Nur die Ruhe: Die E-Mobilität kommt erst langsam in Fahrt

Optimismus bei Opel, selbstkritische und zugleich zuversichtliche Töne bei Mercedes, Nachdenkliches vom „Auto-Professor“ und hochtrabende Pläne bei Swatch – in Sachen Elektromobilität werden im kommenden Jahr die Weichen gestellt. Für Opels Marketingchefin Tina Müller steht die Marke mit dem Blitz vor spannenden Zeiten. „Wir geben mit dem Ampera-e den Ton an“, sagt sie und schiebt das Modell in die Rolle eines Schrittmachers für die E-Mobilität.

Der Ampera-e werde dafür sorgen, „dass die E-Mobilität endlich auch in der breiten Masse der Gesellschaft eine ernst zu nehmende Option ist“, so Müller in einem Interview mit der „Automobilwoche“. Gleichzeitig wird Opel die Weichen in Richtung Mobilitätsdienstleister stellen, um den „gesellschaftlichen Veränderungen gerecht zu werden.“ Im kommenden Jahr bringt Opel deshalb die in den USA erfolgreiche GM-Car-Sharing-Marke Maven in Europa an den Start.

Während bei Opel das kommende Jahr im Zeichen der Hochspannung steht, gibt sich Mercedes eher selbstkritisch optimistisch. Der noch vergangenes Jahr zuständige Entwicklungsvorstand Thomas Weber erklärte in einem Interview mit „Autogazette“, dass Daimler mit seinen Ideen mitunter zu schnell gewesen sei. „Das Mobilitätskonzept eines Smart kommt gerade erst jetzt zum Tragen“. Gleichzeitig habe man aber auch erleben müssen, dass „ein vor allem funktionales Auto wie die B-Klasse Electric Drive nicht das sei, was jeder Kunde künftig als Elektroauto haben will.“ Es müsse „zusätzlich einen Wow-Effekt geben“, für den der EQ sorgen soll, der auf der IAA im Herbst 2017 vorgestellt wird.

Gleichzeitig setzt Weber auch auf den Ausbau der Schnelllade-Infrastruktur, den Mercedes zusammen mit BMW, Volkswagen und Ford plant. „Erst wenn es ein flächendeckendes Ladenetz gibt, verlieren die Kunden die Reichweitenangst.“ Diese Initiative sieht Weber als „Signal an unsere zukünftigen Kunden, dass wir den Schalter in Richtung E-Mobilität jetzt umlegen.“

Außerdem sieht Weber eine deutliche Verbesserung bei den Batterien. „Wir sehen im Durchschnitt der vergangenen eine Effizienzsteigerung um 14 Prozent bei der Energiedichte pro Jahr,“ erklärte Weber auf dem Pariser Automobilsalon im Herbst gegenüber dem „Auto-Medienportal“ Und: „Das heißt, innerhalb von fünf Jahren verdoppelt sich Energieintensität.“
Die Kaufprämie spielt bei der Entscheidung pro E-Mobil keine entscheidende Rolle, erklärt Daimler-Chef Dieter Zetzsche in einem Interview mit der „Bild“. Vielmehr, so Zetsche, müssen die E-Modelle die Kunden begeistern. Die sind allerdings nicht von heute auf morgen verfügbar. Doch „langsam erzielen wir mit batteriebetriebenen Autos ähnliche Reichweiten wie mit Verbrennungsmotoren, und auch die Anschaffungskosten gehen nach unten.“

Wie diese Modelle die Begeisterung der Kunden wecken sollen, erklärte Zetsche dem „Auto-Medienportal“: „Verzichtsmodelle, die eher müsliartig daherkommen“ werden es nicht sein, sondern „am Ende des Tages müssen wir Begeisterung bei den Kunden auslösen und diese Begeisterung nicht durch allzu große Preisprämien bestrafen.“

Aktuell ist das Interesse der potenziellen Kundschaft allerdings noch sehr überschaubar, so das Ergebnis einer Studie des Center for Automotive Management (CAM). Gleichzeitig sieht CAM-Chef Professor Stefan Bratzel in Zukunft eine deutlich steigende Nachfrage. Die Studie ergab, dass in China Elektrofahrzeuge in den ersten elf Monaten 2016 einen Marktanteil von 1,7 Prozent erreicht haben. Gegenüber 2015 eine glatte Verdoppelung. In den USA kommen die E-Mobile auf ein Plus von 33 Prozent bei den Neuzulassungen (133 000 Einheiten), was sich in einen Anteil von 0,8 Prozent übersetzt. In Europa bleibt Norwegen der Musterknabe in Sachen Elektromobilität. Bis Ende November wurden 41 000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen und erreichten damit einen Marktanteil von 30 Prozent.

