Frankreichs Wirtschaftsminister: Renault kann verschwinden

Renault ist für die Franzosen mehr als eine Automobilmarke. Das nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Kollaboration mit den Nazi-Besatzern verstaatlichte Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten tief in das Bewusstsein der „Grande Nation“ hineingearbeitet. Aktuell hält der französische Staat noch 15 Prozent an dem Unternehmen, das nicht allein wegen der Corona-Krise in eine schwere Schieflage geraten ist.

Im vergangenen Jahr schrieb der Konzern zum ersten Mal seit zehn Jahren rote Zahlen und musste einen Absatzrückgang von 3,4 Prozent auf 3,75 Millionen abgesetzte Fahrzeuge melden. Um die aktuelle Krise zu überleben, haben die Konzern-Verantwortlichen bereits einen Antrag auf eine staatliche Kreditbürgschaft von fünf Milliarden Euro gestellt. Gleichzeitig arbeitet das Management an einem Plan, mit dem in den kommenden drei Jahren zwei Milliarden Euro eingespart werden sollen.

In einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 schockte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire seine Landsleute kürzlich mit seiner Aussage, dass „Renault verschwinden kann. Darüber muss man sich im Klaren sein. Ich habe niemals den ernsten Charakter dieser Krise verschwiegen, und ich verschweige auch jetzt nicht die ernste Situation von Renault.“

Zu den offensichtlich von Beamten aus dem Pariser Wirtschaftsunternehmen an die Zeitung „Le Canard enchaîné“ weitergereichten Renault-Sparplänen gehört angeblich die Schließung von vier Fabriken in Frankreich, darunter auch das Werk Flins in der Nähe von Paris, eine der traditionsreichsten Fertigungstätten von Renault, die nicht weit entfernt von den berüchtigten Vorstädten mit ihren kampferprobten Bewohnern liegt. „Flins darf nicht geschlossen werden“, reagierte Le Maire daher prompt auf die Pläne der Renault-Leitung. Vermutlich wollen weder der Wirtschaftsminister noch Staatspräsident Emanuel Macron den noch immer aktiven Gelbwesten zusätzliche Munition liefern.

Die französische Regierung knüpft die Bewilligung der Kreditbürgschaft inzwischen an Bedingungen. So soll das Unternehmen, „seine Produktionsketten in Frankreich und der Welt umbauen, um effektiver zu arbeiten“, erklärt Le Maire. Außerdem verfolgt die französische Regierung, so Le Maire bei Europe 1, „als Anteilseigner die Strategie, Renault zu einem weltweit führenden Hersteller von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen zu machen.“ Mit sanftem Druck aus Paris trat Renault daher jetzt der französischen Batterieallianz bei, die bisher von der PSA-Gruppe und Total gebildet wurde. Ohne diesen Schritt hätte der Antrag auf die Kreditbürgschaft keine Chance, heißt es aus dem französischen Wirtschaftsministerium.

Um den französischen Automobilmarkt in Schwung zu bringen, plant Emanuel Macron Kaufprämien, mit denen vor allem die Anschaffung von Elektromobilen unterstützt werden soll. Die französische Regierung sieht die Krise inzwischen als einen Hebel, um die ökologische Wende voranzutreiben, und den Franzosen die aktuell noch zu kostspieligen E-Mobile schmackhaft zu machen Bis zum Jahr 2025 soll sich Frankreich zum führenden Standort für abgasarme Fahrzeuge entwickeln. Die Prämien sollen nach Zeitungsberichten zwischen 2000 Euro für Hybrid-Modelle und bis 7000 Euro für vollelektrische Modelle liegen. Außerdem sollen auch abgasarme Modelle mit Verbrennungsmotoren gefördert werden.

Die finanzielle Unterstützung könnte auf fruchtbaren Boden fallen. Nach einer repräsentativen Umfrage haben die Franzosen die Lust am Autokauf nicht verloren. 55 Prozent der Menschen, die vor der Krise entschlossen waren, einen Neuwagen zu kaufen, halten an ihren Plänen fest, warten aber auf Nachlässe der Hersteller. Bei lediglich 18 Prozent hat das Interesse nachgelassen.

Während Renault auf staatliche Unterstützung hofft, plant Nissan, mit Renault und Mitsubishi in einer Allianz vereint, deutlich gravierendere Einschnitte. Nach Presseberichten wollen die Japaner weltweit bis 20 000 Arbeitsplätze streichen, viele davon in Europa. Nach unbestätigten Plänen sollen drei oder vier Fabriken geschlossen werden, darunter mindestens eine in Europa.

Als Reaktion auf die wirtschaftliche Situation der drei in der Allianz zusammengefassten Unternehmen (Renault, Nissan, Mitsubishi) plant die Gruppe nun eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit. Im Rahmen des sogenannten „Leader-Follower-Prinzips“ wird pro Baureihe ein „Mutterfahrzeug“ entwickelt, von dem dann die „Schwesterfahrzeuge“ der einzelnen Marken abgeleitet werden. So sollen Fixkosten gespart werden. Konkret bedeutet dies, dass zum Beispiel die Erneuerung des C-SUV-Segments nach dem Jahr 2025 von Nissan verantwortet wird. Das B-SUV-Segment in Europa wird von Renault übernommen. Auch die Entwicklung neuer Technologien wird unter den drei Partnern aufgeteilt. (ampnet/ww)


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Renault.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Renault