Mercedes-Benz 540 K Spezial-Roadster: Ein Auto für die Reichen und Schönen

Werksintern trug er in den frühen 1930er-Jahren die Bezeichnung W 29. Für das zahlungskräftige Publikum hieß er der 1934 in Berlin vorgestellte Nachfolger des legendären Mercedes SSK den Markennamen Mercedes-Benz 500 K und ab 1936 Mercedes-Benz 540 K, wobei die Zahl für den Hubraum und das K für den Kompressor stand. Anfangs belief sich sein Preis auf 15 000 Reichsmark, was heute etwa 100 000 Euro entsprechen würde. Heute erzielt er bei Auktionen regelmäßig siebenstellige Beträge.

Eine bullige Jugendstil-Skulptur auf vier Rädern, handgefertigt und für damalige Zeiten so schnell, dass zwei Personen mit ihr bequem auf der damals jungen Autobahn mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 180 km/h unterwegs sein konnten. Der Mercedes-Benz 500 K Spezial-Roadster war eine von einem halben Dutzend Modell-Varianten, die mit dem Fünf-Liter-Achtzylindermotor mit zuschaltbarem Roots-Gebläse (74 kW / 100 PS, mit Kompressor 118 kW / 160 PS) ausgerüstet waren. Rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Patentanmeldung für den Motorwagen von Carl Benz, der Geburtsstunde der Automobilindustrie, wurde der 540 K 1936 mit einem auf 5,4 Liter vergrößerten und jetzt 85 kW / 115 PS (aufgeladen 132 kW / 180 PS) leistenden Motor vorgestellt

Das Fahrzeug war nicht nur schnell und schön, es strahlte zudem eine beeindruckende Präsenz und Extravaganz aus. Sein Chefkonstrukteur Hans Niebel hatte sich beim Design der Proportionen an den Goldenen Schnitt gehalten, was zur Folge hatte, dass sich die wahre Größe dem Betrachter auf Fotos längst nicht so deutlich zeigte wie in Natura. Der Wagen erschien 1934 in acht verschiedenen Karosserie-Ausführungen: als Stromlinien-Limousine mit dem klangvollen Namen Autobahn-Kurierwagen, als viertürige Limousine, damals noch Innenlenker genannt, als Cabriolet in drei Varianten, als zweitüriger offener Tourenwagen und als Roadster. Die Krönung aller Varianten war der besonders elegante und luxuriöse Spezial-Roadster, von dem nur 29 Stück gebaut werden.

Verständlich, dass gegen Ende der Weltwirtschaftskrise sich nur wenige Prominente ein derart teures Autos leisten konnten. Zu Erstbesitzern eines 540 K zählten zum Beispiel der Filmproduzent Jack L. Warner, Mitbegründer der späteren Warner Bros.-Studios, der Schauspieler Clark Gable oder Hermann Göring, zweiter Mann im Nationalsozialismus hinter Adolf Hitler.

Wesentlich tiefer in die Tasche greifen als vor 80 Jahren müssen Interessenten heute, wenn sie bei einer Auktion ein Auge auf eines der seltenen Exemplare geworfen haben. Verhältnismäßig preiswert – für 2,5 Millionen Dollar, damals 1,9 Millionen Euro – kam im August 2007 in Monterey einer der wenigen Mercedes-Benz Spezial-Roadster unter den Hammer, die nicht vom Werk in Sindelfingen fertig gestellt wurden. Zwar stammte das Chassis samt Motor aus Deutschland, die Karosserie jedoch von Mayfair Carriage Co. in London, wo in der Zeit zwischen den Weltkriegen individuelle Aufbauten für Automobile der Oberklasse entstanden. Fünf Jahre zuvor hatte der 540 K von Film-Mogul Jack L. Warner aus dem Jahr 1937 für 3,63 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt, was damals 3,9 Millionen Euro entsprach. Diese Summe bedeutete einen neuen Weltrekord für ein Modell dieser Serie.

