Kommentar: Tatort Medien

Alle, die sich bei den Reizthemen Feinstaub und Stickoxid nicht vom Mainstream haben hinreißen lassen, könnten jetzt eigentlich froh sein. Endlich wird über Sinn und Unsinn der Grenzwerte diskutiert. Ihnen war der Unsinn immer klar. Doch nun wird auch der Sinn hörbar, wenn Barbara Metz, die stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH) jetzt bei der ARD-Sendung „hart aber fair" die Katze aus dem Sack ließ und wie selbstverständlich offenbarte: „Es geht uns vor allem um die Minderung der individuellen Mobilität."

Auch das war denen, die zwischen den Zeilen lesen können und ein offenes Auge für die Gesten der Beteiligten haben, immer klar: Es ging um mehr als die Gesundheit der Menschen. Immer klang oder schimmerte auch die Absicht durch, nicht nur die Vorschriften, sondern gleich auch die Gesellschaft zu verändern.

Das war von Anfang an das Ziel einer Gruppe von Autofeinden, als deren Sprecher sich der DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch rasch durchgesetzt hatte. Das erste Kapitel des unsäglichen Dramas um Feinstaub, Kohlendioxid, Stickoxide, Grenzwerte und Enteignung begann vor einem Jahrzehnt in Berlin: Nur Interessierte kannten die Deutsche Umwelthilfe, aber der Name klingt für viele auch heute noch mindestens so offiziell wie der des Umweltbundesamts (UBA). Die DUH hatte zur Pressekonferenz in die „Bundespressekonferenz“ eingeladen. So gewichtig die Adresse auch klingt - die vermieten dort Konferenzräume. Geschickter lassen sich Bühne und Absender in Berlin kaum arrangieren.

Geladen waren die Berliner Korrespondenten der Hauptstadt-Medien. Die sahen sich einer Phalanx aus Jürgen Resch, dem UBA-Beamten Axel Friedrich und dem VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen gegenüber. Sie hörten als erste die Botschaft vom tödlichen Feinstaub und vom Auto als Killer. Da es zum Selbstverständnis des Journalisten gehört, den Mächtigen zu misstrauen, meldete niemand Zweifel an. Alles war so schön plausibel. So konnte der Siegeszug der DUH schon am nächsten Morgen auf den ersten Seiten der Medien beginnen.

Von da an wälzte der Trend durch alle Medien. Besonders die Öffentlich-Rechtlichen taten sich hervor und warnten vor dem Massenmord mit dem Auspuff – scheinbar ganz neutral, weil alle dasselbe Totenlied sangen. So kamen wir zur Umweltzone und damit zur ersten Welle der Enteignung von Fahrzeugbesitzern. Dann ließ sich die Politik Grenzwerte aufschwatzen, die weit über das Ziel der Abwehr echter Gefahren hinausschossen. Unkommentiert blieb die gewissen Schadenfreude bei den europäischen Institutionen über die Steine, die man der deutschen Automobilindustrie in den Weg gelegt hatte.

Als dann der Diesel-Betrug bei Volkswagen aufflog, war die Zeit gekommen, auch das noch in den großen Topf hineinzumischen. Von nun an war die Automobilindustrie auch noch verbrecherisch. Wer wollte sich da noch gegen harte Sanktionen stellen, selbst wenn die den einzelnen Bürger trafen? Verständnis und Beifall waren angezeigt. Was hätte auch anderes geschehen können? Hatte sich doch keines der Lead-Medien je ernsthaft mit den Hintergründen befasst. Es reichte, ein paar Zitate der DUH oder bei anderen Gleichgesinnten einzuholen, um dem Mainstream noch mehr Sog mitzugeben.

