LA 2018: König Kunde darf Gas geben

Los Angeles ist neben San Francisco die große Metropole Kaliforniens – und über viele Jahrzehnte Ausgangspunkt einer Reihe von Regulierungen, die die Autoindustrie transformiert haben. Ohne den Kampf gegen den Smog von Los Angeles hätte die Einführung des Katalysators noch sehr lange auf sich warten lassen. Und hätten kalifornische Politiker nicht einen Narren an der Elektrifizierung gefressen, wären Autos wie Toyota Prius oder Tesla eine Fußnote der Automobilgeschichte geblieben.

Und so wirkt es wie eine Respektlosigkeit vor dem grünen Eifer der Kalifornier, wenn die Autoindustrie auf der aktuellen Automesse in Los Angeles (–9.12.2018) der Elektromobilität gleichsam kühl den Rücken zudreht. Denn bei den Neuvorstellungen handelt es sich fast durchgängig um konventionell angetriebene Fahrzeuge der gehobenen Leistungs- und Größenklasse.

Und da wird heuer im Convention Center von Los Angeles einiges geboten. Beispielsweise die Neuauflage des Porsche 911: Die schwäbische Sportwagen-Ikone geht in die nächste Modellgeneration, mit noch mehr Leistung und einem Interieur, das stilistische Anleihen an frühe Elfer-Generationen nimmt.

Volkswagen zeigt zwar die elektrische Nutzfahrzeug-Studie ID Buzz Cargo, von der im September auf der Nutzfahrzeug-IAA wenig Notiz genommen wurde, gesprochen wird aber vielmehr über den Abschied vom VW Beetle, der in einer „Final Edition“ präsentiert wird. Die Elektro-Offensive von VW, die in Europa im kommenden Jahr mit dem ID Neo beginnt, startet in den USA mit einem Zeitversatz von mindestens einem Jahr. Zuvor kommen ein sportlicher Jetta GLI, ein neuer US-Passat (auf der alten PQ46-Architektur) und eine kurze Version des Geländewagens Atlas auf den Markt.

Daimler widmet sich vollständig dem Powerplay und zeigt das zweite Facelift des Supersportwagens AMG GT, der technisch und stilistisch nachgeschärft wird. Die neue Spitzenversion AMG GT R Pro ist nahe an den Rennsport gerückt. BMW wiederum konzentriert sich auf die US-Premiere bereits bekannter Modelle wie Z4, X7 oder 8er und zeigt die etwas konfus wirkende, mit groben Strichen gezeichnete Studie eines autonomen Elektroautos, die auf den Namen i-Next hört.

Bei BMW wurden übrigens neidvolle Blicke auf die Studie Audi e-Tron GT gerichtet, die sich eng an einem kommenden Serienmodell orientiert. Es wird von zwei zusammen 590 PS starken Elektromotoren angetrieben und gemeinsam mit Porsche zur Serienreife geführt. Und so liefert Audi den einzigen ernsthaften Beitrag zur Elektromobilität, der in Los Angeles zu sehen ist.

Doch es gibt natürlich auch noch den unvermeidlichen Start-up: Eine Marke namens Rivian zeigt einen Pick-up und ein kastenförmiges SUV, die angeblich serienreif sind; sie sollen ab 2020 in einem stillgelegten Werk des verflossenen Joint Ventures Diamond Star Motors gebaut werden. Rivian verspricht Fahrleistungen auf Supersportwagen-Niveau und autonome Fahrfunktionen der Extraklasse. Das alles gibt es zum Sondertarif: Nur rund 60 000 Euro soll der Pick-up kosten, der SUV beginnt wenige 1000 Euro darüber. Nachdem bereits reichlich Subventionen geflossen sind, nimmt man ab sofort auch Kundenanzahlungen gerne entgegen.

Es bleibt abzuwarten, ob Rivian ein besseres Schicksal zuteil wird als der Firma Faraday Future: Der mit viel Vorschusslorbeeren bedachte sino-amerikanische Start-up, zuhause im Großraum Los Angeles, dürfte in unmittelbarer Zukunft die Türen schließen. Bei Tesla gibt es hingegen keine neuen Modelle zu sehen: Auf dem Stand stehen die mittlerweile verstaubt wirkende Limousine Model S, das kuriose Model X mit hochgezogenen Flügeltüren sowie die kompakte Limousine Model 3, die von geradezu katastrophalen Kinderkrankheiten geplagt wird.

