Pick-ups in China: Vom Mittleren Westen in den Fernen Osten

In die automobile Welt rollten sie vor Jahrzehnten als Arbeitstiere für den amerikanischen Farmer. Am Wochenende griff dann jeder Little Joe ins Lenkrad und fuhr samt Freundin ins Drive-in-Kino. Wie kein anderes Fahrzeug verkörperte der Pick-up den Lebensstil des amerikanischen Westens, bis Städter die urigen Gefährte entdeckten und der Kleinlaster zum Luxusmobil für den urbanen Cowboy mutierte, der auf der Ladefläche allenfalls Chardonnay für die Dinner-Party transportierte. Diese Entwicklung scheint sich nun in China zu wiederholen.

Zwar sind die Pick-ups in vielen Metropolen wie Peking und Shanghai schlicht verboten oder dürfen höchstens nachts auf die Straßen: Doch das hat in den vergangenen Jahren die chinesischen Liebhaber des American Way of Drive nicht davon abgehalten, die Gefährte über graue Kanäle ins Land zu holen. Inzwischen hat sich das Segment zu einem rasant wachsenden Markt entwickelt. Detroit reagiert, und im kommenden Jahr werden General Motors, Chrysler und Ford ihre Luxus-Laster verstärkt ins Reich der Mitte exportieren, um die chinesischen Stadt-Cowboys mobil zu machen. Denn tatsächlich werden auch in der Volksrepublik die wenigsten US-Pick-ups im harten Arbeitseinsatz gefordert werden – dafür haben die Chinesen ihre eigenen „Pika“, einfache Transporter für die Arbeit auf dem Feld.

Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie hat im Mai einen leichten Kurswechsel vollzogen und vier Provinzen zu Testgebieten erklärt, in denen die Kleinlaster von den Fahrverboten befreit sind und in die Städte fahren dürfen. Offensichtlich will Peking mit dieser Maßnahme vor allem den schwächelnden Automobilmarkt in Schwung bringen und vergisst dabei, dass die Pick-ups nicht gerade zu den Umweltfreunden gehören. Daher ist es auch kein Zufall, dass die Provinz Hebei zu den Testregionen gehört. Hier läuft ungefähr die Hälfte der chinesischen Pick-ups von den Bändern. Bisher, so die Nachrichtenagentur Reuters, ist die Produktion allerdings noch nicht nennenswert gestiegen, doch soll erst nach einem Jahre eine Bilanz des Versuchs gezogen werden.

Außerdem hoffen die Pritschenwagen-Fans auf eine weitere Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen. Angeblich wird in Peking überlegt, die Kleinlaster als Personenwagen einzuordnen, was der Produktion einen zusätzlichen Aufschwung geben würde. „Chinas Pick-up-Markt wird in den kommenden Jahren stark wachsen“, wagt der an dem Pilotprojekt beteiligte Experte Yan Ningya einen Blick in die Zukunft.

Aktuell besetzen Pick-ups einen Marktanteil von überschaubaren 1,4 Prozent, was sich in 368 791 Exemplare übersetzt. Doch mit einer Wachstumsrate von 14 Prozent zeigt das Segment unübersehbares Potenzial. Im Gegensatz zu den einheimischen Herstellern streben die amerikanischen Hersteller vor allem den Luxusmarkt an. So wird Ford zum Beispiel den F-150 Raptor im kommenden Jahr nach China exportieren. Das PS-Monster mit 450 PS eignet sich gewiss nicht für die biedere Arbeit im Feld, sondern wird vielmehr vor allem Kunden ansprechen, die in den Kreisen von wohlhabenden Geschäftsleute und Autofanatiker gesucht werden. „Die Zeitgenossen, die sich einen Raptor zulegen, besitzen wahrscheinlich schon einige andere Luxus-Gefährte. Für die ist das nur ein weiteres Spielzeug“, erklärt Fords Vertriebsleiter für Asien Wesley Liu der Nachrichtenagentur Reuters.

Wegen der hohen Zölle (25 Prozent) und der zusätzlichen Mehrwertsteuer (17 Prozent) rollt der Raptor in die höheren Preisregionen und kostet in der Volksrepublik umgerechnet mindestens 80 000 Dollar (ca. 76 500 Euro). In den USA steht der Power-Pick-up mit gerade 48 325 Dollar in der Preisliste. Neben dem Raptor überlegt Ford inzwischen angeblich, auch die „zivileren“ F-150-Varianten zu importieren. Und außerdem könnte auch der kleinere Ranger aus Thailand nach China verschifft werden. Bei entsprechender Nachfrage wird sogar eine Pickup-Produktion in der Volksrepublik denkbar. Nach den amerikanischen Herstellern hat nun auch Toyota den Markt erkannt und schickt den Tundra ins Reich der Mitte.

Wie ernst Detroit den neuen Pick-up-Markt nimmt, zeigte der Auftritt von Ford und General Motors bei der Guangzhu Motorshow im vergangenen November. General Motors zeigte dort seine beiden Bestseller Chevrolet Colorado und Silverado und ließ dafür eine ganz in Leder gekleidete Rockband aufspielen und einige als Stadtcowboys verkleidete Models aufmarschieren, die auch dem letzten Zweifler klarmachen sollte, wo und wie sich Freiheit und Abenteuer erleben lassen: Natürlich nur mit einem wuchtigen Luxus-Pick-up. (ampnet/ww)


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Bilder zum Artikel

Ford F-150 Raptor.

Ford F-150 Raptor.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford


Ford F-150 Raptor.

Ford F-150 Raptor.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford


Ford Harley-Davidson F150.

Ford Harley-Davidson F150.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford


Chevrolet Silverado.

Chevrolet Silverado.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Meiners


Toyota Tundra Desert Race Truck.

Toyota Tundra Desert Race Truck.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Toyota