Historie und Histörchen (23): Der wirre Neustart der Auto Union

Von Auto Union, DKW, Ifa, F-8, F-9. F-89 p, Baur, Karmann und Weinsberg im Osten und im Westen erzählt Hans-Peter Thyssen von Bornemisza, ein Journalist und Fachbuchautor, den älteren Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Dresdner war Redakteur bei folgenden Blättern: "Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, "Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure deutscher Nachkriegs-Mobile wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.

Der Erfolg hatte viele Väter: der Auto Union DKW

Das meistgefahrene Automobil im Deutschland der 30er Jahre war der Opel Kadett. Den sicherten sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg gleich die Russen als Wiedergutmachung für Kriegsschäden. In Rüsselsheim wurden alle Produktionsmaschinen für dieses Auto, die den Krieg unzerstört überlebt hatten, auf Güterwagen verladen und nach Moskau geschafft. Das zweitbeliebteste Fahrzeug hinter dem Opel Kadett war der DKW F 8, , F-8, Fdessen Nachfolger, der F 9, schon serienreif entwickelt worden war. Da aber die Fabriken der Auto Union im sowjetisch-besetzten Gebiet lag, glaubten viele ausländische Firmen das Erbe der Auto Union antreten zu können.

Ifa F-9

Der neuen sozialistischen Regierung in Ost-Deutschland war die Wiederbelebung der luxuriösen BMW-Wagen in Eisenach und Audi-Wagen aus Zwickau ein Dorn im Auge. Anfang Mai 1945 war klar, dass die Russen in Chemnitz einmarschieren würden. Am 1. Juli 1948 teilte die Landesregierung Sachsen dem Vorstand mit, dass das Vermögen der Auto Union enteignet sei. Mit der Rückgabe von Werken aus dem sowjetischen Bereich wurde dann das Eisenacher Automobilwerk ein volkseigener Betrieb unter der Firmenbezeichnung "VEB-Ifa-Automobilfabrik EMW Eisenach" und die VVB Automobilbau (Vereinigung volkseigener Betriebe) mit Sitz in Chemnitz angegliedert und als "Industrie Fahrzeugbau-Ifa" umbenannt.

Die Auto Union wurde schließlich am 17.August 1948 aus dem Handelsregister in Chemnitz gelöscht. Auf Anweisung der dortigen Hauptdirektion musste 1949 die Produktion des DKW F-9 mit dem neu entwickelten Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor aufgenommen werden. Es war jene Konstruktion, die schon vor dem Krieg von der Auto Union zur Serienreife entwickelt worden war und die – ohne Kriegsausbruch – ohnehin 1942 als DKW F-9 produziert worden wäre. Der Wagen – nun Ifa geheißen, da der Name DKW von den nach Ingolstadt geflohenen Männern geschützt worden war – trug eine zweigeteilte Heck- und Frontscheibe, Zug-Türgriffe und schon Dreieck-Ausstellfenster an den Seitenfenstern, sowie eine aerodynamische Karosserielinie mit nach hinten sanft abfallendem Heck.

Die Karosserie erhielt nun eine einteilige Front- und Heckscheibe. Der Tank wurde ins Heck verlegt. Doch das Ende des Ifa F-9 lag nahe.1955 hatte die Ingolstädter Auto Union die ostdeutsche Ifa auf unlauteren Wettbewerb verklagt. Die Paralellen zwischen Ifa F-9 und dem DKW 3=6 waren nicht zu übersehen. Und die westdeutsche Firma galt als Rechtsnachfolger des Vorkriegskonzerns.

Audax

Die DKW-Wagen schienen nach Kriegsende nicht mehr auf den Markt zu kommen, da die russische Besatzungsmacht die Firma und ihre Gebäude enteignet hatte. Um die Tradition dieser DKW-Wagen fortzuführen, etablierten sich geflohene Auto Union-Männern schon 1947 in Zürich (Schweiz) und gründeten dort eine "Autobau-Genossenschaft". Die heuerte verschiedene ehemalige Auto Union-Mitarbeiter an und versorgte die vielen deutschen DKW-Besitzer mit Ersatzteilen. 1948 montierte man aus vorhandenen Teilen sogar einige Exemplare des DKW F-8, die den Namen "Audax" trugen. Die in Westdeutschland wieder gegründete Auto Union GmbH mit anderen leitenden Mitarbeitern der Auto Union verhinderte allerdings noch Ende 1948 mit rechtlichen Mitteln, dass DKW-Wagen künftig als Audax in der Schweiz entstanden. Die Audax schloss schon 1947 wieder ihre Tore.

