Praxistest Triumph Scrambler 1200 XE: Stilikone mit Crossover-Charme

Volle vier Jahre Garantie auf alle Motorräder, serienmäßig und ohne Kilometerbegrenzung. Mit diesem Versprechen bewirbt Triumph derzeit seine neue Euro-5-Modellpalette. Im Falle der Scrambler 1200 braucht es diesen Qualitätsschwur vermutlich gar nicht: Das „Modern Classic Adventure Bike“ – so die Gattungsbezeichnung der hochbeinigen Crossover-Maschine – wirkt bereits auf den ersten Blick, als wäre es für die Ewigkeit gebaut worden.

Die Aufhängung der kurzen Alu-Schutzbleche, die Startnummerntafel aus gebürstetem Aluminium, der massive Fersenschutz, die Lampenhalter, der Alu-Klapptankdeckel im Monza-Style, das Edelstahl-Tankband: Jedes Teil strahlt eine Perfektion und Liebe zum Detail aus, die es in dieser konsequenten Umsetzung nur ganz selten und bei wenigen Herstellern gibt. Alles was an dieser Triumph nach Aluminium oder Metall aussieht, ist auch aus Aluminium oder Metall. Dazu die klassische Scrambler-Attitüde mit breitem Lenker, schmalem Tank und knapp unterhalb der langen Sitzbank verlegtem Doppelauspuff mit Edelstahl-Endrohren. Eine Stilikone.

Steve McQueen, seliger Godfather aller Haudegen, hätte sich vermutlich schockverliebt, als die Scrambler 1200 anno 2018 erstmals präsentiert wurde. Im Jahr darauf kam sie auf den Markt, als technologische Speerspitze der Marke: armlange einstellbare Öhlins-Stoßdämpfer hinten, Turn-by-Turn-Routenführung über das digitale Cockpit, Gopro-Actioncam-Steuerung über die beleuchteten Bedienelemente am Lenker, abschaltbares Kurven-ABS, dazu eine neue, drehmomentoptimierte Ausbaustufe des bewährten Bonneville-Paralleltwins – und dazu eben dieser unvergleichliche Look.

Triumph kreuzt hier geschickt die bekannt endlässige Scrambler-Optik mit dem Image und den Fahreigenschaften eines unaufhaltbaren Adventure Bikes. Damit führen die Briten zwei der drei erfolgreichsten Fahrzeuggattungen zusammen: „Enduro“ und „Klassik“, so die offizielle Bezeichnung beim Industrieverband Motorrad. Speziell die 1200 XE, die offroadtauglichere Variante der 1200 XC, wuchert unübersehbar mit ihren Offroad-Insignien: 250 Millimeter Federweg vorn wie hinten – das bietet sonst kein Bike in dieser Hubraumklasse. Bestenfalls echte Hardcore-Crossmaschinen können in dieser Giraffenbeinklasse mithalten. Die eher straßenorientierte Scrambler 1200 XC kommt auf 200 Millimeter vorn und hinten. Auch das ist noch üppig.

21 Zoll misst bei beiden das vordere Speichenrad, hinten sind es 17 Zoll. Die seitlich eingehängten Speichen ermöglichen wie gehabt die Nutzung schlauchloser Reifen. Metzeler Tourance oder Pirelli Scorpion Rally stehen hier zur Wahl, je nach bevorzugtem Terrain. Wer primär Schotter oder ähnliche lose Untergründe unter die Räder nimmt, was sich durchaus anbietet, lässt die Pirellis aufziehen.

Mit dem Komfort eines Premium-SUV bügelt die Scrambler 1200 XE über nahezu alles rüber, was Straßenoberflächen so hergeben: Risse, Schlaglöcher, kleine Krater, Wülste, Ausstülpungen, Kopfsteinpflaster, Schotter, Kies, Steine – völlig egal. Der Fahrer befindet sich dabei hoch über der Straße: 87 Zentimeter Sitzhöhe ermöglichen der Person am 90,5 Zentimeter breiten Lenker eine hervorragende Sicht auf alles, was vor ihr liegt.