Wenn schon futuristisch, dann richtig – wie beim Designbüro Icona, das sich eine bemerkenswerte Nische als Dienstleister für chinesische und internationale Kunden erarbeitet hat und jetzt in Kalifornien Kapazität aufbaut. Firmengründer Teresio Gigi Gaudio, früher CEO von Aprilia und Stile Bertone, ist persönlich vor Ort; die Icona-Studie Nucleus gibt einen Ausblick auf autonome Fahrerlebnisse der gehobenen Art. Übrigens ist auch Byton vor Ort, mit einer seriösen Präsentation zweier kommender E-Mobile.

Die Big Three gehen hingegen auf Nummer sicher: Fiat Chrysler zeigt den Gladiator, eine ausladend dimensionierte, viertürige Pick-up-Version des Geländewagens Wrangler, während bei Lincoln ein schöner und opulent ausgestatteter SUV namens Aviator den Stand ziert.

GM verzichtet auf bedeutende Premieren; Gesprächsthema ist dort vor allem, wohin sich die noch vor wenigen Monaten so hoffnungsvolle Marke Cadillac entwickelt. Nachdem GM-Chefin Mary Barra den Seiteneinsteiger Johan de Nysschen als CEO entfernt hat, wurde die sportliche V-Serie entkernt, das Diesel-Programm zusammengestrichen und der zukunftsweisende Service „Book by Cadillac“ gestoppt. Jetzt zieht Cadillac von der Ostküsten-Metropole New York in einen verstaubten Vorort von Detroit. Die Konkurrenz darf sich entspannt zurücklehnen.

Spannende Neuigkeiten gibt es hingegen von den asiatischen Herstellern: Mazda zeigt seinen bulligen neuen 3er, es gibt einen scharf gezeichneten neuen Kia Soul (in Europa leider nur für die Elektro-Nische), und Hyundai zeigt ein großes SUV namens Palisade, das von einem standesgemäßen 3,8-Liter-V6 angetrieben wird. Bei der noblen Schwestermarke Genesis wird der überarbeitete G90 vermisst, der zeitgleich in Korea lanciert wird. Dafür lädt Genesis zur besten Party der Messe ein: Im „Edison“ tritt zum Abschluss des ersten Pressetages R&B-Ikone Macy Gray auf.

Wer sich auf den Straßen und Freeways von Los Angeles umsieht, wundert sich übrigens, wie wenige Elektroautos unterwegs sind. Ein anderes Modell sticht deutlich ins Auge: An jeder Ecke sind neue Dodge Challenger zu sehen. Das amerikanische Muscle-Car par excellence, das es nur mit V6- und V8-Motoren gibt, wird den kalifornischen Händlern offenbar aus den Händen gerissen.

Und so gesehen ist die diesjährige Los Angeles Auto Show nicht als Respektlosigkeit, sondern eher als Verneigung vor der Kundschaft – und der Realität – zu werten. (ampnet/jm)


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Bilder zum Artikel

Los Angeles 2018: Porsche 911.

Los Angeles 2018: Porsche 911.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Porsche


Los Angeles 2018: Volkswagen ID Buzz Cargo.

Los Angeles 2018: Volkswagen ID Buzz Cargo.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen


VW Beetle Cabriolet Final Edition.

VW Beetle Cabriolet Final Edition.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen


Los Angeles 2018: Mercedes-AMG GT R Pro.

Los Angeles 2018: Mercedes-AMG GT R Pro.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler


BMW Vision i-Next..

BMW Vision i-Next..

Foto: Auto-Medienportal.Net/BMW


Los Angeles 2018: Audi e-Tron GT Concept.

Los Angeles 2018: Audi e-Tron GT Concept.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Audi


Icona Nucleus.

Icona Nucleus.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Icona


Jeep Gladiator.

Jeep Gladiator.

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Lincoln Aviator.

Lincoln Aviator.

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Mazda3.

Mazda3.

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Hyundai Palisade.

Hyundai Palisade.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Hyundai


Dodge Challenger.

Dodge Challenger.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Dodge