Glosse: Noch ein Gehorsamssprung
11. Juni 2021 Von Peter Schwerdtmann, cen
Am Anfang der EU-Verordnung stand das Missverständnis, dass batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge geräuschlos fahren. In den 90er-Jahren des letzen Jahrhunderts erlebten wir den ersten Geländewagen mit Elektromotor. Der klang wie eine alte Straßenbahn. Seitdem haben die Entwickler große Erfolge bei der Geräuschvermeidung und -dämmung erreicht. Doch Geräusche produzieren sie noch immer, außen meist unangenehmere als innen. Und die wenigsten arbeiten geräuschlos.
In der Realität rollt in den Geschwindigkeitsbereichen vom Anrollen bis 20 km/h so mancher Diesel und Benziner leiser als ein E-Auto. Beim Abbremsen etwa vor einem Zebrastreifen verhindert das heute übliche Start-Stopp-System bei Verbrennern und Hybridantrieben jedes Außengeräusch. Die brauchen aber kein AVAS, zumal die mit einer automatischen Bremsfunktion gekoppelte Fußgänger- und Radfahrererkennungen rasch durch die Wagenklassen nach unten wachsen. Und den Rest der Unfallgefahren verhindern Querverkehrswarner und Rückfahrkamera.
Bleibt noch das jüngste Ziel der Wohlmeinenden – der Verkehrslärm. Der allerdings entsteht in der Regel oberhalb von 20 km/h durch Fahrwind und dem Abrollgeräusch zwischen Reifen und der Straße, ganz unabhängig vom Antriebssystem, es sei denn, Fahrer oder Fahrerinnen lassen es gern mal krachen.
Und doch: Auch diese EU-Vorschrift hat ihre guten Seiten. Sie hat Sounddesignern und sogar berühmten Filmkomponisten eine Aufgabe beschert, weil das Summen von Elektronik und Antrieb auch bei großen PS-Zahlen und hohen Geschwindigkeiten so gar keine Emotionen aufkommen lassen will. Und auch wir Auto-Autoren entwickeln eine neue Art des Hörens. (ampnet/Sm)
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