Philipsons Philipin

Das in Stockholm ansässige Unternehmen Philipsons Automobil AB war der bekannteste schwedische Auto-Händler. Vor dem Krieg hatte er die Marken Auto Union, Chrysler und Austin in Schweden vertreten. 1937 hatte Philipsons sogar die Svenska Automobilfabriken in Augustental erworben und wollte Chrysler-Fahrzeuge in noch größerem Maßstab als zuvor für Schweden montieren. Geplant war auch eine Montage von deutschen DKW-Modelle. Der Krieg machte allen diesen Plänen ein Ende.

Ende 1945 ließ Firmenchef Gunnar von Philipsons den Prototyp zu einem Kleinwagen entwickeln, der „Philipin“ heißen sollte. Der Viersitzer war eine Buckelheck-Limousine und besaß in die Kotflügel eingebaute und in den Kühlergrill einbezogene Scheinwerfer. Die Frontscheibe war zweigeteilt, die Seitenfenster besaßen Ausstell-Dreieckfenster. Ein metallverkleideter Holzprototyp wurde im Herbst 1946 fertig. Technisch sollte der Philipin auf dem deutschen DKW-Fahrwerk basieren – mit Frontantrieb und Zwei-Zylinder-692 ccm-Zweitakt-Motor mit 15 PS. Mit der Zeit wollte Philipsons den DKW-Motor durch ein ähnliches Triebwerk aus schwedischer Produktion ersetzen. Gedacht war auch an einen 600 ccm-Vier-Zylinder-Viertakt-Motor(Marke Albin). Doch als Philipsons die Alleinvertretung des neuen schwedischen Saab-Wagens angeboten wurde, nahm er das Angebot an und ließ seine eigenen Auto-Pläne fallen.

Aero Minor II

Die tschechische Jawa-Produktion musste 1947 auf Befehl der kommunistischen Regierung beendet werden, da sie eher qualitativ hochwertige Automobile hervorgebracht hatte. Jawa hatte von 1934 bis 1939 deutsche DKW-Modelle in Lizenz für den tschechischen Markt gebaut und entwickelte danach eigene Modelle auf dieser Basis. Diese entstanden in der Hauptsache aus noch vorhandenen DKW-Teilen. Die Modelle wurden Ende der 40er Jahre umgetauft von Jawa in Aero.

Claveaux 5 CV

Emile Claveau des Descarpts baute seit 1923 Automobile in kleiner Serie. Mit den mechanischen Teilen des deutschen Auto-Union-DKW-Wagen baute der französische Prototypen-Konstrukteur Emile Claveau eine zweitürige Limousine mit vier Sitzen. Interessant: die erstmalige Zusammenfassung der Blinklichter und der Scheinwerfer zu einer Einheit. Der Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor mit 896 ccm Hubraum leistete 34 PS, stammte vom ostdeutschen Ifa-F-9 und brachte den Wagen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Seine Premiere feierte er als 5 CV auf dem Pariser Automobilsalon im Oktober 1956. Der Aufbau bestand wahrscheinlich aus Kunststoff. Aus der geplanten Serienfertigung wurde nichts. Claveau des Descarpts starb 1956.

DKW Baur F 10

Im Jahre 1939 stellte DKW seinen zweitürigen, viersitzigen Wagen "Meisterklasse F-8" vor, der eine Weiterentwicklung des "Reichsklasse F-5" war. Der Wagen hatte einen Vierkantrohrrahmen auf dem eine, mit einem Hartholzrahmen gestützte, holzverkleidete Karosserie saß, die statt einer Lackierung einen Kunstlederüberzug trug. Der Motor des F-8 saß im Bug; ein wassergekühlter Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor mit 692 ccm und 20 DIN-PS Leistung. Bis 1941 wurde der Wagen gebaut, danach verhinderte der Krieg einen Weiterbau.

