Das S-Pedelec hat’s nicht leicht

In der Schweiz ist jedes fünfte E-Bike ein Speed-Pedelec, in Deutschland machen sie hingegen allenfalls zwei Prozent aus. Das hat weniger mit der anspruchsvolleren Topographie unseres Nachbarlandes zu tun, sondern vor allem mit der Gesetzgebung. Getreu dem Motto „Andere Länder, andere Sitten“ genießen S-Pedelecs auch in Belgien oder den Niederlanden mehr Freiheiten im Straßenverkehr. Hierzulande werden die schnellen Hybridbikes hingegen weniger als Fahrrad und mehr als Kleinkraftrad (Moped) betrachtet.

So sind Fahrradwege in Deutschland für S-Pedelecs tabu, auf der Straße wiederum werden sie von Autofahrern aber eher als E-Bike wahrgenommen. Auch die Bahn hat ein Problem mit den bis zu 45 km/h schnellen Rädern: Sie erkennt sie wegen des vorgeschriebenen Versicherungskennzeichens nicht als Fahrrad an und erlaubt daher auch nicht die Mitnahme im Zug, obwohl sie sich optisch und von den Abmessungen her überhaupt nicht von normalen Fahrrädern und Pedelecs unterscheiden.

Für Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad bietet das Thema nach wie vor genug Anlass für eine Diskussionsrunde. Für ihn sind S-Pedelecs ein sinnvoller Beitrag zur Verkehrswende und ein geeignetes Fahrzeug für Pendler. Da mit ihnen mühelos 20 bis 30 Kilometer zurückgelegt werden können, könnten sie auch nach Einschätzung von Anja Herz vom Verkehrsclub Deutschland theoretisch etwa die Hälfte aller mit dem Auto zurückgelegten Strecken ersetzen, bei denen es sich vielfach nur um kurze Entfernungen handelt. Für eine Familie mit Kindern käme die Anschaffung eines S-Pedelecs wegen des Radwegetabus dann aber wiederum oft nicht in Frage, merkt sie an.

Auf kürzeren Distanzen von drei bis fünf Kilometern hätten S-Pedelecs gegenüber normalen E-Bikes ohnehin kaum Vorteil, meint Ivica Durdevic vom Schweizer Systemanbieter Biketec. „Geht es aber länger, wird es interessanter“, sagt auch er. In der Schweiz, dem größten europäischen Markt für S-Pedelecs, seien die schnellen Hybridbikes auch auf Radwegen erlaubt. Dort appelliere die Politik an den gesunden Menschenverstand: „Sind die Radwege zu voll, nimm die Straße.“

Alexander Kraft, Pressesprecher beim Hersteller HP Velotechnik, sieht in der „ziemlich verqueren Gesetzeslage“ eines der größten Hemmnisse für S-Pedelecs in Deutschland. So würden gerade sie sich für Radschnellwege eignen, dürfen wegen der Einstufung als Leichtkraftfahrzeug dort aber nicht fahren. Während andere Länder vormachten wie es gehen könne, fehle in Deutschland „der politische Wille“, beklagt er. So will selbst die Fahrradbeauftragte des Bundesverkehrsministeriums die 45-km/h-Pedelecs nicht als Fahrrad verstanden wissen. Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub hält nichts davon, Radwege für sie freizugeben.

Andreas Kraus vom Kommunikationsunternehmen Politik + Strategie verweist auf eine Allianz S-Pedelec. Die temporäre Initiative will in Kooperation mit Universitäten der Politik Zahlen an die Hand geben. Auch er spricht von einem „spannenden Thema“ und guten Erfahrungen mit dem alternativen Verkehrsmittel etwa in Belgien. Dort habe man zum Beispiel erkannt, dass große Tempodifferenzen schlecht für den Verkehr sind: Sind auf einer Straße mehr als 50 km/h erlaubt, müssen S-Pedelecs – sofern vorhanden – auf dem Radweg fahren, in Tempo-30-Zonen haben die Fahrer hingegen die freie Wahl.

Studien haben gezeigt, dass die schnellen E-Bikes durchaus schon Autofahrer zum Umsteigen bewogen haben. Eine Möglichkeit, dem S-Pedelec zu mehr Schwung zu verhelfen und für mehr Klarheit und Akzeptanz zu sorgen, wäre es, für sie eine eigene Fahrzeugkategorie zu schaffen. Eine andere, Temporegeln wie bei Autos einzuführen. Will heißen, wer mit dem S-Pedelec einen Radweg benutzt, der darf dort eben nur mit maximal 25 km/h fahren. Wer schneller fahren möchte, der muss dann eben auf die Straße ausweichen. Vielfach fehlt es aber einfach auch an geeigneter Infrastruktur. Viele Radwege sind ohnehin schon für gewöhnliche Radfahrer zu schmal. Das Problem der unterschiedlichen Fahrzeuge hat zum Beispiel selbst im Fahrradland Niederlande bereits zu Überlegungen geführt, an bestimmten Stellen Geschwindigkeitsbeschränkungen für die Speed-E-Bikes einzuführen. Dort mischen laut Andreas Kraus aber auch noch viele andere 45-km/h-Fahrzeuge mit.

Wie es gehen kann hat Tübingen vorgemacht: Dort werden bestimmte Streckenabschnitte auf ihre Tauglichkeit für S-Pedelecs geprüft und entsprechend beschildert – inklusive Tempolimitbeschilderung in einigen Bereichen. Dort dürfen auch Radwege benutzt werden. Dazu hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg sein Einverständnis für ein Zusatzzeichen „S-Pedelec frei“ unter dem Schild „Fahrradweg“ erteilt. Das Land hat inzwischen allen Kommunen erlaubt, das innerorts für sich zu prüfen. So will Konstanz dem Beispiel Tübingens folgen. (cen/jri)


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Bilder zum Artikel

In der Schweiz sind S-Pedelecs (mit Unterstützung bis 45 km/h) der Renner: Vor allem für Pendler sind sie eine Alternative zum Auto oder ÖPNV.

In der Schweiz sind S-Pedelecs (mit Unterstützung bis 45 km/h) der Renner: Vor allem für Pendler sind sie eine Alternative zum Auto oder ÖPNV.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Flyer/pdf


Während Pedelecs bis 25 km/h den Radweg benutzen müssen, gehört die schnelle Klasse (S-Pedelecs mit Versicherungskennzeichen) auf die Straße.

Während Pedelecs bis 25 km/h den Radweg benutzen müssen, gehört die schnelle Klasse (S-Pedelecs mit Versicherungskennzeichen) auf die Straße.

Foto: Autoren-Union Mobilität/pd-f/Kay Tkatzik


S-Pedelecs benötigen ein Versicherungskennzeichen.

S-Pedelecs benötigen ein Versicherungskennzeichen.

Foto: Autoren-Union Mobilität//pd-f/Luka Gorjup (Lux Fotowerk)


Die Unterschiede zwischen Pedelec und S-Pedelec.

Die Unterschiede zwischen Pedelec und S-Pedelec.

Foto: Autoren-Union Mobilität/pd-f/Bernd Bohle