Vertriebschef Jürgen Stackmann: Online heißt nicht unbedingt Direktvertrieb

Volkswagen hat mit seinen Handelspartnern neue Verträge ausgehandelt. Fast alle haben unterschrieben. Aber es war ein langwieriger Abstimmungsprozess, denn künftig will VW die Kunden am Händler vorbei ansprechen und vermutlich auch bedienen. Die ersten VW, die vor allem mit diesem Vertriebsmodell an Frau und Mann gebracht werden sollen, stammen aus der elektrisch angetriebenen ID-Familie. Der Vorverkauf soll bereits im Frühjahr beginnen. Wir sprachen mit Jürgen Stackmann, dem Vertriebsvorstand der Marke Volkswagen über die neuen Absatzwege.

Volkswagen hat mit den neuen Verträgen die Möglichkeit, direkt mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Wie soll diese Kommunikation aufgebaut werden?

„Unsere Kunden erwarten heute, dass sie von einer Marke an allen Kontaktpunkten durchgängig und einheitlich angesprochen werden. Egal, ob sie sich im Autohaus informieren, auf der Website des Herstellers unterwegs sind oder eine Volkswagen-App nutzen. Informationen über sich, die sie uns anvertrauen, müssen an allen Kontaktpunkten vorhanden sein. Das kennen sie aus anderen Branchen und so werden wir uns gemeinsam mit dem Handel ebenfalls aufstellen. Wir werden gegenüber dem Kunden als eine Einheit auftreten, das Motto lautet: We act as one.“

Welche Vorteile bringt das den Kunden?

„Die Kunden werden noch mehr als heute im Mittelpunkt stehen. Sie werden eine Kunden-ID erhalten, mit der sie sich überall im Volkswagen Ökosystem identifizieren. Gemeinsam mit ihrer Fahrzeug-ID und der Händler-ID des betreuenden Partners wird so ein Dreieck entstehen, in dem mit Zustimmung des Kunden Informationen fließen werden und wir ihn und seine Bedürfnisse immer besser kennenlernen werden. So werden wir ihn viel individueller ansprechen können als heute.“

Bedeutet das auch, dass Kunden noch mehr im Grunde unerwünschte E-Mails erhalten?

„Das Gegenteil ist der Fall. Dadurch, dass wir die Kunden viel besser kennen werden als heute, werden die ausgespielten Inhalte viel relevanter und interessanter für sie. Der Kunde wird zudem selbst entscheiden können, auf welchen Kanälen und in welcher Frequenz er kontaktiert werden möchte.“

Kann der virtuelle Autokauf über eine Automotive Cloud wirklich den Kontakt Kunde/Händler ersetzen? Schließlich spielen hierbei oft regionale Verbindungen und Besonderheiten eine Rolle.

„Die persönliche Beziehung zwischen Kunde und Händler ist von unschätzbarem Wert und wird auch der wesentliche Eckpfeiler des Automobilgeschäfts bleiben. Wir gehen davon aus, dass der Großteil unserer Kunden ihr Fahrzeug auch zukünftig im Handel kaufen wird. Trotzdem steigt die Zahl derer, die sich einen Online-Kauf wünschen. Auch hier sind andere Branchen schon weiter, daher werden wir das ebenfalls anbieten. Übrigens heißt Online-Kauf nicht unbedingt Direktvertrieb durch den Hersteller. Wir bieten unseren Händlern bereits digitale Plattformen an, damit sie ihre Neu- und Gebrauchtwagen dort online verkaufen können und sich nicht selbst um die Technik dahinter kümmern müssen.“

Fehlen nicht die wichtigen Faktoren wie Haptik, olfaktorische Beurteilungen? Und virtuelle Realität kann immer nur quasi-dreidimensional sein.

„Die meisten Kunden wollen ein Auto vor dem Kauf live erleben und Probe fahren. Daher wird der Handel auch zukünftig eine wesentliche Rolle behalten. Die technischen Möglichkeiten, um das Fahrzeug virtuell zu präsentieren, werden aktuell jedoch sehr schnell besser. Daher werden wir diese konsequent weiter ausbauen, sowohl im Handel als auch online.“

Die Händler haben die neuen Richtlinien nur zögerlich akzeptiert. Wird sich ihre Zahl deswegen verringern?

