Historie und Histörchen (53): Autofahren bald mit Luft und Liebe?

Seit Gottlieb Daimler und Karl Benz den schnell laufenden Benzinmotor erfunden hatten, hatte der seine Konkurrenten – den Dampfmotor und den Elektromotor – durch immer höhere Leistungsfähigkeit abgehängt. Doch die wachsende Zahl der neuen motorisierten Arbeitstiere hinterließen schon immer auch Spuren. Allein im vergangenen Jahr wurden weltweit 135 Millionen Automobile zusätzlich auf die Straßen der Welt und ihr Abgas in die Atmosphäre geschickt. So bleibt Traum aller Erfinder der Motor, der gesunde Luft ansaugt und frische Luft wieder auslässt.

Die Idee ist fast so alt wie das Auto. Schon 1894 beschäftigte sich der französische Fahrrad-Produzent M. Renard mit Experimenten um Automobil und Pressluft. Unter der Nummer 52 meldete er sogar ein solches Druckluft-Fahrzeug zum Rennen Paris-Rouen an, erschien dann aber nicht zum Start. Das Problem war wohl: Die Druckluft musste erst erzeugt werden und diese erforderte wiederum Energie. Also war die Herstellung unwirtschaftlich.1910 lieferte die französische Firma Adams ein Fahrzeug mit einem Pressluft-Anlasser. Im Jahr 1910 produzierte das französische Unternehmen Adams & Hewitt ein 16-PS-Modell mit Vorderradbremsen, das es auch mit Druckluft-, Start-, Reifen-, Aufblas- und Wagenheber gab. Doch dann ging es nicht weiter. Die billige Herstellung von Druckluft war das größte Problem.

Dennoch gab es zahlreiche Versuche, mit Luft voranzukommen. Eines der anspruchsvollsten Projekte war das Taxi Tata "OneCab". Auch dem ging im Laufe der Entwicklung die Luft aus, wie so vielen Projekten, die ganze Fahrzeuge und deren Bewegung im Sinn hatten.

Seit 2013 forscht der französische Konzern Peugeot zusammen mit dem deutschen Auto-Zulieferer Bosch in größerem Maßstab an dem Druckluft-Motor. Der deutsche Bosch-Ingenieur Christian Mecker erklärt die Funktion: „Überschüssige Bremsenergie, üblicherweise in Strom umgewandelt und in einem Akku gespeichert, wird in diesem Fall dazu benutzt, mittels einer Hydraulikpumpe Druckluft zu erzeugen. Der Druck wird in einem Stickstofftank gespeichert und bei Bedarf wieder zum Antrieb eines Motors genutzt.“ Klingt kompliziert, doch es funktioniert. Und nach vier Jahren Forschung und Entwicklung im Verbund mit dem Peugeot-Konzern kann Mecker auch den Beweis antreten: in Form einer Testfahrt im Peugeot 2008 mit Hybrid-Air.

Mit einem Auto mit üblicher elektrischem Hybrid-Technik hat ein solches Modell wenig zu tun; das Fahrgefühl ist nicht vergleichbar. Der Fahrer spürt zwar einen milden Kick, wenn die bis zu 40 PS starke Hydraulikeinheit dem 82 PS starken Dreizylinder-Benziner beim Beschleunigen hilft, aber das lautlose, elektrische Gleiten gibt es bei der Drucklufttechnik nicht. Wenn der Verbrenner Pause macht, zwitschert der Hydraulikmotor wie ein Vogel, und die Kraft des Überdrucks reicht vorerst auch nur für ein einige hundert Meter. Andererseits braucht das Auto auch nicht mehrere Minuten, um den Speicher wieder aufzuladen. Es reicht, den Gasfuß beim Heranrollen an eine Ampel zu lupfen. Danach ist der Druckspeicher schon wieder gefüllt und bereit für den nächsten Einsatz. Zehn Sekunden reichen aus.

