Fahrbericht Land Rover Discovery Sd4: Disco im Vierer-Rhythmus

Fast fünf Meter Auto und nur vier Zylinder? Keine Frage, Land Rover traut sich was. Seit Kurzem ist der vielseitigste Geländewagen, den die Marke anzubieten hat, mit einem nur zwei Liter großen Dieselmotor der neuen Ingenium-Generation zu haben, der aber immerhin 177 kW / 240 PS leistet. Das sind nur 16 Pferdestärken weniger, als beim vormaligen Drei-Liter-V6.

Vor den Augen staunender Indios und eingeflogener Pressevertreter hat der Land Rover Discovery im Herbst eine große Herausforderung gemeistert. In Peru ging es durch Dschungel und Wüste, hinauf ins Hochgebirge bis auf mehr als 4700 Meter und durch steinige Schluchten. Seinem Ruf als kompromissloser Geländegänger hat der Wagen dabei alle Ehre gemacht, wenn gleich es sich um eine Version mit Ottomotor und nicht mit dem neuen Ingenium-Diesel handelte. Hierzulande sind Selbstzünder viel beliebter und der V6-Benziner kam gerade mal auf knapp 15 Prozent Anteil.

Im Sinne von Hubraum-, Verbrauchs- und Abgasreduzierung mag der Schritt zum Vierzylinder einleuchtend sein, jedoch kommt zu der etwas geringeren Leistung gegenüber dem Vorgänger auch eine die Einbuße an Drehmoment. Bis zu 600 Nm lagen in den verschiedenen Versionen an, beim Nachfolger mit Vierzylinder sind es 500 Newtonmeter. Und die haben einiges anzuschieben. Zwar rühmt sich Land Rover nicht zu Unrecht, mit der Aluminium-Karosserie erheblich an Gewicht eingespart zu haben. Von bis zu 480 Kilogramm ist die Rede. Doch das unbeladene Fahrzeug wiegt immer noch mindestens 2184 Kilogramm.

Und das ist die Krux: Im Grunde dienen alle Bemühungen zur Gewichtsreduktion an der Karosserie nur dem Ziel, Platz für Optionen zu schaffen. Die Kunden, vor allem in der Preisklasse ab 60 000 Euro aufwärts, wollen nun mal nicht auf die Annehmlichkeiten verzichten, die ihr in der Ausstattungsliste schmackhaft gemacht werden. Ein paar Schönheits- und Komfortmerkmale dazu, zum Beispiel Sitze für sieben Personen, größere Räder, breitere Reifen, ein Glasdach und eine Anhängerkupplung – um Nu sind 2,4 Tonnen oder mehr erreicht. Das gilt auch für unseren Testwagen.

Wie man bei Land Rover mit einem anderen Zielkonflikt umgeht, zeigt die Karosserie. Kantig bedeutet Tradition und Wiedererkennungswert, Rund modern und windschlüpfrig. Die Aufgabe, diese Pole ästhetisch zu versöhnen, haben Chefdesigner Gerry McGovern und sein Team mit Bravour gelöst. Die Front des aktuellen Disco orientiert sich erkennbar an Range Rover und dem kleineren Bruder Discovery Sport, eine kleine Stufe im Dach und das nach links versetzte Nummernschild über den Blechknick in der Heckklappe spiegeln ein stilistisches Thema wider, wie es die zweite Generation vor Jahren einführte. Insgesamt wirkt der Trumm harmonischer und gefälliger, der rechte Winkel hat als prägendes Designprinzip ausgedient.

Nicht so im Innenraum. Dort lautet die Ansage „klare Kante“, mehr noch sogar als beim Vorgänger. Die seitlichen Einfassungen der Mittelkonsole – zuvor noch nach unten hin leicht gekrümmt – stehen kerzengerade in der Cockpitlandschaft, die Ausströmer der Lüftung wanderten über den Navigationsbildschirm, der in seiner teuersten Variante 12,3 Zoll in der Diagonalen misst. Auch die strenge Symmetrie zwischen den Vordersitzen ist aufgelöst. Die Drehknöpfe für Gangwahl und Offroad-Programme rückten näher an den Fahrer und erlauben so eine stärkere Differenzierung zwischen Rechts- und Linkslenker. Der Pralltopf des Lenkrades wurde größer und runde Funktionstasten finden sich nun auf den weiter auseinander gezogenen Speichen platziert.

Damit der Verlust der geteilten Heckklappe nicht so schmerzt, haben sich die Ingenieure ein Novum ausgedacht. Es zeigt sich beim Öffnen der neuen Laderaumtür eine bewegliche Rampe, die mehrere Funktionen erfüllt. Sie hindert Gepäckteile am Herausfallen, wenn man den bis zu 2500 Liter großen Stauraum tatsächlich mal vollpackt und sie ist mit bis zu 150 Kilogramm belastbar, so dass sie auch als Sitzgelegenheit dienen kann, wenn der Sonnenuntergang an den Klippen zu längerem Verweilen in der Natur einlädt. Leider ist sie nur bei höherrangigen Ausstattungslinien kostenfrei. Wer die elektrisch versenkbaren Sitze sechs und sieben nutzen will, muss vorher nicht nur Mehrkosten in vierstelliger Höhe einkalkulieren, sondern auch die Beweglichkeit der Passagiere einschätzen können. Zwar stehen die Sitze von den Dimensionen und der Polsterqualität den vorderen kaum nach, doch es verlangt einige Gelenkigkeit, die zu erklimmen.

