Le Mans 2024: Wenn nach 24 Stunden 14 Sekunden fehlen
17. Juni 2024 Von Walther Wuttke, cen
Es sah alles nach einem Sieg aus. Der Toyota mit der Startnummer 7 lag in Front, doch dann kam ein Tankstopp eine halbe Stunde vor dem Ende, der Ferrari mit der Nummer 50 zog vorbei, und José Maria Lopez gelang es nicht mehr den Vorsprung des Ferrari auszugleichen. Nach 24 Stunden Rennen über die 13,5 Kilometer lange Strecke an der Sarthe fehlten lächerliche 14 Sekunden, um als Sieger auf das Podest zu klettern.
„Es war ein großartiges Rennen, doch das Ende war wirklich enttäuschend“, zog Toyota-Chef Akio Toyoda am Ende Bilanz. „Ich habe jedem vor dem Rennen gesagt, dass wir die besten Mechaniker, die besten Ingenieure und die besten Fahrer der Welt haben, und ich hoffe, dass wir ihre Enttäuschung in neue Kraft umwandeln, um wieder ein Team zu werden, dass wieder als das beste der Welt genannt werden kann.“ Auch der Chefpilot der Nummer 7, Kamui Kobayashi, blickt nach vorne: „So ein enges Ende macht uns hungrig, um im nächsten Jahr stärker zurückzukommen.“
Der Name „Le Mans“ bewegt die Massen, und auch dieses Jahr kamen wieder rund 400.000 Menschen an die Strecke und brachten die Kapazität der Veranstaltung an ihre Grenzen. Menschen mit Platzangst sollten die Veranstaltung meiden. Vor allem kurz vor dem Start ist das Gedränge groß – eine Stunde danach ist die Tribüne leer, und die meisten Zuschauer vertreiben sich die Zeit untermalt vom Sound der Rennwagen, auf der riesigen Kirmes im Innenfeld der Strecke.
Für die Menschen der Stadt, die während des Rests des Jahres unbeobachtet vom Rest der Welt in der französischen Provinz ihren Geschäften nachgehen, ist das Rennen die Gelegenheit einmal im Mittelpunkt zu stehen. Wenn am Freitag vor dem Start am Samstag um 16 Uhr die Fahrerparade durch die Innenstadt rollt und die Siegertrophäe gezeigt wird, mutiert die Veranstaltung zu einer Art verspäteten Karneval. Die Teams schicken ihre Piloten, bewaffnet mit allen möglichen Werbegeschenken durch die Straßen, die vor allem von den Kindern abgegriffen werden, und die Oldtimerfreunde der Region sonnen sich im Glanz der Parade, wenn sie ihre Schmuckstücke zeigen dürfen.
Auch die Fahrer haben Spaß, obwohl die Anspannung steigt. Kamui Kobayashi genießt die Sonne, die sich pünktlich zum Rennen verabschieden wird, und die Stimmung auf der Pritsche eines Toyota-Pick-ups, Alpine zeigt seinen Wasserstoffrenner, und vor allem die französischen Piloten stehen einem ohne Unterbrechung parlierenden Moderator Rede und Antwort, und nach der Parade fließt in den Kneipen in der Innenstadt das Bier in Strömen.
Während sich die Marken und die Fahrer feiern lassen, bereiten die Mechaniker, die stillen Helden des Rennens, die Rennwagen für den Start am nächsten Tag vor. Im Rennen sind die Aufgaben in der Box genau verteilt. „Wir haben für jedes Auto einen Chefmechaniker, vier für die Reifenwechsel, zwei für das Tanken, zwei Spezialisten und einen Mechaniker, der den Fahrer betreut und ihm zum Beispiel beim Anlegen der Gurte hilft“, beschreibt Toyota-Teamdirektor Rob Leupen die genau definierten Aufgaben der Männer. Die Mechaniker sind dabei deutlich mehr als 24 Stunden im Einsatz. Das Rennen beginnt zwar pünktlich um 16 Uhr, doch bereits am Vormittag beginnt ihr Einsatz. So werden aus den 24 schnell 30 und mehr Stunden harte Arbeit. Überhaupt sind die Teams mindestens zehn Tage im Einsatz, ehe die Startflagge geschwenkt wird. In diesem Jahr hatte der Fußballprofi und -trainer Zinédine Zidane die Ehre das Feld auf die Strecke zu schicken.
