Historie und Histörchen (12): Motorenpleite und Gehirnwäsche

Hanns-Peter von Thyssen Bornemisza ist ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Dresdner war Redakteur bei folgenden Blättern: "Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, "Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure „deutscher Nachkriegs-Mobile“ wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu vielen Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.

Dozekals Motorenpleite und die Folgen

„Mensch, Dozekal!", rief Hans Glas entsetzt und eilte hin, um den in sich zusammensinkenden Körper aufzufangen. Aus der Feierstimmung wurde in Sekundenschnelle Chaos mit Notarzt und Krankenwagen. Eine kleine Gesellschaft stand im Halbkreis um einen Motorenprüfstand, auf dem der nagelneue Motor für das künftige Goggomobil seine ersten Takte hören lassen sollte. Doch nach den ersten Tönen - Schweigen, Stillstand. Dann der Zusammenbruch von Felix Dozekal, dem Konstrukteur des Ganzen. Er hatte einen Schlaganfall bekommen.

Rückblick: Der Dingolfinger Landmaschinen- und Rollerfabrikant Hans Glas plante die Programmerweiterung auf ein kleines Autochen. Sein Sohn Andreas Glas und dessen Freund Karl Dompert hatten sich schon an die Arbeit gemacht. Ursprünglich war geplant, von der norddeutschen Motorenfabrik Ilo einen 250 ccm-Motor zu kaufen. Doch das sprengte den Kostenrahmen. Hans Glas hatte vorgeschrieben, dass dieses Kleinstauto, das spätere Goggomobil T 250, nicht mehr kosten dürfe als ein Motorrad mit Beiwagen. Und dieser Preis ließ nicht zu, den Motor zu kaufen.

Also machten sich die Bayern auf die Suche nach einem guten Motorenkonstrukteur. Den fanden sie in Felix Dozekal, der bei der Motorradfirma Adler in Frankfurt einen äußerst gelungenen 250 ccm-Motorradmotor entwickelt hatte, der alle guten Eigenschaften besaß, dem Erbauer bundesweiten Ruhm einbrachte und unter Kennern als „Frankfurter Feuerzeug" gelobt wurde. Dozekal kam gerne nach Niederbayern, wo er innerhalb von nur zwölf Monaten ebenfalls einen scheinbar gelungenen Zweizylinder-Zweitakter mit 250 ccm und 14 PS entwickelte.

Die ersten Motortakte sollte er in feierlichem Kreis auf dem Motorprüfstand absolvieren. Doch nach wenigen Sekunden stockte sein Lauf. Der Schock darüber brachte Felix Dozekal den Schlaganfall, von dem er sich nie erholen sollte. Dem Schock nahe war auch Hans Glas, der ja schon feste Termine im Blick hatte: „Wir gehen alle kaputt." Nun nahm sich Karl Dompert der weiteren Entwicklung an. Doch zuverlässig laufen mochte der Motor nicht, dennoch lief im November 1954 die Vor-Serie langsam an.

In seiner Not bediente sich Dompert eines Tricks. Er rief einen ihm bekannten Motoreningenieur bei der Kolbenfabrik Mahle an und log: „Bei unser Motoren fressen sich die Mahle-Kolben fest, aber mit denen der Konkurrenz nicht." „Da gibts nicht“, kam es vom anderen Ende zurück. „Fahr zu uns in die Versuchsabteilung nach Cannstatt." Dort stellten die Experten fest, dass die Überströmkanäle zu scharf gegossen waren. Festgestellt wurde auch, dass der Motor zu heiß wurde. Erst als die Formen des Motorblocks geändert und die Auspuffkrümmer in der Gießerei schon zusammengegossen wurden, änderte sich das.

Schon Im Juni 1955 erweiterte Glas das Programm durch einen 300 ccm-Motor. Weil es in Österreich die Führerschein IV-Kundschaft nicht gab, wollte man dort von Anfang an das Goggomobil nur mit 300 ccm und 18 PS anbieten. Doch wegen des besseren Durchzugsvermögens nahm man diesen Motor auch ins deutsche Programm auf. Geändert wurden aber die PS-Zahlen. Der 300er leistete nun 14,8 PS, der 250er wurde von 14 auf 13,6 PS gedrosselt. Beim Goggomobil T 250 lag das Vier-Gang-Getriebe längs, das H-Schaltschema war aber quer gelegt. (Quelle: Karl Dompert)

Adler: Gehirnwäsche durch einen Deutschen aus Amerikaner

Die Karosseriefabrik Gebrüder Wendler in Reutlingen hatte im Frühjahr 1949 unter strengster Geheimhaltung für die Firma Adler in Frankfurt schon einen modernen Nachfolger zum Trumpf Junior gebaut – eine elegante zweitürige Limousine mit runden Linien, einem Buckelheck und einteiliger, um die Ecken gezogener Frontscheibe, eingebauten Scheinwerfern und großer Heckscheibe. Sie sollte im Frühjahr 1951 auf den Markt kommen.

