Praxistest Knaus Van TI Plus 650 MEG: MAN springt in die VW-Lücke

Wenn es mit dem Volkswagen nicht funktioniert, dann geht man eben mit dem kooperationswilligeren Partner eine Liaison ein. Der Crafter, er markiert bei der traditionsreichen Nutzfahrzeugabteilung des VW-Konzerns in Hannover die Spitze des Modellangebots, wird im polnischen Wrzenia gebaut und wäre keine schlechte Basis für Kastenwagenausbauten oder Plattform für teilintegrierte Reisemobile. Aber, wie die Unternehmensführung unlängst selbst eingestehen musste, gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den niedersächsischen Ingenieuren bisweilen schwierig für die Reisemobilhersteller. Immer mehr greifen deshalb auf das Schwestermodell des Crafter, den MAN TGE zu, der beim traditionsreichen Brummi-Produzenten die Rolle des Einsteigermodells im Transportgeschäft übernimmt.

Gebaut wird der TGE auf der gleichen Fertigungslinie wie der Crafter, bekommt nur dort, wo es wichtig ist, den Löwen als Markenzeichen aufgeklebt. Knaus hat den MAN als Untersatz für den teilintegrierten Van TI Plus 650 MEG hergenommen, motorisiert mit einem 140 PS (103 kW) starken Zwei-Liter-Diesel kostet das knapp sieben Meter lange Mobil 66 890 Euro.

Das Design polarisiert. Zwar sind die Formen üblich und nicht allzu üppig, das Heck mit dynamischen Blinkleuchten und einer Art Diffusor im Stoßfänger stößt ebenfalls auf Zustimmung statt auf Kritik. Aber die Proportionen des Knaus werden von der Zweifarb-Lackierung eher unglücklich betont. Das Fahrerhaus verkleinert optisch Metalliclack in dunklem Grau, der Aufbau dominiert in strahlendem Weiß. Hierdurch wirkt der Überhang über die Hinterachse hinaus noch gewaltiger als er ohnehin schon ist. Die Dekorstreifen auf den Seitenwänden können den Wettstreit des Ungleichgewichts der Formen nicht gänzlich harmonisieren.

Homogener wird das Bild im Inneren. Über die elektrische Einstiegstufe und einen weiteren Tritt gewinnen wir die notwendige Höhe und gelangen über die barfußfeindliche Schwelle der Tür in den Innenraum. Hier wirkt alles wie aus einem Guss. Graue, braune und beige Farbtöne schaffen eine ruhige und entspannte Atmosphäre im Wohnraum, Formteile aus dickem Teppichboden schlucken den Trittschall. Alles wirkt aufgeräumt und durchgeplant, auch wenn die Spüle in der Küche ohne Abdeckung auskommen muss, gefunden haben wir zumindest keine. Dafür aber einen 142-Liter-Kühlschrank und einen Gaskocher mit zwei Flammen. Stauraum und Platz findet sich im Überfluss, die Anrichte lässt sich mit einer klappbaren Erweiterung vergrößern. Auch ein Fach zum Stehendtransport von Flaschen bietet der Oberschrank der Pantry, die Schubladen im Küchenbock gleiten sanft, weil rollengelagert heraus und hinein, verriegeln sich flüsternd automatisch.

Drehbar nur gegen Aufpreis

Gegenüber steht die Dinette mit einer sitzgurtbewehrten Zweiersitzbank und einem Tisch, der sich über einen Unterbau vergrößern lässt, er steht allerdings eher knapp vor der Sitzfläche. Schick ist obendrein nicht, dass Fahrer- und Beifahrersitz sich nur gegen Aufpreis drehen und in die Sitzgruppe integrieren lassen, fast 1000 Euro sind dafür zu zahlen. Oben gibt es nur einen Dachstaukasten dafür aber viele offene Ablagen, die ihre Inhalte dank einer üppigen Rüttelkante sicher bewahren. Ein Midi-Heki im Dach bringt Sonnenschein und Luft ins Innere. Das Beleuchtungskonzept ist stimmig und lässt sich mit mehreren Multischaltern, mit denen von verschiedenen Stationen des Wohnraums aus über hell und dunkel entschieden werden kann, ebenso einfach wie funktional bedienen.

Auf dem Weg nach hinten kommen wir am Waschraum vorbei, der mit einer Lamellentür geschlossen werden kann. Die Kassettentoilette ist gut platziert, auch die Höhe ist angemessen. Gleiches gilt für das Waschbecken. Nur wer die Dusche in Betrieb nehmen möchte, muss umbauen. Denn dann wird die komplette Rückwand der Nasszelle nach vorne geschwenkt, sie verdeckt dann den Lokus und stellt eine halbwegs ausreichende Fläche für die Körperpflege bereit. Für den Stauraum und die Ablageflächen hier gilt ebenfalls – alles okay in Bad und WC.