Zwar jeder weiß, dass so ein „Disco“ nicht als Sprinter oder Kurvenräuber konzipiert ist, doch gegenüber dem Sechszylinder-Vorgänger kann sich der Neue selbstbewusst profilieren. Nur 8,3 Sekunden gibt der Hersteller für die Fahrt aus dem Stand auf 100 km/h an, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 207 km/h. Wer den Kontakt mit Schotter, Sand, Matsch oder Wasser sucht, dem bietet das Terrain-Response-System zuverlässig die richtige Antwort. Zentral- und Hinterachsdifferenzial, jeweils mit einer Lamellensperre versehen, sowie das Reduktionsgetriebe sind gröbsten Geländeanforderungen gewachsen. Gemeinsam mit Bergan- und -abfahrhilfe arbeitet die Elektronik so narrensicher, dass auch Offroad-Anfänger in der Lage sind, dorthin zu fahren, wo man selbst das Spazieren gehen lieber einstellt. Dank der übersichtlichen Karosserie und der präzisen, wenn auch nicht immer leichtgängigen Lenkung, ist der gewaltige Siebensitzer auch auf engstem Raum sicher zu dirigieren.

Die 500 Newtonmeter Drehmoment lernt schnell schätzen, wer durch einen kräftigen Tritt aufs Gas das Acht-Gang-Getriebe zu Höchstleistungen anspornt. Die Übersetzungen sind eng abgestuft und im achten Gang so lang, dass flottes Marschtempo auf der Autobahn im unteren Drehzahlbereich abläuft. Wird spontaner Schub gebraucht, schaltet die Automatik auch mal zwei Stufen zurück und das notfalls in 200 Millisekunden. Die Start-Stopp-Fähigkeit, die im Discovery 4 noch nicht selbstverständlich war, ist jetzt verwirklicht. Dass der Prüfstandwert von 6,9 Litern in der Praxis verfehlt würde, war indes keine Überraschung. Doch die erzielten als 8,5 Liter je 100 Kilometer gehen gemessen an Gewicht und Fahrprofil in Ordnung.

Auch wenn der doppelt aufgeladene Motor seinen leicht rasselnden Grundton nie ganz ablegt, stellt sich doch eine eigentümliche Ruhe und Gelassenheit beim Fahrer ein, sobald er hinter dem Lenkrad Platz genommen und die Tür geschlossen hat. Mindestens 80 Zentimeter über Geländeniveau thront der Gebieter über dieses Dickschiff, da hat er noch nicht einmal die elektrische Höhenverstellung des lederbezogenen Sessels oder das Geländeniveau der Luftfederung eingestellt. Das verleiht Souveränität, in Einzelfällen kann sie auch in Mitleid für andere Verkehrsteilnehmer übergehen, denn das Herabblicken auf Kleinwagen ist unvermeidlich.

Fazit: Zeitgenossen, die Zweieinhalbtonner mit grobstolligen Reifen für einen automobilen Anachronismus halten, verdienen, ernst genommen zu werden. Doch gibt es nach wie vor einen Markt für solche 4x4-Schwergewichte, denn vom Discovery wurden 2016 rund 1600 Exemplare neu in Deutschland zugelassen. Die Kunden schätzen die erhabene Sitzposition und das damit verbundene souveräne Fahrgefühl, sie wollen hohe Zuladung und Anhängelast, sie wollen Komfort und die Fähigkeit nicht jedes Schlammloch und jeden steinigen Hang meiden zu müssen. All dies erfüllt auch ein Discovery mit Vierzylinder. Und wenn eine Pferdestärke aktuell rund zehn Kilogramm Masse zu bewegen hat, kann man wohl kaum von Untermotorisierung sprechen. (ampnet/afb)

Daten Land Rover Discovery Sd4

Maße (Länge x Breite x Höhe in m): 4,97 x 2,10 x 1,85
Radstand (m): 2,92
Motor: R4-Turbodieselmotor, 1999 ccm
Leistung: 177 kW / 240 PS bei 4000 U/min
Maximales Drehmoment: 500 Nm bei 1500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 207 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,3 Sek.
Verbrauch (EU-Norm): 6,9 L/100 km
Testverbrauch: 8,5 Liter
Tankinhalt: 77 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 2184 kg / 756 kg
Gepäckraum: 258–2500 Liter (7-Sitzer)
Basispreis: 54 400 Euro
Testwagenpreis: 82 145 Euro


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Land Rover Discovery Sd4.

Land Rover Discovery Sd4.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Axel F. Busse


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