Das Planetengetriebe, das die Kraft beider Motoren verwaltet, arbeitet geschmeidig, und das Zusammenspiel von Benziner und Drucklufteinheit funktioniert reibungslos. Richtig überrascht wird man von der Technik erst, wenn man auf den Bordcomputer blickt. Denn obwohl die Hydraulik immer nur ein paar Sekunden lang läuft, hatte der Dreizylinder-Benziner auf einer 25-minütigen Testfahrt ganze 17 Minuten Pause. „Wir haben im Stadtverkehr bis zu 80 Prozent Null-Emissions-Betrieb erreicht und den CO2-Ausstoß so um insgesamt fast 50 Prozent gedrückt", sagt Mecker stolz. Im Normzyklus nach NEFZ sei ein Auto wie der Peugeot 2008 damit unter drei Liter auf 100 Kilometer zu fahren.

Es gibt schon seit mehr als einem Jahrzehnt elektrische Hybridantriebe, Vorreiter des modernen elektrischen Hybrids war die japanische Firma Toyota. Die Antwort liefert Bosch-Mann Mecker: „Weil der Akku als Energiespeicher viel zu viele Nachteile hat." Zum einen seien da die Kosten. „Bei ähnlichen Stückzahlen lässt sich ein Druckluftsystem viel billiger herstellen als ein konventioneller Hybrid-Antrieb und rechnet sich daher beispielsweise auch für Kleinwagen," sagt Mecker. Bei früheren PSA-Veranstaltungen zum Thema war die Rede von bis zu 50 Prozent Ersparnis.

Die Vorteile der Drucklufttechnik:
Druckluft macht unabhängig von knappen und teuren Seltenen Erden-Metallen, wie sie für Lithiumionen-Akkus werden.
Eine Druckgasflasche lässt sich umweltfreundlicher herstellen und am Ende der Laufzeit bedenkenlos entsorgen.
Für Wartung und Reparatur braucht es kein Spezialpersonal für den Umgang mit Hochvolttechnik.
Bei einem Unfall besteht das größte Risiko in einem Fleck Hydrauliköl.

Die Nachteile der Drucklufttechnik: Die Reichweite lässt sich nicht beliebig erweitern wie etwa bei einem Plug-in-Hybrid. „Mehr als ein paar Hundert Meter sind derzeit nicht drin," räumt Mecker ein. Autos mit Elektro-Hybrid-Antrieb schaffen, sofern es sich um Plug-in-Hybrid-Technik handelt, bis zu 50 Kilometer Fahrtstrecke, ohne dass der Verbrenner läuft. Beim Hybrid-Air-Modell springt nach wenigen Sekunden der Motor wieder an. „Falls Städte wie Paris irgendwann Zero-Null-Emissions-Zonen ausweisen, haben wir dort mit dieser Technik keine Chance", sagt Mecker.

Trotzdem glaubt er an die Zukunft der Druckluft-Hybrid-Technik. Für den Kunden bezahlbar und für den Hersteller einfach zu handhaben, soll sie vor allem Kleinwagen zukunftsfest machen. „Denn es werden sich nicht über Nacht alle Großstädter ein Plug-in-Hybrid-Modell kaufen können." Was PSA noch fehlt, sind Verbündete. Denn Peugeot und Citroën wollen die Revolution nicht allein anzetteln und suchen für möglichst hohe Stückzahlen noch Konkurrenten, die bei diesem Projekt mit 500 Millionen Investition mitziehen. Mal sehen, wie die neuen PSA-Kollegen in Rüsselsheim darauf reagieren. Zwei Kleinwagenmodelle hat Opel auch. Aber wer weiß, wie lange noch? Wie immer: Bis auf weiteres braucht Christian Mecker einen sehr langen Atem. Besser, er befasst sich mit einer anderen guten Idee

Die südfranzösische Firma Motor Development International (MDI) stellte zum Genfer Autosalon 2009 das jüngste Fahrzeug vor, das mit Druckluft angetrieben wurde: den „AirPod“, ein Auto mit zwei Sitzen, das aus einer linken und rechten Plastikschale bestand und runde Fenster aufwies. Das Auto bestieg man durch Klappen an der Front oder am Heck. Der Tank voll Druckluft sollte zur Fortbewegung für 200 km ausreichen. Die Höchstgeschwindigkeit sollte bei 70 km/h liegen. Der Airpod blieb ein Einzelstück

Beim Druckluftauto wird stark komprimierte aus einem Druckbehälter dem Gasexpansionsmotor von außen zugeführt. Es handelte sich daher um ein emissionsfreies Fahrzeug mit alternativer Antriebstechnik. Bereits 1838 war von Adraud und Tessié du Motay in Paris ein Druckluftauto konstruiert und 1840 vorgestellt worden. Im Schienenverkehr wurde diese Antriebsform erstmals 1879 bei der Straßenbahn in Nantes (Frankreich) eingesetzt. Die Systeme wurden von dem französischen Ingenieur polnischer Abstammung, Louis Mékarski, entwickelt.