Den krönenden Abschluss bildet das Schlafzimmer mit zwei längs ausgerichteten Einzelbetten. Die haben die wahrhaft stattlichen Maße von 2,01 mal 0,8 Metern, aber den Nachteil, dass ihre Matratzen am Fußende breiter als der Unterbau sind, sie hängen dann vor allem am Einstieg am Fußende über. Um ins Bett zu gelangen, empfiehlt sich die korrekte Nutzung der zweistufigen Treppe, dort angekommen steht einer erholsamen Mütze Schlaf nichts im Weg. Vorher leisten die Leseleuchten gute Dienste bei der Nachtlektüre, für gute Luft und viel Licht sorgt hier eine extra lange Dachhaube, außerdem lassen sich die rollo- und insektenschutzbewehrten Fenster öffnen. Stauraum gibt es zur Genüge, fünf Dachstaukästen und vorn im Sockel der Betten eingebaute, beleuchtete Hängeschränke bieten reichlich Platz. USB- und 230-Volt-Steckdosen wurden im Schlafbereich nicht vergessen, die leichten Stores vor Fenster und Wänden machen die Atmosphäre kuschelig.

Genug Reserven für das Urlaubsgepäck

Unter Opulenz leidet der Knaus Van TI Plus nicht, zumindest nicht beim Gewicht. Reisefertig und mit einem fürs Wochenende angemessenen Frischwasservorrat zeigt die Waage 3060 Kilogramm an, 15 mehr, als die Zulassung statuiert. Bis zum Erreichen des zulässigen Gesamtgewichts bleiben also 460 Kilogramm, die auch für umfangreicheres Urlaubsgepäck genügen sollten. Allerdings lädt die große Heckgarage, die von beiden Fahrzeugseiten aus zugängig ist, auch zur Mitnahme schwererer Ausrüstung ein. E-Bikes kommen hier mühelos unter und können so sicher transportiert werden.

Der MAN TGE fährt sich sehr angenehm und ruhig. Für überdurchschnittlichen Fahrkomfort sorgt die serienmäßige Luftfederung der Hinterachse, selbst miese Landstraßen mit ihren zahllosen Asphaltflicken-Teppichen verlieren da ihre Schrecken. Vor allem aber knarzt und knackt es nicht in Auf- und Einbauten, auch die Kombi-Rollos von den Fenstern halten Ruhe, das ist in dieser Klasse längst keine Selbstverständlichkeit. Mit 2,2 Metern Breite stellt der Teilintegrierte keine besonderen Herausforderungen an seinen Chauffeur, zumal der Aufbau kaum breiter ist als das Fahrerhaus, eine Rückfahrkamera hilft auf Wunsch beim Rangieren. Seitenwind nimmt der Knaus mit Gelassenheit. Der Verbrauch liegt mit durchschnittlich 11,3 Litern Diesel auf 100 Kilometer auf mittlerem Niveau, er ist in dieser Klasse üblich. Die Abgasreinigung übernehmen SCR-Kat und Adblue-Einspritzung.

Eine Besonderheit bietet der MAN (wie auch sein Zwillingsbruder Crafter) beim Antrieb. Der Kunde bekommt für den Grundpreis angetriebene Vorderräder, der Heckantrieb kostet rund 2000 Euro Aufpreis. Für die 4x4-Version verlangt der Hersteller dann 4320 Euro. Eine Automatik mit acht Stufen findet sich ebenfalls im Angebot, sie ist dann mit der stärkeren Motorvariante (177 PS) kombiniert und kostet mit dem Frontantrieb 4070 Euro, mit dem 4x4-System 8390 Euro. Auch damit verschafft sich Knaus in dieser Klasse ein Alleinstellungsmerkmal.

Das Bündel ist wohl geschnürt. Das umfassende Angebot von Assistenzsystemen, vorbildlicher Fahrkomfort und die Möglichkeit der kompletten Vernetzung machen den Van TI Plus MEG attraktiv. Und solide Tischlerarbeiten waren immer schon eine Domäne der Marke. Im Bayerischen Wald, wo das Knaus-Stammwerk zu finden ist, gehört der Umgang mit Holz zum Leistungsfach. Der Van TI Plus kann so zur Riege der Premiumangebote des Marktes aufschließen. (ampnet/mk)

Daten Knaus Van TI Plus 650 MEG

Basisfahrzeug: MAN TGE 140
Länge x Breite x Höhe (m): 6,99 x 2,20 x 2,90
Radstand (m): 3,64
Motor: 4-Zyl.-Diesel, Turbo, 2,0 Liter
Leistung: 103 kW / 140 PS
Testverbrauch: 11,3 l/100 km
Stehhöhe: 1,98 Meter
Radstand: 3,64 Meter
Leergewicht: 3060 kg
Gesamtmasse: 3500 kg
Zuladung: 440 kg
Schlaf-/Sitzplätze: 4/2
Frisch-/Abwasser: 100/ 73 Liter
Basispreis: 66 890 Euro
Testwagenpreis: 70 600 Euro


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Knaus Van TI Plus 650 MEG.

Knaus Van TI Plus 650 MEG.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger


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