Ganz im Anfang gab es den Versuch, die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu schieben. Eines der ehrenwerten Lead-Medien kündigte eine Artikelserie an, die den Grenzwerten auf den Grund gehen sollte. Der Autor hatte gewichtige Argumente, die Grenzwerte vom Tisch zu wischen. Doch es erschein nur eine einzige Folge. Es darf vermutet werden, dass dem mutigen Redakteur damals von seinen Kollegen mit Liebesentzug gedroht wurde.

Hinterfragt wurde in jenen Tagen gar nichts. Für die Berichterstattung reichte es, Statements zu veröffentlichen. Und nun stehen wir da, mit gesetzlich so zementierten Grenzwerten, dass die Gerichte gar nicht anders können, als Fahrverbote auszusprechen, wenn die Kommunen verklagt werden. Da hilft es auch wenig, wenn jetzt doch Zweifel aufkommen. Und es gereicht den Medien nicht zur Ehre, dass die Zweifel in ihren Redaktionsstuben, sondern in den Praxen von Lungenärzten gewachsen sind. Der vielbesungene „Qualitätsjournalismus“ hat in der Vergangenheit jedenfalls nicht geholfen, die richtigen Weichen für den Klimaschutz und den Schutz der Menschen zu stellen.

Das Problem liegt im System, das selbst die Redakteure mit einer vorbildlichen Auffassung von ihrem Beruf, jeden Tag wieder mit dem Zwang zu Schnelligkeit und dem Wettlauf mit dem Wettbewerb herausfordert. Gute Arbeit braucht Zeit und die ist in den Redaktionen nicht mehr vorhanden. Die amerikanischen Lead-Medien habe große Extra-Abteilungen aufgebaut, um dem Präsidenten seine Lügen nachweisen zu können. Unsere Redaktionen stehen aber unter dem Druck, Kürzungen ihrer Personaldecke und ihrer Budgets zu verdauen.

Journalisten verstanden sich einst als Dienstleister ihrer Rezipienten, für die sie die relevanten Nachrichten aussuchten und einordneten, die sie mit wohl recherchiertem Hintergrundwissen versorgten und mit Kommentaren darin unterstützten, sich die eigene Meinung zu bilden. Ach, was für ein edles Berufsbild! Aus heutiger Sicht ein Traum.

Vielleicht sollten Verleger sich das Beispiel der „New York Times“ anschauen. Deren Auflage und Umsätze wachsen, seit die Leser davon ausgehen können, dass Blatt und Onlineausgabe in ihrem Interessen agieren. Warum auch sollten Leser, Zuschauer und Abnehmer Geld bezahlen, wenn sie von dem Medium alleingelassen werden.

Es mag vermessen klingen, die Besonderheiten des US-Präsidenten und die Interessen eines Diesel-Fahrers in Deutschland gleichzusetzen. Aber im Prinzip stellt sich in beiden Fällen dieselbe Frage: Reicht das Referieren von Statements und der Rückzug auf Neutralität oder ist das nur ein Ausweichen vor der Verantwortung?

Gegen den Mainstream hilft nur Recherche, hilfreich dabei auch das Vertrauen in das Sachwissen der Kollegen. Berliner Korrespondenten können alles berichten, aber nicht alles wissen und leben daher in solchen „unpolitischen“ Themen mit dem Risiko, auf gute Inszenierungen hereinzufallen (siehe oben).

Darf ein Motorjournalist es wagen, solche Thesen aufzustellen, obwohl bei seiner Nähe zur Industrie eher Zurückhaltung naheliegt? Ich denke, nicht nur die Dieselfahrer unter den Berufskollegen haben jeden Grund, die Rolle der Damen und Herren in den jeweiligen „Eliteredaktionen“ bei Themen zur Mobilität infrage zu stellen. Der Führerschein ist kein Nachweis der Kompetenz. Die hat aber der Kollege aus der Fachredaktion. Frage kostet nichts außer ein bisschen Überwindung. Fragen ist doch die Seele unseres Geschäfts, oder? (ampnet/Sm)


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Peter Schwerdtmann.

Peter Schwerdtmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net