Der Caravan und die Innovation: Vom Kübel zu Da Vinci

Innovation ist ein großes Wort. Dabei bedeutet es, aus dem Lateinischen stammend, nichts anderes als Erneuerung (innovare – erneuern). In der Wirtschaft wird es gerne im Sinn von bahnbrechenden Entwicklungen genutzt, ohne Innovationen können Entwickler in der Industrie gleich einpacken. Besonders die Autohersteller geben sich gerne innovativ, da will die Caravaning-Branche nicht außen vor bleiben. Auf dem am Sonntag zu Ende gehenden Caravan-Salon in Düsseldorf zeigen sie ihre Neuheiten, und tatsächlich wachsen hier und dort zarte Ideen heran, die für solch bahnbrechende Entwicklungen gut sein können. Es wird auch Zeit, wie der Blick in die Geschichte zeigt.

Eine kurze Geschichte des Wohnwagens

Der Wohnwagen tauchte bereits kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende auf, 1908 entstand auf den britischen Inseln der erste Reisewagen, der von einem Automobil gezogen werden konnte, der Caravan Club wurde gegründet. In Deutschland gilt der Handlungsreisende Arist Dethleffs als Erfinder des Wohnwagens. 1931 konstruierte er ein Wohnvehikel, das er auf seinen Fahrten als Domizil nutzte und seiner mitreisenden und talentierten Gattin Raum für ihre Malerei bot, während der Stock- und Peitschenverkäufer Dethleffs auf Kundenbesuch war. Seitdem hat sich nichts Grundlegendes geändert – am Wohnwagen.

Auch heute rollt der Wohnwagen auf einer einzelnen oder einer doppelten Achse, seine Seitenwände sind streng vertikal ausgerichtet, Front- und Heckpartie sind ebenfalls meist gerade angeordnet. Versuche während der Ölkrisen, durch eine schräggestellte Vorderwand den Treibstoffverbrauch des Zugwagens zu reduzieren, wurden bald wegen Ergebnislosigkeit wieder eingestellt. In den Innenräumen gab es auffälligere Entwicklungen. Eine Gasheizung und ein Kühlschrank kamen an Bord. In Küche und Waschraum standen Wasserkanister aus Plastik, deren zehn Liter Vorrat von schwächlichen Tauchpumpen gefördert, mit müdem Strahl aus den Plastikwasserhähnen rieselte.

Die Achtziger bringen eine frische Innenraum-Brise

Vor allem aber kam es zu einer Neuausrichtung des Einrichtungsstils. Bis in die frühen achtziger Jahre sah es in Caravans aus, wie es eben zu jener Zeit auch in deutschen Wohnzimmern ausgesehen hatte. Dunkles Eichenholz-Dekor spannte sich über Pressspanplatten, die während der ersten Monate des jungen Wohnwagenlebens eifrig das nicht eben gesundheitsfördernde Lösungsmittel Formaldehyd ausdünsteten. Dazwischen sorgten Butzenscheibenimitationen für Stimmung und gaben den Römer-Weinkelchen und alternativlosen Schnaps-Stamperl dahinter zusammen mit der Steinhäger-Flasche den rechten Rahmen.

Doch dann kam die Wende. Anstelle der aufrechten aber biederen Handwerksmeister der ersten Chef-Generation kamen Manager zum Zuge. Und die dachten erstmals darüber nach, professionelle Designer ans Werk zu lassen, um zumindest den Wohnräumen der Caravans neuen Schwung zu geben. Es waren Pioniere wie Klaus-Peter Bolz, die dem Gelsenkirchener Barock im Wohnwagen den Garaus machten. Helle Dekore, sachlichere Linien und moderne Formgebung frischten das Image der muffigen Caravan-Szenerie auf und erreichten damit auch neue Zielgruppen.

Mehr Technik, mehr Tempo. Meist aber von den Zulieferern

Die Technik wurde aufgerüstet, die Pumpen stärker, der Plastikkanister zum fahrbaren Tank. Die Gasheizungen arbeiteten nun thermostatgesteuert und automatisch, elektrische Friktionsmotoren halfen, das Haus auf Rädern auf dem Campingplatz und den letzten Metern unangestrengt in die gewünschte Position zu rangieren. Auch die Sicherheit legte zu. Antischlingerkupplungen verbesserten die Fahrstabilität der Gespanne und mit Stoßdämpfern ausgestattete Radaufhängungen erlaubten das Reisetempo bei entsprechendem Gewichtsverhältnis zwischen Zugwagen und Caravan in Verbindung mit höherwertigen Reifen von 80 auf 100 km/h anzuheben.

Erhebliche Verbesserungen erlebte der Komfort. Gesunder Schlaf auf tauglichen Matratzen wurde thematisiert, heute setzen durchgestylte LED-Leuchten den Innenraum ins rechte Licht und die Musik kommt aus Bluetooth-Lautsprechern, die im Vorzelt zur Freude der Campingnachbarn lärmen können. Breitere Eingangstüren tragen dem teils höheren Alter der Camper Rechnung, die sich automatisch ausrichtende Satelliten-Schüssel auf dem Dach gehört zum guten Ton. Allerdings gehen all diese Ausstattungsfortschritte auf die Entwicklungen der Zulieferer zurück. Eine bahnrechende Erneuerung beim Caravaning haben die Hersteller selbst nicht einleiten können.

Ein Klo wird zum Clou

Da ist signifikant, dass eine zugelieferte Ausstattung laut repräsentativer Umfragen der Fachmedien bis heute unangefochten auf Platz eins rangiert. Ersonnen hat sie bereits in den 1960er Jahren der Amerikaner Frank Sargent. Bis dahin verdiente der Toilettenraum im Caravan seinen Namen durch einen Kübel, dessen anrüchiger Inhalt allein von chemischen Zusätzen und einem mehr oder weniger dicht abschließendem Deckel olfaktorisch gebändigt werden sollte.

Sargent erfand damals das Porta-Potti, bei dem der obere Teil als Wassertank mit Klo-Brille fungierte, der untere Teil diente durch einen Schieber getrennt als Schwarzwasserbehälter. In den achtziger Jahren entwickelte Sargents mittlerweile gegründete Firma Thetford die festeingebaute Kassettentoilette, 1988 wurde sie in den Campingfahrzeugen eingeführt. Die größte Innovation beim Caravaning kommt also nicht von den Herstellern und ist mittlerweile 32 Jahre alt. Es gibt demnach noch reichliche Entwicklungsspielräume und viel zu tun in der Welt der Wohnwagen und Reisemobile. (ampnet/mk)


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Bilder zum Artikel

Dethleffs Wohnauto von 1931 (originalgetreuer Nachbau aus dem Jahr 1974).

Dethleffs Wohnauto von 1931 (originalgetreuer Nachbau aus dem Jahr 1974).

Foto: Auto-Medienportal.Net/Wikipedia/Bene 16


Der Beginn der „Wohnkultur unterwegs“: Porta Potti.

Der Beginn der „Wohnkultur unterwegs“: Porta Potti.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger


Der „kulturelle“ Höhepunkt. Toilette im Knaus Da Vinci.

Der „kulturelle“ Höhepunkt. Toilette im Knaus Da Vinci.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Knaus