In der Neuzeit beschäftigte sich der Formel-1-Motorenkonstrukteur Guy Nègre mit dem Luftdruckmotor. Pressemitteilungen kündigten seit 1995 immer wieder den geplanten Produktions- und Verkaufsstart an. Die letzte Ankündigung verhieß einen Verkauf der Fahrzeuge im Jahre 2009. In Zusammenarbeit mit dem indischen Fahrzeughersteller Tata-Motors sollte das Fahrzeug in Indien vermarktet werden, Tata hatte das Projekt aber wegen technischer Schwierigkeiten auf Eis gelegt. In Europa wurde ein neuartiges Konzept zur Produktion angekündigt, indem die Fahrzeuge direkt beim Händler produziert werden sollten.

Als Vorteile wurden vom Entwickler niedrige Wartungskosten und eine lange Lebensdauer angegeben. Die Funktionsweise des von Nègre entwickelten Motors unterschied sich nicht grundsätzlich vom bekannten Prinzip eines Gasexpansionsmotors: Druckluft expandierte in zwei Zylindern, deren Kolben den Wagen antrieben. Die Motoren der nur 500 bis 700 Kilogramm schweren Fahrzeuge sollten eine Leistung von 30 PS (22 kW) haben. Als Schmierstoff wurde Speiseöl verwendet.

Für eine Tankfüllung wurden 90 000 Liter Luft (etwa 110 Kilogramm) auf einen Druck von 300 bar verdichtet und in vier mit Kevlar ummantelten Druckluftflaschen mit einem Gesamtvolumen von 300 Litern gespeichert. Laut Herstellerangaben dauerte der Ladevorgang an einer 230-Volt-Steckdose etwa vier bis sechs Stunden, an einer entsprechenden Kompressorstation zwei Minuten. Die Kompressoren für den Heimgebrauch müssten aber erst entwickelt werden.

Laut Hersteller fielen für den Betrieb lediglich Kosten für elektrische Energie, Verschleißteile, Schmierstoffe und Steuern an, für eine Tankfüllung seien nur 20 kWh nötig (je nach Stromtarif etwa 3 bis 6 Euro). In der Vergangenheit sprach der Hersteller von 240 km Reichweite bei konstant 60 km/h, bei der Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h sollten 100 Kilometer möglich sein. Aktuell wurde vom Hersteller eine Reichweite von etwa 70 Kilometern angegeben. Um höhere Reichweiten zu ermöglichen, sollte es Modelle mit einem Verbrennungsmotor geben, der weitere Druckluft erzeugte.

Auf dem Genfer Autosalon 2009 wurden von MDI zwei neue Modelle, „AirPod“ und „OneFlowAir“, vorgestellt. Bei dem Airpod handelte es sich um einen knapp über zwei Meter langen Viersitzer mit 220 kg Leergewicht. Laut Spezifikation bestand das vordere Fahrwerk aus einer vertikalen Einachssteuerung mit Schubkarren-Rädern in Doppelausführung (auch bekannt als „Möbelrollensteuerung“), mit der Größe 10 × 4.00-5. Der „OneFlowAir“ war ein 3,40 m langes und bis zu fünfsitziges Cabrio, das von der Form her dem Citroen Méhari ähnelte. Der „OneFlowAir" sollte neben dem Druckluftantrieb einen Verbrennungsmotor zur Reichweitenverlängerung erhalten. (ampnet/hptb)


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Bilder zum Artikel

Tata Onecab - Taxi mit Druckluftantrieb.

Tata Onecab - Taxi mit Druckluftantrieb.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Wikipedia/Deepak Gupta