E-Fuels (1): Lösen sie die Probleme des Verbrennungsmotors?

Die Zukunft von Otto- und Dieselmotoren steht in den Sternen. Immer lauter werden die Rufe nach deren vollständigem Verbot zumindest für Personenwagen – zumeist aus politisch-ideologischen Gründen. Dabei gibt es bereits heute vielversprechende Entwicklungen, mit denen die Emissionen klimaschädlicher Abgase dieser Maschinen erheblich vermindert, wenn nicht sogar ganz verhindert werden könnten. Dabei helfen könnten unter anderem synthetische Kraftstoffe, in Fachkreisen heute E-Fuels genannt. Deren Herstellung und Vielfalt wird in einer mehrteiligen Serie vorgestellt.

Norwegen, europäisches Musterland für Elektromobilität, will bereits 2025 die Neuzulassung herkömmlich angetriebener Autos ad acta legen. Statt mit staatlich verordneten Verboten soll das mittels massiver steuerlicher Anreize für die E-Mobilität sozusagen lautlos über die Bühne gehen. Elektroautos sind im Land der Fjorde und Nordlichter in Anschaffung und Betrieb oft billiger als Fahrzeuge mit klassischem Motor.

Einige Mitglieder der EU wie etwa Dänemark, Frankreich oder Irland und die Niederlande würden gerne den Antriebsarten auf fossiler Basis ab 2030 per staatlichem Dekret den Garaus machen. Doch würde ein solcher Schritt – zumindest nach derzeitiger Gesetzeslage – gegen die EU-Regeln verstoßen, die dafür einen einstimmigen Beschluss vorschreiben. Die Dänen fordern daher, die Vorschriften so zu ändern, dass einzelne Staaten eigenständig über ein Verkaufsverbot entscheiden könnten. Eine EU-weite einheitliche Regelung solle es nicht mehr geben.

Auch in Deutschland werden die Stimmen lauter, Benzin- und Dieselaggregate bald zu Grabe zu tragen. „Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor muss gesetzlich festgelegt werden", fordert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Ab 2030 sollten „nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden“. Immerhin will er traditionell angetriebene Autos so lange weiterfahren lassen, bis ihr Leben wegen Altersschwäche von selbst endet. Während sich die Autoindustrie bei diesem Thema weitestgehend bedeckt hält, fiel Hofreiters Parteikollegen Winfried Kretschmann,
Ministerpräsident des Auto-Bundeslandes Baden-Württemberg, zu dieser Forderung allerdings wörtlich nur der Begriff „Schwachsinnstermin“ ein.

Auch für den Heilbronner Maschinenbau-Professor Karsten Wittek, ebenfalls in Baden-Württemberg beheimatet, wird der Verbrennungsmotor in der aktuellen Debatte zu Unrecht verteufelt. „Aber wir müssen uns von der Verbrennung fossiler Energieträger verabschieden. Die Frage ist, wie kommen wir am effizientesten da hin. Die flächendeckende Einführung der Elektromobilität wird jedenfalls zu keiner CO2-Einsparung führen. Denn geladen wird das E-Auto mit Energie aus dem üblichen Strommix", erklärte er der Tageszeitung „Heilbronner Stimme".

Davon unbeeindruckt sprach sich kürzlich die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther von Bündnis 90/Die Grünen mitsamt ihrer Partei für eine Verbannung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren in der Hauptstadt aus. „Für wirksamen Klimaschutz führt kein Weg daran vorbei, sich möglichst schnell vom Verbrennungsmotor zu verabschieden“, erklärte sie in einem Interview mit der Zeitung „Tagesspiegel". Gerade deshalb sei es vonnöten, dass sich die Menschen „lieber schon heute nach E-Autos als nach neuen Verbrennern umschauen".

Dem widerspricht nicht nur Professor Wittek, sondern auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Zwar würden einige Fahrzeughersteller zurzeit die weitere Entwicklung von Verbrennungsmotoren stoppen oder sie zeitweise pausieren, doch könne die Elektromobilität alleine nur einen Teil unserer Transportbedürfnisse abdecken. „Daher brauchen nationale und internationale Märkte ein mehrgleisiges Vorgehen, das den Verbrennungsmotor nicht vernachlässigt", heißt es in einer Einladung zum 7. Internationalen Motorenkongress in Baden-Baden am 18. und 19. Februar 2020, der unter dem Thema „Der Verbrennungsmotor: Hidden Champion oder Auslaufmodell?" steht.

Den Verbrenner jetzt aus den Fahrzeugen zu verbannen, wäre laut Experten keine Option. Doch wie verträgt sich das mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß dieser Aggregate zum Wohl von Klimaschutz und Umwelt zu minimieren?
Die Lösung lautet „synthetische Kraftstoffe". Diese werden künstlich hergestellt und sollen Fahrzeuge unabhängiger von fossilen Brennstoffen machen. Die Kombination aus effizienten Pkw- und Nfz-Motoren mit neuen Kraftstoffen könnte zur Schlüsseltechnologie für eine weitgehend CO2-neutrale Mobilität mit geringen Emissionen werden.

Der Herstellungsprozess ist bei allen Varianten ähnlich: Die Moleküle des Ausgangsmaterials werden in ihre Bestandteile zerlegt, wodurch synthetisches Gas entsteht. Danach werden die Spaltprodukte dieses Gases neu sortiert und in einen flüssigen Rohstoff umgewandelt, der vor allem aus Kohlenwasserstoff besteht. Daraus können – wie bei Rohöl – verschiedene Produkte hergestellt werden, zum Beispiel Kerosin oder Diesel. Die notwendigen Moleküle können aus Pflanzen, Erdgas oder auch einfach aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt werden. Für das Endprodukt ist die Herkunft grundsätzlich egal – sie hat keinen Einfluss auf die Eigenschaften des Kraftstoffes.

Synthetische Kraftstoffe verbrennen deutlich sauberer als solche, die auf Rohöl basieren. Deshalb erzeugen sie auch weniger Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide (NOX). Daneben gelten sie als schonend für Filter und Motoren. Sie sind lange lagerfähig, kälteunempfindlich, klar wie Wasser und passen in jeden Tank – ohne Umbau.

Welche Rolle diese Kraftstoffe eines Tages auf der Straße spielen werden, ist vorläufig noch ungewiss. Für Flugzeuge, große Nutzfahrzeuge und Schiffe könnten sie zuallererst eine wichtige Rolle spielen, weil elektrische Antriebe für diese Fahrzeuge – wenn überhaupt – in weiter Ferne möglich sein werden. Neben einer auf Wasserstoff beruhenden Elektromobilität mittels Brennstoffzelle sind sie als Alternativen für hohe Reichweite denkbar.
Skepsis überwiegt auch bei Professor Wittek aus Heilbronn, wenn er sagt: „Selbst Hersteller gehen davon aus, dass E-Fuels frühestens im Jahr 2025 im industriellen Maßstab zur Verfügung stehen. Für die Erfüllung der 2030er-Klimaziele werden E-Fuels daher kaum einen Beitrag leisten.“

Sein Kollege Professor Manfred Aigner, für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik in Stuttgart, ist dagegen fest davon überzeugt, dass sich in Pkws synthetische Kraftstoffe in Zukunft durchsetzen werden: „Die Frage ist nur wann. In unseren Köpfen und im Labor ist der synthetische Kraftstoff schon sehr weit gediehen. Das Problem liegt noch darin, ihn im großtechnischen Maßstab herzustellen."

Diesen Schritt will das erst neun Jahre alte Unternehmen Sunfire aus Dresden, das 2016 als eines der zehn innovativsten Energieunternehmen weltweit ausgezeichnet wurde, demnächst wagen. Allein aus Wasser und Kohlendioxid stellt das Start-up-Unternehmen mit Ökostrom synthetischen Kraftstoff her. Das Verfahren heißt PtL (Power to Liquid) und funktioniert bereits so gut, dass Sunfire 2021 in Norwegen eine Produktionsanlage eröffnen will, die jährlich zehn Millionen Liter davon herstellen wird.
Wie das funktioniert zeigt die nächste Folge. (ampnet/hrr)


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Nikolaus August Otto (1832–1891).

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Anton Hofreiter.

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Winfried Kretschmann.

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