Voll einstellbare Federelemente vorn wie hinten ermöglichen die optimale Abstimmung auf jeden Untergrund. Vorspannung, Druckstufe, Zugstufendämpfung – sowohl die Upside-Down-Gabel von Showa mit amtlichen 47 Millimetern Gabelrohrdurchmesser (XC: 45 mm) als auch die Öhlins-Federbeine geben sich höchst kooperativ, was individuelle Härtevorlieben betrifft. Sechs fein abgestimmte Fahrmodi stehen wie gehabt bei der XE zur Verfügung. Der XC reichen fünf; auf den Level Off-Road Pro kann sie verzichten. XE-Kämpen haben hier die Möglichkeit, für elektronikfreies Vorankommen im Gelände Kurven-ABS und Antriebsschlupfregelung abzuschalten.

Der Fahrtwind meint es bis circa 120 km/h ausgesprochen gut mit dem Fahrer oder der Fahrerin. Erst ab 130 km/h drückt er merklich gegen die Brust und lässt die Windgeräusche am Helm anschwellen. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Triumph mit 177 km/h an. Das mehrfach konfigurierbare Zentralinstrument zeigt mit etwas Anlauf auch mal eine „9“ in der Mitte an. Dafür heißt es aber: Kopf runter, Bauch auf den 16-Liter-Tank – und festhalten!

Das Drehmoment und die Art der Leistungsentfaltung machen schlicht glücklich: 110 Newtonmeter bei 4500 Touren schickt der Zweizylinder per Kette ans Hinterrad. Dazu leistet der anbetungswürdige Brit-Twin 90 PS bei 7250 Touren. Im Zuge der Euro-5-Umstellung hat Triumph hier sachte Hand angelegt: Die abgelöste Euro-4-Variante war mit 90 PS bei 7400 Touren und 110 Nm bei 3950 U/min unterwegs. Das optimierte E-Gas sorgt jetzt für eine etwas sanftere Gasannahme. An der Art der Kraftentfaltung ändert sich ansonsten spürbar nichts. Dafür wurde die Wärmeableitung des Auspuffs verbessert. Eine gute Entscheidung.

Die sechs Gänge rasten rauf wie runter präzise ein, die drehmomentunterstützte Kupplung macht einen vorzüglichen Job. So macht Schalten Spaß. Bei den Bremsen hat Triumph vom Start weg eine fette Duftmarke gesetzt: Vorn Brembo-M50-Radial-Monobloc-Bremssättel mit zwei 320er-Scheiben, hinten eine Einscheibenbremse mit Doppelbremssattel – hier greift Superbike-würdige Technik ins Fahrgeschehen ein. Und das bei einem Scrambler. Chapeau.

Triumphs 1200er-Crossover ist auch mit Euro-5-Auslegung der Inbegriff fürs Scrambling der nächsten Generation. Es geht nicht mehr nur um Kraxeln (englisch: to scramble) und gut aussehen, es geht um echte Ausritte im geschärften Old-School-Look. Der Sound hat die Lizenz zum Auffallen: rau, präsent, kernig, aber nie prollig. Gentleman-like, wie es sich gehört. Im neuen James-Bond-Abenteuer „Keine Zeit zu sterben“, das es jetzt endlich in die Kinos schafft, spielt die Scrambler 1200 XE eine tragende Rolle. Das passende Editionsmodell war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Das gleiche Schicksal ereilte das jüngst vorgestellte Steve-McQueen-Sondermodell.

Wer es besonders eilig hat mit seiner 1200er, nutzt einfach im Bond-Style die Schnellstart-Funktion, die Triumph allen Modellen mit Smartkey-System mit auf den Weg gegeben hat: Kommentarlos den Startknopf ganz nach unten drücken, dann springt das Bike unmittelbar an – auch ohne aktivierte Zündung.

Die Preise der jeweils in drei Lackierungen erhältlichen Standardmodelle starten bei 14.150 Euro für die Scrambler 1200 XC und 15.150 Euro für die 1200 XE mit 6-Achsen-IMU, breiterer Gabel und aufwendigerer Elektronik. (aum/rfb)

Daten Triumph Scrambler 1200 XE

Antrieb: Paralleltwin, 1200 ccm, flüssigkeitsgekühlt, 6 Gänge, Kette
Leistung: 66 kW / 90 PS bei 7250 U/min
Max. Drehmoment: 110 Nm bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Tankinhalt: 16 Liter
Sitzhöhe: 870 mm
Gewicht: 230 kg (fahrbereit)
Normverbrauch: 4,6 l/100 km
CO2-Emissionen: 105 g/km
Testverbrauch: 5,0 l
Preis: 15.150 Euro (zzgl. NK)


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Triumph Scrambler 1200 XE.

Triumph Scrambler 1200 XE.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Bernd Ahrens


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