Während des Rennens schauen eigens abgestellte Beobachter, welche Fehler die anderen Teams machen, melden sie weiter an die Rennleitung, die dann über Strafen entscheidet. Das kann man Petzen nennen, doch nachdem alle Teams ihre Regel-Spezialisten einsetzen, gleicht sich das Spiel wieder aus. So lassen sich wichtige Sekunden gewinnen. Gleichzeitig beziehen am Streckenrand zusätzliche Helfer Stellung. „Wir haben an fünf bis sechs Abschnitten unsere Wetterbeobachter postiert, die uns melden, wenn Regen einsetzt, um so in der Box entsprechend reagieren zu können“, erklärt ein Teamsprecher.
Während die Fahrer die Pausen zwischen ihren Einsätzen für einen kurzen Schlaf nutzen, müssen die Mechaniker ständig präsent sein, weil neben den geplanten Boxenstopps immer wieder ein Problem auftauchen kann, das gelöst werden muss. Jeder sucht sich daher irgendwo einen Platz, wo er sich entspannen kann, um wenn nötig, im nächsten Moment hellwach zu sein.
Das Rennen in Le Mans ist im Hintergrund auch eine Logistik-Schlacht. Fahrer und Teams sind zum Beispiel über Funk miteinander verbunden, und auch die Rennleistung sowie die registrierten Medien nutzen Funk. Insgesamt 1356 Frequenzen sind während des Rennens vergeben. Hinzu kommen noch der Flughafen am Rand der Strecke und die Rettungskräfte. Und dann gibt es noch nicht genehmigte Funkfrequenzen, die wiederum die Verbindungen stören können. Ein Team der „Agence nationale des fréquences“ (ANFR) ist daher ständig im Einsatz, um die potenziellen „Parasiten-Frequenzen“ zu finden und zu schließen. In Le Mans sind fünf Spezialisten unterwegs, bei den Olympischen Spielen in Paris wird die Zahl auf mehr als 200 steigen.
Für die Zukunft des Rennens plant der Veranstalter ACO bis zum Jahr 2030 eine nachhaltige Ausrichtung. Dazu gehören unter anderem die Überlegung, eine Formel für Rennwagen mit Wasserstoffantrieb zu entwickeln und 30 Prozent weniger CO2 zu produzieren, wobei die restlichen 70 Prozent durch gezielte Maßnahmen ausgeglichen werden sollen und eine Recyclingquote von 80 Prozent des Abfalls. Außerdem werden die Zuschauer gebeten, umweltschonend, also mit Elektroautos oder Hybridmodellen anzureisen. Dafür gibt es das so genannte Green Ticket, mit dem die ACO einen Nachlass von zehn Prozent auf den Eintritt ermöglicht. In diesem Jahr wurden immerhin 10.000 dieser Tickets abgesetzt. (cen/Walther Wuttke)
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Le Mans 2024:Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Racing
Le Mans 2024:Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Racing
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Tacing
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
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Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Tacing
Le Mans 2024:Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Racing
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
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Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Tacing
Le Mans 2024.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Racing
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota Gazoo Tacing
Le Mans 2024: Die Siegerehrung.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota
Le Mans 2024: Die Fahrerparade am Tag vor dem Start (hier das am Ende mit 14 Sekunden Rückstand zweitplatzierte Toyota-Trio).
Foto: Autoren-Union Mobilität/Guido Borck
Le Mans 2024: Die Fahrerparade am Tag vor dem Start.
Foto: Autoren-Union Mobilität
Le Mans 2024: Suchspiel vor dem Start – wo sind die Autos?
Foto: Autoren-Union Mobilität/Walther Wuttke
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Walther Wuttke
Le Mans 2024:Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Toyota
Le Mans 2024: Toyota GR010 Hybrid.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Walther Wuttke