Für einen ähnlichen Preis, nämlich 3,8 Millionen Dollar (2,7 Millionen Euro), fand im August 2011 in Monterey ein 500 K einen neuen Besitzer. Dieses Fahrzeug hatte damals eine außergewöhnliche Geschichte hinter und eine juristisch interessante vor sich. Ursprünglich stand es 1935 als Blickfang im Mercedes-Stand auf der Automobilausstellung in Berlin, danach ging es an das millionenschwere Mitglied von Deutschlands ältester Unternehmerdynastie Hans Prym (Druckknöpfe, Reißverschlüsse, Stricknadeln) aus Stolberg bei Aachen.

Den Krieg überlebte der Wagen versteckt in einer Scheune, bis amerikanische Truppen unter General Dwight D. Eisenhower das Rheinland besetzten. Gerüchten zufolge war der spätere US-Präsident von dem 540 K äußerst angetan. Danach verlor sich vorläufig die Spur des Autos. In den 1970er Jahren tauchte es in der Sammlung eines Amerikaners wieder auf. Es folgten mehrere Auktionen und mehrere Besitzer. Zur Auktion in Monterey brachte ihn General William Lyon, der das Auto 1988 erworben hatte.

Über die Versteigerung an der US-Pazifikküste wurde auch Pryms Enkel Michael informiert, der sich bereits längere Zeit mit Hilfe von Anwälten auf die Suche nach dem 540 K seines Großvaters gemacht hatte. Sein Wunsch nach Rückgabe des Wagen in den USA ging allerdings ins Leere, den Zuschlag bekam der niederländische Multimillionär und Autosammler Frans van Haren. Der machte allerdings einen entscheidenden Fehler als er 2012 das Auto auf der Techno Classica in Essen für 4,9 Millionen Euro verscherbeln lassen wollte. Denn Michael Prym ließ daraufhin den Oldie umgehend beschlagnahmen. Es folgten Prozesse, die schließlich mit einem Vergleich endeten, und der 500 K kehrte heim nach Aachen – allerdings nur für eine überschaubare Zeit. Im September 2016 kam er im Château de Chantilly in der Nähe von Paris erneut unter den Hammer. Familie Prym durfte sich über 5,3 Millionen Euro freuen. Wertsteigerung innerhalb von nur fünf Jahren: 96,3 Prozent.

Einen der zuerst gebauten 500 K sicherte sich 1934 der kurz zuvor als Verteidiger im Reichstagsbrand-Prozess und später als Vertreter der Anklage am Volksgerichtshof der Nazis zu zweifelhaftem Ruhm gekommene Rechtsanwalt Alfons Sack. Er war es, der 1936 sein Auto von Mercedes in Sindelfingen zu einem 540 K upgraden ließ. Schwedische Oldtimer-Detektive entdeckten in den 1960er Jahren Einzelteile des Autos verstreut an mehreren Standorten in Polen. In einer aufwändigen Restauration erhielt Sacks Fahrzeug eine umfassende Verjüngungskur. Ein schwedischer Sammler stiftete den Wagen anschließend für wohltätige Zwecke. 2014 wurde er schließlich für 3,1 Millionen Euro zugunsten der Bekämpfung von Krebs- und Alzheimer-Forschung in Schweden versteigert.

Dass die Spekulation mit seltenen Oldtimern je nach Währungskurs bisweilen auch in die Hose gehen kann, beweist die Geschichte des Mercedes-Benz 540 K mit der Fahrgestellnummer 408383, dem vermutlich zuletzt gebauten Exemplar. Sein Erstbesitzer, der Berliner Rolf Horn, Eigentümer eines der exklusivsten Geschäfte für Inneneinrichtungen der Hauptstadt, hatte als Sonderausstattung ein Fünf-Gang-Getriebe bestellt. Lange Freude am Auto hatte Horn nicht, weil wenig später der Zweite Weltkrieg ausbrach, er seinen Wagen verstecken und ihn nach 1945 in Ost-Berlin zurücklassen musste.

