Historie und Histörchen (29): Beinahe hätte Glas den US-Markt überrollt

Das Goggomobil sollte die USA erobern, doch dort kannte man keine Zweitakter. Wie der Plan scheiterte und wie Glas um eine Sondergenehmigung für seine Türen einkam, erzählt Hans-Peter Thyssen von Bornemisza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Viele Konstrukteure deutscher Nachkriegs-Mobile wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.

Gemisch? What´s that?

"Benzin-Öl-Gemisch," fragte der Tankwart ungläubig, "What´s that?" Der Deutsche Andreas Glas, Junior-Chef der kleinen Autofirma Glas, fuhr mit einem pontonförmigen Cabriolet in New York herum. Doch als der Tank leer war, gab es Schwierigkeiten. Kein Tankwart in New York konnte verstehen, warum ein Motor mit einem Benzin-Öl-Gemisch herumfuhr. Es gab nur Benzin zu kaufen. Andereas Glas musste seinen Neuling stehen lassen. Und selbst der neue US-Goggomobil-Importeur, Jo Berliner, winkte ab: „Man kann in den USA keinen Zweitakter verkaufen.“ Damit endete wieder einmal der Versuch, das Goggomobil auf dem Neuen Kontinent zu verkaufen.

Schon mit dem Goggomobil-Coupé hatte Hans Glas versucht, einen US-Export anzukurbeln. Prahlte Hans Glas: „Heute Nacht kam ein Anruf aus Philadelphia von einer Gesellschaft, die erklärte: Das ist der fehlende Wagen für unsere jungen Damen. Wir haben Interesse, 8000 bis 11 000 Stück zu kaufen.“ Und da die Geschäftspartner den Wunsch äußerten, ein Cabriolet zu bekommen, entstand in Dingolfing flugs ein pontonförmiges Cabriolet mit großer Frontschnauze, die einen Frontmotor nahelegen sollte und gewölbter Frontscheibe.

Per Flugzeug wurde die Neuheit nach New York gebracht. Dort fanden sich dafür schnell Interessenten: Das Versandhaus Sears zeigte Interesse und die große Studebaker-Packard-Corporation – selbst schon in finanziellen Engpässen – wollte das Goggomobil in den USA in Lizenz bauen. Studebaker-Präsident Churchill kam sogar im Herbst 1957 persönlich nach Dingolfing.

Hans Glas ließ ausführliche Marktstudien erarbeiten und einige Goggomobil-Limousinen auf US-Vorschriften umrüsten. So musste neben den vorderen Seitenscheiben noch zwei weitere Fenster zu öffnen sein, also schnitt man in die hinteren Seitenfenster je ein kleines Ausstell-Dreick-Fenster hinein. Die größeren Scheinwerfer wurden von Hand in den Bug gebaut. Trotzdem lösten sich alle Exportpläne nach Nord-Amerika in Luft auf. Der Trend ging zum Straßenkreuzer.

Erst BMW brachte den Goggo in Ordnung

Ein Brief des Kraftfahrt-Bundesamts sorgte im Sommer 1957 in Dingolfing für große Aufregung: Das Goggomobil trug noch nach vorne hin angeschlagene Seitentüren. Schloss der Insasse eine solche Türe nicht korrekt, konnte es passieren, dass der Fahrtwind sie aufriss und der Sog des Windes einen Insassen aus dem Wagen zog. Deshalb ließ der Kraftfahrt-Bundesamt schon 1957 alle Auto-Hersteller wissen, dass bis spätestens 1963 nur noch Wagen mit nach hinten öffnenden Türen zugelassen würden.

Glas-Chefkonstrukteur Karl Dompert sah sofort, dass eine Umkonstruktion sehr teuer geworden wäre. So besprach er mit Junior-Chef Andreas Glas die Möglichkeit, das Kleinstmobil nach achtjähriger Bauzeit gegen einen moderneren Typ II zu ersetzen. Um 1960 warb man von Mercedes-Benz den Konstrukteur Josef Adler ab, der ein moderneren Goggomobil-Nachfolger, der M-61 genannt wurde, realisieren sollte.

Der brachte aus Stuttgart ein neuartiges System mit, bei dem bestimmte Maße im Innenraum mit den Innenraum-Maßen von Wettbewerber-Modellen verglichen wurden. So war es möglich, einen Wagen mit klassenbesten Maßen zu schaffen. Das Chassis musste unverändert bleiben – mit Heckmotor und hinteren Pendelachsen. Um größte Innenmaße zu schaffen, zeichnete Adler eine höhere Karosserie, die in der Form ein wenig an den späteren holländischen DAF erinnerte. Die Scheinwerfer saßen höher, die Türen besaßen Kleine Dreieck-Ausstellfenster. Die Front zierte eine breite Chromleiste, am Heck gab es kleine spitze Heckflügel, passend zur ausgehende Heckflossen-Ära schuf. Die Rückleuchten waren viereckig gehalten. Der Kofferraum im Bug besaß sogar eine kleine Klappe.

Es entstand ein Prototyp, der im Versuch laufen sollte. Doch es war schon 1961 abzusehen, dass für die Umstellung das Geld nicht reichte. So beantragte man vorsorglich eine Ausnahmegenehmigung. Erst unter BMW-Regie erhielt das alte Goggomobil vorn angeschlagene Türen.


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Bilder zum Artikel

Goggomobil.

Goggomobil.

Foto: Lothar Spurzem/Wikipedia


Glas Isar 400 Coupé von 1960

Glas Isar 400 Coupé von 1960

Foto: John Black/RM Sotheby's


Nachfolger des Glas 1200.

Nachfolger des Glas 1200.

Foto: von Thyssen


Der Nachfolger des Glas Goggomobils.

Der Nachfolger des Glas Goggomobils.

Foto: v. Thyssen


Hans Glas, Andreas Glas und Karl Dompert (von links).

Hans Glas, Andreas Glas und Karl Dompert (von links).

Foto: v. Thyssen


Goggomobil-Prototyp mit Fronttür.

Goggomobil-Prototyp mit Fronttür.

Foto: von Thyssen