Wortklauberei (44): Jeder Statistik wohnt ein Zauber inne

„Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“, sagte einst Sir Winston Churchill. Gut, dass diese Zeiten lange zurückliegen. Heute haben sich die Statistiker daran gewöhnt, transparent offenzulegen, an welchen Stellrädern sie gedreht haben, um am Ende ein Ergebnis zu erhalten, mit dem eigene Positionen sich besser vertreten lassen. Alle Welt unterstellt dem Umweltbundesamt (UBA) lautere Motive, wenn eine aktuelle Studie ein Tempolimit heute wirksamer findet als die Studie aus dem Vorjahr.

Nun zitieren Medien die UBA-Studie, die den Nutzen eines Tempolimits unterstreicht. „Die Modellierungen zeigen, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen deutlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid einsparen würde als bisher von der Behörde selbst angenommen“, schreibt „Spiegel online“.

Bei einem maximalen Tempo von 120 Kilometern pro Stunde ließen sich laut UBA in Deutschland pro Jahr nun 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Das entspräche einer Senkung der Kohlendioxid-Emissionen im Straßenverkehr um 4,2 Prozent. Die Stellräder unter anderem: Wegen Tempo 120 wird die Autobahn langweilig und unattraktiv. Die Menschen weichen auf Landstraßen oder auch gleich auf Busse und Bahnen aus. Und wenn dann die Elektroautofahrer mit ihrer Sorge um die Reichweite die Geschwindigkeit auf Autobahnen noch weiter einbremsen…

4,2 Prozent der Pkw-Emissionen entsprechen rund zwei Prozent der Emissionen des Straßenverkehrs und einem halben Prozent aller Emissionen des Verkehrs in Deutschland. Es ist also kein statistisches Wunder, wenn jemand zu Zahlen mit einer gegensätzlichen Aussage käme. Stellräder finden sich reichlich.

Wir wissen inzwischen, dass nicht nur jede Kilowattstunde, sondern auch jede Tonne zählt, wenn es darum geht, die Energiekrise und das Klimaproblem parallel zu lösen. Da kann eine pädagogische Maßnahme wie ein Tempolimit sich positiv auf das Fahrverhalten des Einzelnen auswirken und ihn zum Ausweichen auf kürzere Routen verleiten. Dumm nur, dass wir damit das Unfallrisiko von den sichersten Straßen der Republik, von den Autobahnen, ableiten auf unfallträchtigere Strecken. Aber war nicht die Sicherheit einst das Argument für die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen?

Wenn die nun aber alle auf die Bundesstraßen ausweichen, dann bringt das Tempolimit auf der Bahn ja nichts in Sachen Sicherheit. Doch Vorsicht! Mit diesem Gedanken beginnt eine Endlosschleife. Die hatte man allerdings längst unterbrechen können, wenn es nur um das Klima ginge. Über nachhaltig produzierte Bio-Kraftstoffe und andere klimaneutrale Alternativen bei den Kraftstoffen verfügen wir schon lange. Doch Brüssel will die nicht. Und wir folgen – statistisch so sauber begründet, dass jeder Hinweis auf Churchill als boshaft empfunden werden kann. (Peter Schwerdtmann/cen)


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Sir Winston Churchill.

Sir Winston Churchill.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Wikipedia