Bis 1953 diente der 540 K sowjetischen Diplomaten dort als Dienstwagen. Danach kaufte ihn der russische Sammler Artur Leschtin. Mitte der 60er Jahre veräußerte er den Mercedes an den schwedischen Journalisten Alf Johansson, der in Moskau akkreditiert war. Der Schwede führte das Auto später aus der Sowjetunion bei Nacht und Nebel über die finnische Grenze aus und gab es zehn Jahre später an einen amerikanischen Sammler ab. In den USA begann 2011 für Fahrgestellnummer 408383 eine Odyssee über mehrere Auktionen: Zunächst kam das Fahrzeug in Monterey für 4,3 Millionen Dollar unter den Hammer, was damals 3,3 Millionen Euro entsprach. Zwei Jahre später ergab die nächste Auktion - wiederum in Monterey 7,5 Millionen Dollar (2013 waren das 5,6 Millionen Euro), und im Januar 2017 kam es für 6,6 Millionen Dollar unter den Hammer (6,2 Millionen Euro). Ein beständiger Weg nach oben, gerechnet in Euro, ein Verlust von 900 000 Dollar innerhalb von vier Jahren, gerechnet in Dollar.

Kein besonders gutes Geschäft machte 2007 Formel 1-Zampano Bernie Ecclestone, als er Platz für seine RennwagenSammlung benötigte und deshalb neben 13 Ferraris und einigen weiteren Autos auch einen silberfarbenen Mercedes 540 K aus dem Baujahr 1937 bei Sotheby's versteigern ließ. Der in Dollar bezifferte stolze Preis von 8,1 Millionen Dollar ergab aufgrund des damals schwachen Umrechnungskurs für die US-Währung auf 5,9 Millionen Euro.

Den bisher dritthöchsten Preis für einen Mercedes-Benz 540 K zahlte ein Bieter 2011 in Monterey für einen Wagen, der 1937 einem reichen Argentinier gehört hatte: 9,7 Millionen Dollar oder sieben Millionen Euro. Über Stationen in der Schweiz, Österreich, Argentinien und Australien war das Auto in den späten 1980er Jahren in die legendäre Sammlung von Sam und Emily Mann gekommen. Fünf Jahre später kratzte ein roter 540 K aus dem Jahr 1937 bei Sotheby's an der Zehn-Millionen-Grenze. 9,9 Millionen Dollar oder neun Millionen Euro blätterte ein ungenannter Multimilllionär für den Wagen auf den Tisch, für den sein Erstbesitzer in New York vor 80 Jahren 14 000 Dollar gezahlt hatte, 40 Prozent mehr, als damals der teuerste Cadillac mit 16-Zylinder-Mmotor kostete. Dabei hatte Sothyb's damit gerechnet, dass der Wagen bis zu 13 Millionen Dollar (zwölf Millionen Euro) bringen würde.

Die schaffte aber noch nicht einmal der bisher teuerste 540 K, der im August 2012 bei Gooding unter den Hammer kam und schließlich 11,8 Millionen Dollar (9,2 Millionen Euro) erzielte. Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges hatte die preußische Baronin Gisela Josephine von Krieger, die als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt, das Cabrio für Fahrten an die sommerliche Côte d’Azur gekauft. Im Zweiten Weltkrieg bekam die Adelige Asyl in der Schweiz, siedelte in den 1950er Jahren nach New York über und kehrte nach zehn Jahren in die Schweiz zurück.

Drei Jahre, nachdem die Baronin 1989 in ihrem verwahrlosten Apartment in Vevey gestorben war, wurde ihr 540 K in einem Schuppen nahe Greenwich in Connecticut/USA gefunden. Im Handschuhfach lagen noch ein weißes Paar eleganter, akkurat zusammengelegter Damenhandschuhe aus Seide und im Aschenbecher die Filter französischer Zigaretten mit rotem Lippenstiftabdruck. Ob diese Hinterlassenschaften ebenfalls zum Versteigerungsobjekt gehörten, ist nicht überliefert. (ampnet/hrr)


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Mercedes-Benz 540 K: Der Prym-Mercedes kam im ersten Anlauf auf 2,7 Millionen Euro.