Sie war aufgebaut auf dem von Adler gebauten Vorkriegs-Chassis mit vorn liegenden 995 ccm-Vierzylinder-Motor und 30 PS. Schon 1932 hatte Adler das Modell Trumpf Junior gebracht, ein Frontantriebswagen mit Lenkradschaltung. Damit brachte es die Frankfurter Firma bis auf den vierten Platz der Zulassungsliste. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann man wieder mit dem Bau von Fahrrädern und Schreibmaschinen. Gerade für den Adler Trumpf waren alle Produktionsmaschinen heil über die Kriegstage gekommen.

Doch die Karosserie bezog Adler schon vor dem Krieg von der Berliner Karosseriefabrik Ambi-Budd. Und Ambi-Budd lag nun im sowjetisch-besetzten Teil Berlins, die Karosseriewerkzeuge waren von den Russen beschlagnahmt worden. Dennoch begannen die tüchtigen Adler-Techniker schon 1947 mit dem Bau von zwei Prototypen des erst 1938 total renovierten Trumpf Junior. Die Adler-Konstrukteure verbesserten in mühevoller-Konstzuktion die Vorkriegs-Konstruktion, legten das Vier-Gang-Getriebe vor die Vorderachse und gewannen dadurch 170 Millimeter mehr Platz im Innenraum.

Auf die beiden Fahrwerke ließ Adler bei den Karosseriefirma Wilhelm Karmann in Osnabrück und bei Gebrüder Wendler in Reutlingen zwei komplett neue Karosserien bauen, mit denen sie am 22.Mai 1948 bei der Technischen Exportmesse in Hannover großes Aufsehen erregten. Doch die führenden Leute hatten die Rechnung ohne ihren Generaldirektor gemacht. Adler-Chef Ernst Hagemeyer kam im Juli 1948 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück. Seine erste Amtshandlung: Er befahl, keine Autos mehr zu bauen.

Hagemeyer glaubte, die Amerikaner würden den deutschen Markt künftig mit ihren großen Autos überschwemmen. Und er fürchtete den Volkswagen, der schon in großen Serien gebaut würde. Hagemeyer ließ die Adler-Ausstellungstücke verschrotten. Die Adler-Werke konzentrierten sich nun weiter auf den Bau von Fahrrädern und Schreibmaschinen, später Motorräder, ehe Adler von der Schreibmaschinen-Konkurrenz Triumph aufgekauft und zur Marke Triumph-Adler verschmolzen wurde. (Wendler-Betriebsleiter )

Adler: Der zweite Anlauf wird zum Fehlstart

Nachdem der Generaldirektor Ernst Hagemeyer in den Ruhestand getreten war und die Motorrad-Verkaufskrise die Frankfurter Firma quälte, gab es neue Auto-Pläne. Der technische Direktor der Motorrad-Fabrik Adler in Frankfurt, Karl Friedrichs, ließ im Sommer 1954 von einem jungen Techniker diesen Zweisitzer entwickeln, der im Maßstab 1:5 entstand. Der junge Techniker hieß Hubert Willi Schillings, der sich seine ersten Sporen mit gelungenen Illustrationen und Schnittzeichnungen für Auto-Zeitschriften verdient hatte.

Das Coupé war als Frontmotorwagen mit Frontantrieb ausgelegt und sollte eine selbsttragende Karosserie mit nach oben schwingenden Flügeltüren ganz aus Stahl tragen. Die Karosserie sollte von einem Gitterrohrrahmen gestützt werden. Vorn würden die Räder einzeln aufgehängt, hinten war eine Starrachse vorgesehen. Im Bug sollte der von Adler-Motorrädern her bewährte luft- und gebläsegekühlter Zweizylinder-Zweitakt-Motor mit 250 ccm dienen, der in der Branche als „Frankfurter Feuerzeug“ bewundert wurde, entwickelt von dem Motoren-Konstrukteur Felix Dozekal. Der Zweisitzer kam über das Planungsstadium nicht hinaus. Im Dezember 1954 wurden die Arbeiten eingestellt. Schillings durfte seine Pläne mit nach Hause nehmen. Er entwickelte daraus etwas später einen kleinen Zweisitzer mit seinem Namen.



Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

Adler Junior von 1948.

Adler Junior von 1948.

Foto: v. Thyssen


Hans Glas, Andreas Glas und Karl Dompert (von links).

Hans Glas, Andreas Glas und Karl Dompert (von links).

Foto: v. Thyssen


Goggomobil.

Goggomobil.

Foto: Lothar Spurzem/Wikipedia


Adler 250 von 1954.

Adler 250 von 1954.

Foto: v. Thyssen


Adler Triumph Junior, 1939.

Adler Triumph Junior, 1939.

Foto: Von Cyb4/Wikipedia