Im Krieg wurden die mit Holz-Karosserie versehenen DKW F-5 bis F-8 von der Wehrmacht - im Gegensatz zu anderen zivilen Automobilen – wegen der Holzkarosse und des schwachen Motors nicht beschlagnahmt. Deshalb gab es nach 1945 davon noch etwa 60 000 dieser Wagen und damit erheblichen Ersatzteilebedarf. Nach Kriegsende wurde der Wagen allerdings gleich an verschiedenen Orten wieder in Kleinstserien gebaut. Einmal im DKW-Werk in Zschopau, das im sowjetisch besetzten Gebiet lag und zum Volkseigenen Betrieb Ifa umbenannt worden war. Dort entstand der "Ifa F-8".

In den westlichen Zonen Deutschlands fand sich die Stuttgarter Karosseriefabrik Carl Baur, die den F-8 pflegte und als F-10 baute. Die noch in Gebrauch befindlichen F-8 Wagen hatten die oft arg verrottete, mit Kunstleder überzogene Holzkarossen. So baute die Karosseriefabrik Karl Baur in Stuttgart ab 1948 für DKW-Besitzer auf das Fahrwerk mit dem 584-ccm-18 PS-(F-7)oder 692-ccm-20 PS-Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor (F-8) Ponton-Karosserien aus Stahlblech mit in die Kotflügel eingebauten Scheinwerfern. Die Wagen, genannt F-10, wurden als viersitzige Limousinen und als zwei- oder viersitzige Cabriolets geliefert. Bis 1950 wurden einige hundert Exemplare gebaut.

Als der Ersatzteil-Bedarf gedeckt war und die Nachfrage nach dem DKW-Ersatz groß, bezog Baur auch aus dem ostdeutschen Ifa-Werk Fahrgestelle des F-8 und baute darauf die F-10 Karosserien, um sie danach in West-Deutschland als Neuwagen anzubieten. Dieser Umstand führte zu erheblicher Missstimmung mit der in Westdeutschland gerade wieder beginnenden Auto Union . 1953 musste die Produktion des F-10 bei Baur nach einem Rechtsstreit beendet werden.

Auto Union DKW F 8/9

Mit Konstruktionsunterlagen im Rucksack waren einige führende Mitarbeiter der Auto Union aus der sowjetisch besetzten Zone in westliche Besatzungs-Zonen geflohen. Sie versuchten hier, auf den Grundlagen der Vorkriegs-Auto Union eine neue Gesellschaft zu gründen. Schon 1939 war in Zschopau ein komplett neuer Viersitzer als Nachfolger des veralteten F-8 entwickelt worden: ein zweitüriger Viersitzer mit geteiltem Heckfenster, mit geknickter, aber einteiliger Frontscheibe, mit angedeuteter Pontonform und schräg auslaufendem Heck.

Aufgrund der mitgenommenen Pläne ließen die Auto-Union-Männer bei der schwäbischen Karosseriebaufirma Weinsberg in Weinsberg bei Heilbronn ein erstes Exemplar bauen. Der Prototyp besaß noch keine Regenrinnen am Dach, ein geteiltes Heckfenster und eine geteilte Windschutzscheibe, sowie aufgesetzte Rückleuchten. Das Fahrwerk wurde von der ostdeutschen Auto Union aus dem sowjetisch besetzten Zschopau angeliefert.

Die Flüchtlinge brachten Pläne zu jenem neuen DKW mit, wie er schon in den Jahren 1937 bis 1940 als "F-9" fertig entwickelt worden war. Ohne Kriegsbeginn wäre eine Serienproduktion dieses F-9 mit einem Dreizylinder-Zweitakt-Motor für 1940 geplant gewesen. Der Krieg zerstörte diese Pläne, und die im Januar 1949 wieder erstandene westdeutsche Auto Union brachte diesen Wagen zunächst mit Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor heraus.

Bei den Karosseriefirmen Gustav Drauz, Heilbronn und Karosseriewerke Weinsberg in Weinsberg ließen die Auto Union-Manager in Westdeutschland im November 1949 weitere Prototypen bauen. Parallel dazu begann das "Industriekombinat Fahrzeugbau" (Ifa) in der Sowjetzone mit einem baugleichem Muster, dem Ifa F-9, jedoch schon mit Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor. Der westdeutsche Nachkriegs-DKW besaß eine halbselbsttragende Stahlblechkarosserie mit zwei Türen und vier Sitzen.