„Wenn es um wichtige Themen wie ein neues gemeinsames Geschäftsmodell geht, liegt es in der Natur der Sache, dass man nicht von Anfang an einer Meinung ist. Die Verhandlungen waren intensiv, aber wir hatten das gemeinsame Ziel, die Marke Volkswagen auf Hersteller- und Handelsseite bestmöglich für die Zukunft aufzustellen. Dieses Ziel haben wir immer vor Augen gehabt und am Ende gemeinsam erreicht.
Das Händler- und Servicenetz der Marke Volkswagen im Heimatmarkt Deutschland ist historisch bedingt dichter als in anderen Märkten, so dass sich das Geschäft auf viele Betriebe verteilt. Die seit vielen Jahren andauernde Konsolidierung des Netzes wird konsequent fortgesetzt. Ziel ist es, das Händler- und Servicenetz zu verschlanken, um es stabil und zukunftsfähig aufzustellen. Volkswagen wird seinen Kunden auch in Zukunft ein dichtes und kundennahes Händler- und Servicepartnernetz in Deutschland bieten.“

Sind manche Händler am Ende froh, sich mehr auf das lukrativere Service-Geschäft konzentrieren zu können?

„Das Autohaus ist und bleibt unsere zentrale Schnittstelle zum Kunden. Dort findet der persönliche Kontakt mit unseren Kunden statt, das ist das Wichtigste in diesem Business. Wir sind fest davon überzeugt, dass das neue gemeinsame Geschäftsmodell unseren Partnern im Handel auch in Zukunft eine auskömmliche Rendite bringen wird.“

Der elektrisch angetriebene ID Neo, der 2020 auf den Markt kommen soll, kann als erster Volkswagen direkt beim Hersteller vorbestellt und reserviert werden. Wann startet die Pre-Order-Phase?

„Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck an unserer vollelektrischen ID-Familie und haben sie gerade unseren Händlern vorab vorgestellt. Die sind begeistert und freuen sich auf das neue Zeitalter der Mobilität. Es dauert nicht mehr lange: Das Pre-Booking für das erste ID-Modell beginnt bereits im Frühling 2019. Unsere Händler werden aber auch hier eingebunden sein.“

Ist der virtuelle Autokauf eine Spezialität für Elektrofahrzeuge? Oder werden Sie auch konservativ eingestellte Kunden überzeugen können?

„Käufer von Elektrofahrzeugen sind tendenziell progressivere Kunden, deshalb liegt der Anteil derer, die sich einen Online-Kauf des Fahrzeugs wünschen, hier wahrscheinlich etwas höher. Grundsätzlich werden wir und unsere Handelspartner diese Option aber nicht auf Elektrofahrzeuge beschränken. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass auch Gebrauchtfahrzeuge bereits online vom Handel über unsere Plattform in ihrem Namen vermarktet werden.“

Welche Vorteile hat die Umwelt vom neuen Vertriebssystem? Weniger Fahrten mit dem Auto zum Händler im Vorfeld etwa?

„Ein wesentliches Element des neuen Vertriebssystems ist die konsequente Digitalisierung unserer Vertriebsprozesse. Davon profitiert in vielen Fällen auch die Umwelt. So können wir viele Inhalte zum Beispiel heute viel einfacher digital auf das Tablet der Kunden nach Hause bringen und müssen keine Kataloge mehr drucken und transportieren. Ein anderes Beispiel sind neue Vertriebsformate wie unser City Store. Wir werden damit zukünftig in Innenstadtlagen präsent sein und kommen damit näher zu unseren Kunden, das spart Wege und Zeit. Nicht zuletzt werden wir durch die umfassende Elektrifizierung unseres Modellportfolios und damit verbundene Angebote wie dem CO2-neutralen Volkswagen Naturstrom unserer neuen Tochter Elli, den unsere Kunden über den Handel beziehen können, entscheidende Akzente für die Umwelt setzen.“ (ampnet/mk)


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Bilder zum Artikel

Jürgen Stackmann.

Jürgen Stackmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen


Drive: Driving Vizzions to Reality: Jürgen Stackmann.

Drive: Driving Vizzions to Reality: Jürgen Stackmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net/VW


Wirklich alles im Lot? Volkswagen hat neue Händlerverträge durchgesetzt.

Wirklich alles im Lot? Volkswagen hat neue Händlerverträge durchgesetzt.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen


Volkswagen hat neue Händlerverträge durchgesetzt.

Volkswagen hat neue Händlerverträge durchgesetzt.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen