Noch ein Traum: Strom „tanken“ wie an einer Tankstelle

Es könnte so einfach sein: Das E-Mobil an der Ladestation parken, Stecker rein, Geldkarte in den Schlitz und auf den Strom warten. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Deutschland ist, wenn es um die Ladeinfrastruktur und die Preistransparenz geht, in viele Regionen aufgeteilt, in denen die verschiedenen Versorger herrschen, die ihre eigenen Geschäftsbedingungen verteidigen. Dabei erfährt der Kunde längst nicht immer, wieviel Energie er tatsächlich bekommen hat.

Die Bundesnetzagentur zählt aktuell rund 13.000 Ladesäulen mit 25.434 offiziell gemeldeten Ladepunkten, die sich die verschiedenen Anbieter teilen. Hinzu kommen noch die Lademöglichkeiten in den privaten Haushalten. Damit liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld abgeschlagen hinter den skandinavischen Staaten, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich auf Platz zehn.

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen in den kommenden beiden Jahren weitere 50.000 öffentlich zugängliche Ladesäulen und zusätzlich 1000 Schnellader entstehen. Bis zum Jahr 2030 soll das Netz in Deutschland auf eine Million wachsen. Da liegt noch viel Arbeit vor den Verantwortlichen. Experten sind sich einige: Nur wenn die Ladeinfrastruktur jetzt flächendeckend aufgebaut wird und gleichzeitig die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden, kann das Ziel der Bundesregierung erreicht werden, bis zum Jahr 2030 sieben bis zehn Millionen E-Mobile auf die Straße zu bringen.

Hersteller haben Hausaufgaben erledigt

Während die Hersteller inzwischen ihre Hausaufgaben erledigt haben, bis Ende des Jahres rund 150 Modelle anbieten werden, die E-Mobile in erreichbare Preisregionen gerollt haben und gleichzeitig die Reichweiten alltagstauglich ausgebaut haben, herrscht bei der Ladestationen ein großer Nachholbedarf. Auf den ersten Blick ist die Zahl der Ladestationen ausreichend, zumal ein großer Teil der Elektromodelle (rund 75 Prozent) zum Laden an die heimische Infrastruktur angeschlossen wird. Ganz anders sieht es allerdings bei der Transparenz der Preise und dem Zugang zu den einzelnen Ladesäulen aus.

Um tatsächlich bundesweit elektrisch unterwegs zu sein, bedarf es entweder einer Vielzahl an Karten der verschiedenen Versorger oder aber einer App, die mittels Smartphone unterwegs die Ladung und Zahlung ermöglicht. Vorausgesetzt, die Ladesäule erkennt die App und die Ladekarte. Wenn es um die Transparenz der Preise geht, sieht auch der Bundesverband Elektromobilität noch Aufholbedarf und fordert, „dass ohne einen bestehenden Zugang und vorheriger Registrierung eine Ladung und eine Bezahlung möglich“ sein müsse. „Etablierte Bezahlsysteme wie Giro Pay, Giro-e, Kredit- und Debitcards führen hier ausschließlich zum Erfolg. Nur dann kann ein europaweites Laden und Bezahlen stattfinden“.

Laden kann sehr teuer werden

Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband fordert eine Lösung für Kunden ohne App oder Vertrag mit dem Versorgungsunternehmen, dass die Säule betreibt. „Schließlich“, so Gregor Kolbe vom Bundesverband, „muss erreicht werden, dass man mit einer Ladekarte an allen öffentlichen Ladesäulen Strom speichern kann.“ Außerdem muss aus Sicht der Verbraucherschützer der gespeicherte Strom ausschließlich nach den tatsächlich gelieferten Kilowattstunden abgerechnet werden, um die Kosten transparent zu gestalten. Vielfach wird noch immer nach Zeit abgerechnet, was durchaus dazu führen kann, dass zum Beispiel für knapp zwölf Kilowattstunden nach fünf Stunden Ladezeit 26 Euro abgerechnet werden.