Im Juli 1950 begann die Serienfertigung der "DKW Meisterklasse F-89 P". Der Wagen trug die Zahlenkombination, weil der Motor vom F-8 stammte, die Karosserie aber vom F-9. Die Kombination der Buchstaben ergab die 89. Die Serienausführung besaß eine durchgehende schmale Heckscheibe. Die Frontscheibe war in der Mitte geknickt, jedoch aus einem Stück gefertigt. Unter der Bughaube (vor der Vorderachse) saß ein wassergekühlter Zwei-Zylinder-Zweitakt-Motor mit 692 ccm Hubraum – im Gegensatz zum Vorkriegsmotor jedoch mit Leichtmetall-Zylinderkopf und Solex-Fallstromvergaser – der bei 4500 U/min gute 23 DIN-PS leistete. Das Getriebe hatte drei Gänge, der Schalthebel saß als Pistolengriff in der Mitte des Armaturenbretts. Der Verbrauch soll bei 6,25 Liter auf 100 km gelegen haben, die Höchstgeschwindigkeit wurde mit "über 100 km/h" angegeben. Die Räder waren vorn an Querlenkern aufgehängt, die Federung übernahmen hoch liegenden Querblattfedern, hinten an einer Starrachse mit hoch liegender Querfeder (nun "Schwebeachse" genannt) und Teleskopstoßdämpfern. Eine hydraulische Duplex-Bremsanlage wirkte auf alle Räder.

Die Serienfertigung des F 89 p begann im Auto-Union-Werk Düsseldorf, einem ehemaligen Werk der Rheinmetall-Borsig AG. Die Aufbauten lieferte anfangs die Karosseriefabrik Drauz in Heilbronn. Die Anfangsserie hatte noch hochstehende Warzen-Rückleuchten, später lagen die Rückleuchten an der Karosserie an. Bald war der F 89 p auch als Rolldach-Limousine zu haben. Die Aufbauten für die viersitzigen Cabriolets baute die Karosseriefirma Wilhelm Karmann in Osnabrück, die zweisitzigen Coupés und Cabriolets lieferte die Karosseriefabrik Joseph Hebmüller in Wülfrath zu. Hebmüller entwickelte sogar für die Auto Union ein zweisitziges Coupé mit weit ums Heck gezogener einteiliger Heckscheibe und mit lang auslaufendem Heck.

Aus diesem Hebmüller-Coupé entwickelte die Auto Union wenig später selbst ein viersitziges Coupé in ähnlicher Form. Von 1951 bis 1954 wurde auch ein Kombiwagen gebaut, dessen hintere Hälfte in Holzbauweise, nach Vorbildern amerikanischer Station-cars entstanden. Ab Sommer 1953 wurde der Wagen mit größerem Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor geliefert und hatte die Bezeichnung "3=6 Sonderklasse" mit jenem Motor, den die Auto Union schon 1939 entwickelt und den Ifa schon seit 1949 baute. Er zielte mehr in die untere Mittelklasse. Das 3=6 bedeutete, dass der Dreizylinder die Laufruhe eines Sechszylinder-Motors bieten würde. Gebaut wurden vom DKW Meisterklasse F 89 P insgesamt 59 475 Exemplare, dazu 6415 Exemplare des Kombiwagen Universal mit hinterem Holzaufbau.


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Bilder zum Artikel

Auto Union-DKW F-89 p.

Auto Union-DKW F-89 p.

Foto: von Thyssen


Auto Union-DKW F-8 Baur.

Auto Union-DKW F-8 Baur.

Foto: von Thyssen


Auto Union DKW F-89.

Auto Union DKW F-89.

Foto: von Thyssen


Aero Minor.

Aero Minor.

Foto: von Thyssen


Philipsons Philipin.

Philipsons Philipin.

Foto: von Thyssen


Auto Union DKW FX.

Auto Union DKW FX.

Foto: von Thyssen


Das erste Fahrzeug, das aus der Ingolstädter Auto Union Produktion lief Der DKW F 89 L Schnellaster

Das erste Fahrzeug, das aus der Ingolstädter Auto Union Produktion lief Der DKW F 89 L Schnellaster

Foto: Auto-Medienportal.Net/Audi


Bohnstedt Petersen DK-W.

Bohnstedt Petersen DK-W.

Foto: von Thyssen


Phillipsons DKW.

Phillipsons DKW.

Foto: von Thyssen


IFA F-8 Cabriolet.

IFA F-8 Cabriolet.

Foto: von Thyssen