Fahrbericht Seat Tarraco 2.0 TDI: Alles andere als ein Renommist

Was haben der Tarraco, Seats größtes SUV und viele seiner Artgenossen gemeinsam? Sie können weit mehr als der Kunde fordert. So ist der Fahrgastsaal mit seinen maximal sieben Sitzplätzen selten ausverkauft, auch die gemsenhaften Fähigkeiten, die für Traktion und Steigvermögen gut sind, verkümmern meist bei der Fahrt übers platte Land. Und doch freuen sich viele daran, vielleicht mit dem Gedanken „wir könnten, wenn wir wollen“.

Wie anders ist der anhaltende Erfolg dieser Fahrzeugspezies seit nunmehr geraumer Zeit zu erklären. Gewiss, verschafft auch die hohe Sitzposition einen besseren Ausblick und viel Blech hilft viel, die opulenten Garderoben der SUV vermitteln ein Gefühl der Sicherheit. Bei Seat zumindest hat das SUV-Trio Arona, Ateca und Tarraco den Verkaufszahlen ordentlich auf die Sprünge geholfen. Die spanische VW-Tochtermarke steht besser da denn je zuvor.

Gezeichnet ist der Tarraco im neuen Seat-Stil. Die Proportionen sind ausgewogen, die Linien sollen ebenso elegant wie robust wirken. Der scharfe Winkel des Tagfahrlichts gibt ihm das markante Gesicht der Marke, LED-Lampen gehören bei der Spitzenausstattung „Xcellence“ zum Serienstandard, 19-Zoll-Räder neben vielen anderen feinen Zutaten ebenso. Auf Wunsch werden 20-Zöller montiert, damit gelingt dem Tarraco ein durchaus martialischer Auftritt.

Innen überwiegen horizontale Betonungen, aber das SUV ist tatsächlich so geräumig, wie es durch den optischen Kniff erscheint. Auf allen Plätzen herrscht ein großzügiges Raumangebot, Beingymnastik fällt den Hinterbänklern nicht schwer. Was bei einer Länge von 4,74 Metern und 2,77 Metern Radstand nicht verwundert. Angenehm sind die Verstellmöglichkeiten der Rücksitze, sie lassen sich sehr einfach in eine komfortable Position bringen. Wie es in der dritten Reihen aussieht, können wir nur vermuten, denn unser Testkandidat war nicht mit den aufpreispflichtigen Plätzen vor der Heckklappe ausgerüstet. Der Weg nach hinten ist holprig, für Erwachsene empfehlen sie sich wahrscheinlich nicht, zumindest kosten sie 800 Euro mehr.

Vorn fühlen sich Chauffeur und Copilot gut aufgehoben. Auch die Armaturentafel betont die Horizontale, das bringt optische Weite. Das Handschuhfach hat eine akzeptable Größe, Ablagen finden sich darüber hinaus auf der Mittelkonsole und an den Türen. Die Bedienungselemente sind funktionsgerecht verteilt und lassen sich dank eindeutigen Kennzeichnungen klar zuordnen. Allein die Assistenten geben nicht auf Anhieb Ruhe. Wer auf einer schmalen und kurvigen Landstraße unterwegs ist, sucht nach einem Knopf, um den Spurhalteassistenten abzuschalten. Denn der greift ebenso früh wie beherzt ein, wenn sich der Tarraco einer Fahrbahnmarkierung nähert. Um ihn stillzulegen, muss das entsprechende Menü mit den Drehstellern am Multifunktionslenkrad und die korrekte Position ausgewählt werden. Mit einem Druck aufs Rädchen legt sich das Helferlein schlafen. Ist aber nach einer Fahrunterbrechung, wenn Motor und Zündung ausgeschaltet wurden, beim Neustart gleich wieder mit Eifer bei der Sache.

Der wohlgeformte Fahrersitz fährt elektrisch in die gewünschte Position und ermöglicht zusammen mit dem in zwei Wegen verstellbaren Lenkrad schnell eine angenehme Haltung am Volant zu finden. Prächtige Aussichten nach oben gewährt das Panoramadach für 1145 Euro auch den hinteren Passagieren, brennt die Sonne zu arg vom Himmel, lässt es sich mit einer elektrischen Jalousie verschatten. 230 Euro verlangt Seat schließlich für die Connectivity Box in der Mittelkonsole, wo das Smartphone per USB-Anschluss gekoppelt werden kann, laden lässt es sich hier kabellos. Apple Carplay und Android Auto spendiert der Hersteller dem Spitzenmodell serienmäßig. Per Fernbedienung wird die Standheizung für 1050 Euro gesteuert, eine mindestens ebenso komfortable Ausstattung ist die elektrisch ausschwenkende Anhängerkupplung, die 850 Euro kostet. 2300 Kilogramm darf der Tarraco höchstens ins Schlepp nehmen.

Gewonnen hat das Kofferraumvolumen. 445 bis 1929 Liter Gepäck passen in den Tarraco, das Umklappen der Rückbanklehnen ist eine dankenswert einfache Aufgabe, beim Beladen hilft die elektrisch angetriebene Heckklappe. Die Gestensteuerung per virtuellen Pedal setzt den Mechanismus in Gang, was mittlerweile auch ohne Fehlversuche und alberne Verwindungen hinter dem Stoßfänger gelingt. Auf Wunsch gibt es obendrein ein taugliches Schienensystem zur Sicherung der Ladung. Die Zurrösen auf dem Boden und das Fach darunter, in dem das Abdeckrollo oder das Trennnetz bei Nichtgebraucht unterkommen, gibt es serienmäßig.

