsteilnehmer ängstigen will.“
Alfa Romeo erweiterte das Angebot Zug um Zug mit immer neuen Motorvarianten. 1974 erfolgte eine umfassendes Facelift, das der Giulia ein flacheres Heck und die neue Bezeichnung „Nuova Super“ bescherte. 1978 endete die Produktion des bis dahin erfolgreichsten Modells des Herstellers nach 16 Jahren und 572 646 Einheiten. Dazu addierten sich noch 225 215 Giulia Sprint GT, der Coupé-Version der Giulia.
Zwischen 1977 und 1985 übernahm die zweite Generation der Giulietta die Rolle der Giulia. Alfa Romeo hatte 1972 die Alfetta als Baureihe oberhalb der Giulia angesiedelt, die als Limousine und Coupé bis 1984 im Programm blieb. Das Design der 4,21 Meter langen Giulietta mit ihrer extremen Keilform polarisierte nachhaltig. Der Einstiegs-1,3-Liter mobilisierte 70 kW / 95 PS, der 1,6-Liter 80 kW / 109 PS. 1979 folgte der 1,8-Liter mit 90 kW / 122 PS und ein Jahr später der Zweiliter mit 96 kW / 130 PS. Nicht zuletzt für den italienischen Markt, der für Fahrzeuge ab zwei Liter Hubraum eine kräftige Luxussteuer erhob, entstand zwischen 1983 und 1987 eine Topversion mit Turbolader und 125 kW / 170 PS.
1985 endete die Ära der Alfetta. Die Rolle der Mittelklasse-Limousine übernahm im gleichen Jahr der Alfa 75. Der Bruch bei der Bezeichnung sollte die Tradition der Marke beschwören. 1985 feierte Alfa Romeo sein 75jähriges Bestehen. Inzwischen hatte Fiat die Regie in Mailand übernommen. Darum gilt unter den Alfisti der 75, der noch unter dem alten Management entstanden war, als (vorerst) letzter echter Alfa, zumal der 75 noch auf den klassischen Heckantrieb vertraute. Die 4,33 Meter lange Limousine setzte das Konzept der konsequenten Keilform fort, denn die hatte sich inzwischen als stilbildend etabliert. Die eher uninspirierte Gestaltung des Innenraums mit langweiligen Formen und viel zu viel Hartplastik wollte jedoch nicht so recht zum Premiumanspruch passen. Antriebsseitig erfüllte diesen Anspruch ohne Zweifel der 2,5-Liter-V6, der mit 115 kW / 156 PS als Topmodell „Quadrofolio Verde“ (QV) antrat. 1987 folgte ein Dreiliter-V6 mit 136 kW / 185 PS.
Der 1987 eingeführte neue Zweiliter-Vierzylinder mit Doppelzündung und 145 PS Leistung spannte den Bogen zum Nachfolger des Alfa 75. Ab 1992 vertrat der Alfa 155 die Marke in der Mittelklasse. Der 4,46 Meter lange Viertürer teilte sich mit verschiedenen Fiat- und Lancia-Modellen die Bodengruppe. Was ihm viele Fans übelnahmen, zumal der 155 aus Konzernräson den Frontantrieb übernehmen musste. Die beiden „Twin-Spark“-Vierzylinder mobilisierten 95 kW / 129 PS und 106 kW / 144 PS, der 2,5-Liter-V6 kam auf 121 kW / 165 PS. Die Rolle des Topmodells übernahm ein aufgeladener Zweiliter mit 190 PS. Turbodiesel mit 90, beziehungsweise 125 PS ergänzten das Antriebsportfolio.
1997 ging ein Aufatmen durch die Reihe der Alfisti, als der Nachfolger des 155 erschien. Der 156 überzeugte auf Anhieb mit einer bildschönen Karosserie, für die Walter da Silva, der spätere Chef-Designer des VW-Konzerns verantwortlich zeichnete. Der 156 übernahm im Wesentlichen das Motorenprogramm seines Vorgängers. 2002 erhielt dann das Topmodell 156 GTA einen 3,2-Liter-V6 mit 184 kW / 250 PS. Zwischen 2000 und 2005 ergänzte der „Sportwagon“ als Kombi die Baureihe.
Mit einer behutsamen Überarbeitung des erfolgreichen Da-Silva-Konzepts setzte das Alfa-Designzentrum „Centro Stile Alfa“ ab 2005 den Nachfolger 159 in Szene. Die deutlich auf 4,66 Meter angewachsene Limousine konnte in Punkto Design durchaus reüssieren. Acht verschiedene Motoren spannten den Leistungsbogen von 120 bis 260 PS. Freilich hatte Julias Urenkelinnen mächtig Speck an den Hüften gesammelt und vertrauten bei der Topmotorisierung nunmehr auf einen V6 mit 3,2 Liter Hubraum und 191 kW / 260 PS von General Motors. Der stammte von der australischen GM-Tochter Holden. Was dem Triebwerk an Drehfreude und Leistungsentfaltung fehlte, machte es mit heftigem Durst wett.
Alles vergessen und – wie Alfa Romeo inständig hofft – auch vergeben. Die neue Giulia stellt die Uhren in Mailand auf Null. Wie zuletzt beim Alfa 75 treiben die vorerst vier verfügbaren Motoren nunmehr wieder die Hinterräder, im Falle des QV alle vier Räder an. Dabei decken die drei Diesel ein Leistungsspektrum von 100 kW / 136 PS bis 132 kW / 180 PS ab. Das Topmodell QV tritt mit 375 kW / 510 PS an. Im Laufe des Jahres folgen zwei Benziner mit 147 kW / 200 PS und 206 kW / 280 PS. 33.100 Euro muss mindestens investieren, wer herausfinden will, ob es Giulia gelungen ist, wieder zu ihren Wurzeln zu finden.
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Alfa Romeo Giulia Berlina, 1962-1978.
Foto: Hersteller
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Foto: Hersteller
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Foto: Hersteller
Alfa Romeo Giulia Sprint Speciale (1963–1965).
Foto: Hersteller
Alfa Romeo Giulia 1600 Sprint (1962–1965).
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Alfa Romeo Giulia Berlina, 1962-1978.
Foto: Hersteller
Alfa Romeo Giulia Berlina, 1962-1978.
Foto: Hersteller
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Alfa Romeo 156.
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Alfa Romeo 156.
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Alfa Romeo 155 (1992–1995).
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Foto: Hersteller
Alfa Romeo Giulia.
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Alfa Romeo Giulia.
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Alfa Romeo Giulia.
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Alfa Romeo Giulia.
Foto: Hersteller
Alfa Romeo Giulia.
Foto: Hersteller