Um gerechte Zahlungsverfahren zu erreichen, müssten allerdings die älteren Ladesäulen zunächst für diese überregional agierende Kundschaft aktiviert werden. Der ADAC fordert deshalb, dass „das Laden eines Elektrofahrzeugs nicht komplizierter sein darf als das Tanken an einer Tankstelle.“ Doch die Wirklichkeit ist davon noch weit entfernt. Denn noch immer gibt es öffentliche Ladesäulen, die ausschließlich an die zumeist lokale Kundschaft Strom abgibt. Und „weiterhin“, so der ADAC, „mangelt es an ausreichender Preistransparenz, fehlen oft Angaben an der Ladesäule selbst.“

Auf Ladepunkte besser hinweisen

Abschreckend und der Verbreiterung der E-Mobilität nicht dienlich sind zudem die mitunter verwirrenden Preismodelle mit einer Vielzahl an zusätzlichen Gebühren, die zum Beispiel für Standzeiten nach Überschreiten einer bestimmten Ladezeit erhoben werden. Außerdem, so der ADAC, „sollten Ladesäulen im Straßenbild besser erkennbar sein.“

Neben den öffentlichen Ladesäulen spielen die privaten Lademöglichkeiten eine wichtige Rolle bei der Ladeinfrastruktur. Doch wird das Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Nach einer Untersuchung der Deutschen Energieagentur (Dena) „bewerten die potenziellen Elektromobilitätsnutzer eine Lademöglichkeit zu Hause als wichtig oder sehr wichtig.“ Während zum Beispiel in Norwegen Neubauten von Mehrfamilienhäusern nur genehmigt werden, wenn gleichzeitig Lademöglichkeiten für die Bewohner geschaffen werden, ist Deutschland von dieser Regelung noch weit entfernt. Bei Eigentumswohnungen muss die Installation einer Lademöglichkeit außerdem von allen anderen Eigentümern gebilligt werden.

Der Bundesverband Elektromobilität fordert deshalb bereits seit einigen Jahren, dass sich dies ändert. „Die EU sieht seit Mitte 2018 Quoten für den Einbau von Ladepunkten vor, doch in Deutschland wird sehr viel Zeit verschenkt durch die Diskussion um die Technologieoffenheit in der Mobilität. Daher dauert die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes so lange. Wir sind hier richtig spät dran.“ Die geplanten Gesetzesänderungen befinden sich aktuell noch immer in der Warteschleife.

Und wieder vorbildlich: Niederlande und Norwegen

Wie sich eine effektive Ladeinfrastruktur aufbauen lässt, zeigen die Niederlande und Norwegen. In den Niederlanden plant die „Nationale Agenda Ladeinfrastruktur“ bis zum Jahr 2030 den Aufbau von 1,74 Millionen öffentlichen und privaten Ladepunkten. Das Königreich hat bereits heute das umfassendste öffentliche Ladenetz Europas, so die Dena-Studie. In Norwegen sehen die Planungen vor, dass in Zukunft an den Hauptverkehrsstraßen alle 50 Kilometer eine Schnellladestation aufgebaut wird. Aktuell besitzt Norwegen rund 3350 Schnelllader. Kein Wunder, dass sich in den beiden Ländern die Elektromobilität durchsetzt. (ampnet/ww)


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Bilder zum Artikel

Einige Nissan Leaf an einem Parkplatz mit öffentlichen Ladestationen in Oslo.

Einige Nissan Leaf an einem Parkplatz mit öffentlichen Ladestationen in Oslo.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Nissan


Vehicle-to-Grid-Ladestationen am europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Nissan im britischen Cranfield.

Vehicle-to-Grid-Ladestationen am europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Nissan im britischen Cranfield.

Foto: Nissan


Vehicle-to-Grid-Ladestationen am europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Nissan im britischen Cranfield.

Vehicle-to-Grid-Ladestationen am europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Nissan im britischen Cranfield.

Foto: Nissan


Ladestationen am Sitz von Toyota Deutschland.

Ladestationen am Sitz von Toyota Deutschland.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Toyota