In Deutschland, so Bratzel liegen die Neuzulassungen bei überschaubaren 22 000 Fahrzeugen, sodass der Marktanteil bei unverändert 0,7 Prozent liegt. Bratzel macht drei wenig überraschende Gründe für die Zurückhaltung verantwortlich: geringe Reichweite, die lückenhafte Ladeinfrastruktur und der hohe Preis der E-Modelle.

Eine Trendwende beim Kaufverhalten sieht auch Bratzel – wie Zetsche, Weber und andere – erst im Jahr 2025 auf die Industrie zukommen. Angetrieben vom Volkswagen-Dieselskandal, dem Boom in China und einer verschärften Umweltgesetzgebung sieht die CAM-Studie einen „massiven Umbruch der Antriebstechnologien“, sodass der Marktanteil der E-Mobile bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent steigen wird.

Von diesem Trend will auch der Schweizer Uhrenkonzern Swatch profitieren, indem der Uhrenhersteller zusammen mit dem Tochterunternehmen Belenos eine Batterie entwickelt, die sich durch eine höhere Energiedichte, längerer Lebensdauer, kürzeren Ladezeiten und mehr Sicherheit bieten soll. Bis zum Jahr 2020 will Geschäftsführer Nick Hayek mit den Akkus für Autos, E-Fahrräder und Elektrorollern einen Umsatz von neun bis 14 Milliarden Euro erzielen. Experten halten die ehrgeizigen Pläne allerdings für ziemlich realitätsfern.

Anders als Hayek sieht Continental-Chef Elmar Degenhart die Rolle der Elektromobilität wesentlich sachlicher. In einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“, erklärte Degenhart, dass der Autozulieferer nicht vor dem Jahr 2020 mit der Elektromobilität Geld verdienen wird. „Der Übergang vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität“ wird, so Degenhart, noch Jahre benötigen, um Fahrt aufzunehmen Erst „zwischen 2025 und 2030 wird die Zahl der Verbrennungsmotoren global ihren Spitzenwert erreichen und dann moderat fallen.“


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Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Opel Ampera-e.

Opel Ampera-e.

Foto: Opel


Opel Ampera-e.

Opel Ampera-e.

Foto: Opel


Opel-Vorstandschef Dr. Karl-Thomas Neumann präsentiert in Paris den Ampera-e.

Opel-Vorstandschef Dr. Karl-Thomas Neumann präsentiert in Paris den Ampera-e.

Foto: Opel


Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive.

Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive.

Foto: Daimler


Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive.

Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Opel Ampera-e.

Opel Ampera-e.

Foto: Opel


Daimler Fleet Management nimmt mit zwei Mercedes-Benz B-Klassen Electric Drive.

Daimler Fleet Management nimmt mit zwei Mercedes-Benz B-Klassen Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Forfour Electric Drive.

Smart Forfour Electric Drive.

Foto: Daimler


Smart Electric Drive.

Smart Electric Drive.

Foto: Daimler


Tina Müller.

Tina Müller.

Foto: Peter Schwerdtmann


Opel-Marketingchefin Tina Müller.

Opel-Marketingchefin Tina Müller.

Foto: Opel


Karl-Thomas Neumann.

Karl-Thomas Neumann.

Foto: Peter Schwerdtmann


Prof. Dr. Thomas Weber.

Prof. Dr. Thomas Weber.

Foto: Auto-Medienportal.Net


Prof. Dr. Thomas Weber.

Prof. Dr. Thomas Weber.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Manfred Zimmermann


Dieter Zetsche.

Dieter Zetsche.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler


Dieter Zetsche.

Dieter Zetsche.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Manfred Zimmermann


Dr. Elmar Degenhardt.

Dr. Elmar Degenhardt.

Foto: Auto-Medienportal.Net


Dr. Elmar Degenhardt.

Dr. Elmar Degenhardt.

Foto: Auto-Medienportal.Net