Historie und Histörchen (39): Selbst gebaut hat oft gereut

In den 50-ger Jahres war neben Kühlschränken war der Bundesdeutschen begehrtestes Gut schon ein Automobil. Ein fahrbarer Untersatz musste es sein. Ein Wagen mit Dach, der im Unterhalt nicht teurer als ein Motorrad war. Es gab schon einige Fabrikate, doch neue Konstruktionen drängten nach. Von drei Modellen, die es nicht bis zur Serienproduktion erzählt Hanns-Peter von Thyssen-Bornemissza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen.

CAM: Zündapps Flirt mit einem richtigen Auto

Karl Amesmeier besaß im bayerischen München eine Bauschlosserei und setzte seinen ganzen Ehrgeiz daran, einmal ein Auto zu bauen. So entstand 1951 ein zweisitziger Roadster mit Einstiegsluken, eingebauten Scheinwerfern und gerader, einteiliger Frontscheibe. Die mechanische Basis bildete der Lloyd LP 300. Der 296 ccm-Zweizylinder-Zweitakt-Motor mit 10 PS lag im Bug und trieb die Vorderräder. Die Vorderräder hingen an zwei Querblattfedern, die Hinterräder an einer Pendelachse mit Längsblattfedern. Gebaut wurde nur ein Exemplar zum Eigengebrauch.

1952 baute Karl Amsmeier wiederum einen Roadster auf Basis des bekannten Lloyd LP 300. Die Karosserie besaß nun einen breiten Kühlergrill mit vier Horizontal-Leisten. Als Antrieb diente ein 398 ccm-Zweizylinder-Zweitakt-Motor mit 13 PS. Es entstand nur ein Exemplar.

Wieder für den Eigengebrauch baute Karl Amsmeier einen Sportwagen, dem er als Namen die Initialen seines Namens gab. Die Karosserie trieb er aus Stahlblech, viele Teile stammten vom Volkswagen. Im Bug steckte ein Motor aus einem Zündapp-Motorrad. Es war ein luftgekühlter Zwei-Zylinder-4Viertakter-Boxermotor mit 600 ccm und 28 PS. Erprobt wurde auch ein zweites Exemplar, das es als Sportausführung mit 33 PS geben sollte.

Der Wagen besaß Frontantrieb und erreichte eine Spitze von 125 km/h, später 135 km/h, der Verbrauch war mit 6,0 l/100 km angegeben. Das Lenkrad und der Vorderradantrieb stammten vom DKW 3=6 Sonderklasse, die Scheinwerfer und Türgriffe vom Volkswagen. Die Motorhaube ließ sich als gesamtes Vorderteil öffnen. Die Frontscheibe war gewölbt und einteilig, die Türgriffe waren als Zuggriffe ausgebildet. Amsmeier startete damit bei der Rallye Bad Neuenahr und bei der Rallye „Fahrt durch Bayerns Berge". Er gewann jeweils eine Goldmedaille.

Amsmeier wollte seinen CAM in kleiner Serie bauen. Die Motorradfabrik Zündapp interessierte sich dafür und verhandelte lange mit Amsmeier. Letztlich erschien Zündapp der Wagen zu groß und zu teuer. Das Projekt versiegte. Der Prototyp wurde um 1956 fertig, gebaut wurden vier Exemplare. Eines davon nutzte der Erbauer lange Zeit selbst.

Deltamobil: Ölofen auf Rädern

Das deutsche Deltawerk Lindner GmbH in München-Pasing war auf den Bau von Ölheizungen spezialisiert. Wegen der großen Nachfrage nach Kleinwagen beschloss die Firma, einen zu entwickeln. Es entstand ein Dreirad mit hinterem 8-Zoll-Einzelrad, sehr kurzem Bug und zwei Türen. Im Heck saß ein Einzylinder-Zweitakt-Motor von Ilo mit 197 ccm Hubraum, dessen 9,5 PS mit Hurth-Dreigang-Getriebe und Kette an das hintere Einzelrad gegeben wurde. Die Vorderräder hingen an einer Starrachse und wurden mit Gummifederelementen bgefedert. Der 16 Liter-Tank saß über dem Heckmotor. Die Karosserie bestand aus Aluminium und saß auf einem Profilrahmen. Die Scheinwerfer waren dieselben, die auch der Volkswagen trug. Die Seitentüren mit aufsteckbaren Scheiben gingen über den Radausschnitt hinweg und boten so einen besonders bequemen Zugang. Lehne und Sitzflächen waren in vier stoffbezogenen Gummi-Luftkissen aufgeteilt. Unter der Sitzbank befand sich ein Gepäckkasten.