Mercedes-Benz 540 K: Der Prym-Mercedes kam im ersten Anlauf auf 2,7 Millionen Euro.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Bonham's


Mercedes-Benz 540 K: Im zweiten Anlauf kam der Prym Mercedes fünf Jahre später für 5,3 Millionen Euro unter den Hammer.

Mercedes-Benz 540 K: Im zweiten Anlauf kam der Prym Mercedes fünf Jahre später für 5,3 Millionen Euro unter den Hammer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's


Mercedes-Benz 540 K mit englischer Karosserie auf deutschem Chassis kam im August 2007 für 1.9 Millionen Euro unter den Hammer.

Mercedes-Benz 540 K mit englischer Karosserie auf deutschem Chassis kam im August 2007 für 1.9 Millionen Euro unter den Hammer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's


Mercedes-Benz 540 K: Michael Prym im Wagen seines Großvaters:

Mercedes-Benz 540 K: Michael Prym im Wagen seines Großvaters:

Foto: Auto-Medienportal.Net/privat


Neun Millionen Euro war 2016 der bisher zweithöchste Preis für einen Mercedes-Benz 540 K Roadster.

Neun Millionen Euro war 2016 der bisher zweithöchste Preis für einen Mercedes-Benz 540 K Roadster.

Foto: Sothebys/Darin Schnabel


Mercedes-Benz 540 K: Zum Ersten - 3.3 Millionen Euro im August 2011.

Mercedes-Benz 540 K: Zum Ersten - 3.3 Millionen Euro im August 2011.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sothebys


Mercedes-Benz 540 K: Zum Zweiten - 5.6 Millionen Euro im August 2013.

Mercedes-Benz 540 K: Zum Zweiten - 5.6 Millionen Euro im August 2013.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sothebys


Mercedes-Benz 540 K: Zum Dritten - 6.2 Millionen Euro im Januar 2017.

Mercedes-Benz 540 K: Zum Dritten - 6.2 Millionen Euro im Januar 2017.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sothebys


Mercedes-Benz 540 K: 5.9 Millionen Euro 2007 für Bernie Ecclestones.

Mercedes-Benz 540 K: 5.9 Millionen Euro 2007 für Bernie Ecclestones.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sothebys


Mercedes-Benz 540 K: Mercedes 540 K von 1937 für sieben Millionen Euro.

Mercedes-Benz 540 K: Mercedes 540 K von 1937 für sieben Millionen Euro.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sothebys


Erst 500 K dann 540 K für 3,1 Millionen Euro versteigert für einen guten Zweck.

Erst 500 K dann 540 K für 3,1 Millionen Euro versteigert für einen guten Zweck.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Bonhams


Mercedes-Benz 540 K: Neun Millionen Euro kostete im Januar 2002 ein 540 K von-Filmgröße Jack L Warner.

Mercedes-Benz 540 K: Neun Millionen Euro kostete im Januar 2002 ein 540 K von-Filmgröße Jack L Warner.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Sotheby's


9,2 Millionen Euro brachte der Mercedes-Benz 540 K von Baronin Gisela von Krieger.

9,2 Millionen Euro brachte der Mercedes-Benz 540 K von Baronin Gisela von Krieger.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Gooding


Baronin Gisela von Krieger und ihr Mercedes-Benz 540 K.

Baronin Gisela von Krieger und ihr Mercedes-Benz 540 K.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Gooding


Werbung für den Mercedes-Benz 540 K Spezial Roadster von1936.

Werbung für den Mercedes-Benz 540 K Spezial Roadster von1936.

Foto: Auto-Medienportal.Net