Die 190-PS-Version des Zweiliter-TDI ist der stärkste Selbstzünder im Tarraco und stets mit dem Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG und dem permanenten Allradantrieb 4Drive gekoppelt. Gestartet wird die Maschine per Tastendruck, das schlüssellose Zugangssystem macht’s möglich. Im Leerlauf tourt der Selbstzünder unaufgeregt und entspannt mit etwa 800 U/min vor sich hin, die dezente Geräuschentwicklung bewahrt er sich über ein breites Drehzahlband. 400 Newtonmeter (Nm) Drehmomentmaximum bietet der Motor bei 1750 Umdrehungen pro Minute (U/min) auf, die Ausbeute bleibt bis 3250 U/min konstant. Wer nun spontane Munterkeit erwartet, wird enttäuscht. Gut, der starke Diesel packt ganz anständig zu, ein Musterbeispiel für Spritzigkeit ist er nicht.

Der Allradantrieb und auch die Automatik zehren von der Kraft. obendrein muss der Vierzylinder schon unbeladen stolze 1816 Kilogramm in Schwung bringen. Das geht bis etwa 130 km/h noch recht ordentlich, darüber gestaltet sich die Beschleunigung zäh und wird zur Frage der Geduld. Wobei ein SUV ja kein nervöses Vollblut sein sollte, hier liegt die Kraft eher in der Ruhe. Den heißblütigen Spanier gibt der Tarraco ohnehin nicht. Dort wurde er zwar ersonnen und gestaltet, gebaut wird das SUV jedoch in Wolfsburg, bei VW in der Nachbarschaft zum Tiguan Allspace.

Die Fahrleistungen stimmen am Ende doch versöhnlich. In acht Sekunden sprintet das SUV von 0 auf 100 km/h, irgendwann erreicht es auch die Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. Obwohl der Geradeauslauf gut und die Lenkung präzise ist, erfreut der Tarraco bei moderaten Tempi weitaus mehr. Dann gerät auch der Verbrauch nicht außer Kontrolle. Der lag auf unseren Fahrten im Mittel bei 7,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer, was mit der WLTP-Angabe identisch ist. Dann reicht der Treibstoffvorrat von 60 Litern für gut 800 Kilometer Reichweite. Wer es noch gemächlicher angeht, kommt auch mit knapp 6 Litern über die Standarddistanz, ohne gleich zum Verkehrshindernis zu werden. Ausrollen lassen, segeln, das führt unweigerlich zu Konsumverzicht. Klein geraten ist der Adblue-Tank, nur zwölf Liter der Harnstofflösung sind an Bord. Immerhin ist der Nachfüllstutzen gut erreichbar direkt hinter dem Tankdeckel positioniert.

Die Fahrstufenwahl ändert nicht viel an den Tugenden des Tarraco. Wohl aber an der Kraxeltauglichkeit. Bei einer Fahrt ins nichtöffentliche Gelände stellt er hohes Stehvermögen unter Beweis, wenn das Geläuf tief und die Steigungen steil werden. Hier hilft die Kriechfunktion des DSG erheblich, macht den Wunsch nach einer Geländeuntersetzung fast obsolet. Dumm nur, dass die meisten anspruchsvollen Passagen in Wald und Flur nicht offiziell befahren werden dürfen. Und wer hat schon im entscheidenden Augenblick einen Oberförster oder Jagdpächter für den Beifahrersitz parat, der ihm die Legitimation dafür geben würde. So wird das große Seat-SUV seine Fähigkeiten allenfalls bei Schnee und Eis unter Beweis stellen können oder dann, wenn es gilt, einen Wohnwagen von der nassen Campingwiese oder ein Boot über die rutschige Slipanlage zu ziehen.

So ist der Tarraco alles andere als ein Renommist, wie ihn einst Erich Kästner in der „Sache mit den Klößen“ beschrieb: „Der Peter war ein Renommist, ihr wisst vielleicht nicht was das ist. Ein Renommist das ist ein Mann, der viel verspricht und wenig kann“. Seat hält mit dem großen Allradler mehr, als versprochen wird. Und sicher auch mehr, als die meisten Kunden brauchen. (ampnet/mk)

Daten Seat Tarraco 2.0 TDI 4Drive

Länge x Breite x Höhe (m): 4,74 x 1,84 x 1,66
Radstand (m): 2,77
Motor: R4-Diesel, 1968 ccm, Turbolader, Direkteinspritzung
Max. Drehmoment: 400 Nm bei 1750 U/min
Leistung: 140 kW / 190 PS
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 7,2 Liter
Testverbrauch: 7,2 Liter
Effizienzklasse: B
CO2-Emissionen: 191 g/km (Euro 6 AG)
Leergewicht / Zuladung: min. 1816 kg / max. 669 kg
Kofferraumvolumen: 760–1920 Liter
Max. Anhängelast: 2300 kg
Wendekreis: 11,75 m
Bodenfreiheit: 201 mm
Böschungswinkel: n.a.
Rampenwinkel: n.a.
Wattiefe: n.a.
Bereifung: 235/45 R 20
Luftwiderstandsbeiwert: 0,32
Wartungsintervalle: 20 000 km/12 Monate
Garantie: 24 Monate
Basispreis: 43 800 Euro
Testwagenpreis: 54 964 Euro



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Seat Tarraco 2.0 TDI.

Seat Tarraco 2.0 TDI.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger


Seat Tarraco 2.0 TDI.

Seat Tarraco 2.0 TDI.

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Seat Tarraco 2.0 TDI.

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Seat Tarraco 2.0 TDI.

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Seat Tarraco.

Seat Tarraco.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Seat