Kommentar: Wie zu Zeiten Ludwig XIV.

Es war gewiss nicht der hellste Moment von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, als er am 31. Januar einen Brandbrief an Violeta Bulc abschickte, die für Mobilität und Verkehr zuständige EU-Kommissarin. Vor dem Hintergrund der Veröffentlichungen von Professor Dieter Köhler, dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, sowie über 100 Lungenfachärzten, die an der von Feinstaub und Stickoxid ausgehenden Gefahr erhebliche Zweifel angemeldet hatten, forderte der Minister die Kommissarin auf, die entsprechenden Grenzwerte zu überprüfen.

Allerdings fallen solche Entscheidungen gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Slowenin, sondern sind Sache ihres Kollegen Karmenu Vella, der als Vertreter des Inselstaats Malta in der EU-Kommission für den Umweltschutz zuständig ist. Und der fühlte sich offenbar mächtig auf den Schlips getreten.

Kaum hatte Scheuers Brief in Brüssel die Runde gemacht, ließ der Malteser via Twitter eine donnernde Botschaft Richtung Berlin los. Seiner Meinung nach gehe es überhaupt nicht darum, ob die Grenzwerte zu streng, sondern darum, ob sie streng genug seien. Die Grenzwerte würden, wenn überhaupt geändert, „NUR STRENGER“ werden. Letzteres ließ Vella als Großbuchstaben in die Computertasten hauen, womit laut Netiquette besonders lautstarkem Gebrüll Ausdruck verliehen wird.
Herr Vella, ich hätte da ein paar Fragen.

Erstens: Immer wieder heißt es in Brüssel, die Werte seien keinesfalls willkürlich gewählt. Auch Sie stimmen regelmäßig mit in den Chor ein: „Die EU-Grenzwerte basieren auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen der WHO.“ Aber welchen? Eine hieb- und stichfest überprüfbare Quelle hat bisher noch niemand genannt. Die WHO selbst warnte schon vor 20 Jahren, es gebe keine Studien, die verlässlich genug seien, um „inakzeptable Gesundheitsrisiken bei Kindern oder Erwachsenen“ durch eine Exposition mit Stickstoffdioxid nahezulegen. Seither hat es keine neuen wesentlichen Beiträge zum Thema gegeben.

Zweitens: Sie erklären, dass die EU-Kommission im Rahmen eines „Fitness-Checks“, der noch bis Ende 2019 laufe, die Grenzwerte erneut überprüfe. Wie können Sie dann schon jetzt niedrigere Grenzwerte ankündigen, wenn der Test noch ein ganzes Jahr läuft? Stehen die gewünschten Ergebnisse etwa schon vorab fest?

Drittens: Natürlich steht es Ihnen frei, sich des Netzwerks Twitter zu bedienen. Aber muss es gleich so lautstark sein? Dem Ansehen der EU dient so etwas keineswegs. In dieser Beziehung mäßigt sich ja sogar Donald Trump – meistens. Und die Zeiten des Absolutismus haben bekanntlich mit Ludwig XIV. ihr Ende gefunden.

Aber zum Glück liegt das Thema nicht allein in Ihren Händen. Da haben Ihre Kollegen im EU-Kommissariat, das Europäische Parlament sowie der Ministerrat noch ein gewichtiges Wort mitzureden. (ampnet/hrr)


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Hans-Robert Richarz.

Hans-Robert Richarz.

Foto: Auto-Medienportal.Net


EU-Umweltkommissar Karmenu Vella wetterte per Twitter gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

EU-Umweltkommissar Karmenu Vella wetterte per Twitter gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Twitter