Im September 1954 wurde das erste, 310 kg-schwere Exemplar fertig Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 80 km/h, der Verbrauch bei 4,2 l auf 100 km gelegen haben. Bis November 1954 waren acht Exemplare fertig, die zu Stückpreisen von 2200 Mark gleich Abnehmer fanden. Am 16. Dezember 1954 erhielt das Deltamobil den Segen der Behörden. Lindner baute sogar schon ein Exemplar mit 250 ccm-Motor. Doch das Geld reichte nicht für eine ordentliche Serienfertigung. Nach nur zwölf Exemplaren gab das Deltawerk im Februar 1955 den Autobau auf.

Jurisch Kabine: Lenkstangen statt Lenkrad

Der Techniker Carl Jurisch aus Nürnberg stellte den bekannten Motorrad-Seitenwagen Steib in kleiner Serie her. Er hatte außerdem nach dem Zweiten Weltkrieg eine Hinterradfederung für Motorräder entwickelt und gefertigt. Hinzu kamen später Federbeine, Vordergabeln und geschlossene Kettenkästen.

Jurisch baute 1954 aus zwei Seitenschalen des Steib-Seitenwagens ein kleines dreirädriges Fahrzeug, einen Einsitzer mit zwei Vorderrädern und einem Hinterrad. Die Front bestimmten zwei Scheinwerfer, eine gewölbte Frontscheibe mit Scheibenwischer und zwei Seitenscheiben über die, an Gleitrahmen, das Stoffverdeck geöffnet und geschlossen wurde. Im Heck sollte ein 50-ccm-Einzylinder-Zweitakt-Motor stecken, wie er aus Mopeds bekannt war. Die Pedalerie entsprach der eines richtigen Automobils. Die Lenkung erfolgte aber nicht mit einem Lenkrad, sondern mit einem unterhalb des Fahrersitzes gelegenen Rohrlenkers, dessen beide Arme seitlich hochgeführt waren und in Handgriffen endeten, auf denen oben, mit einem Finger zu bedienen, der Blinkerhebel und der Hupenknopf saß. Gelenkt wurde mit zwei Zuggriffen rechts und links des Fahrers.

Vor dem Fahrer lag also nur die glatte Wulst der Karosserierand-Polsterung. Die beiden Vorderräder hingen an Kurzhub-Schwingen. Die Abfederung erfolgte über Steib-Drehfeder-Gummielemente. Im Heck des Versuchsfahrzeugs saß der vom Heinkel-Motorroller übernommene, luftgekühlte 175-ccm-Einzylinder-Viertakt-Motor mit Vier-Gang-Getriebe und Rückwärtsgang. In der hinteren Schwinge mit gedämpftem Federbein, saß das 4.40-10 große Hinterrad mit Kettenantrieb. Maße der Jurisch-Kabine: 2,20 x 1,22 x 1,22 m. Radstand 1,53 m. Innenraumlänge 850 mm und 850 mm Ellenbogenbreite. Die Einstiegshöhe über die Karosseriewand betrug 670 mm.

Voll aufgetankt wog das Fahrzeug 173 kg. Mit dem 9,3-PS-Motor erreichte es eine Spitze von 100 km/h. Der Verbrauch soll bei 2,8 l/100 km gelegen haben. Gepäck ließ sich in den Seitenausbuchtungen verstauen. Der Jurisch sollte in Serie gebaut werden, drei Prototypen liefen bereits im Versuch. Letztendlich verlief das ganze Projekt im Sande. 1955 war das Ende der Jurisch-Kabine gekommen, weil sie im Schatten des kommenden Goggomobils stand. (ampnet/vt)


Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

CAM.

CAM.

Foto: von Thyssen


CAM.

CAM.

Foto: von Thyssen


Deltamobil.

Deltamobil.

Foto: von Thyssen


Jurisch Kabine.

Jurisch Kabine.

Foto: von Thyssen