Lucid-Europachef Alexander Lutz: „Das Beste aus beiden Welten.“

Der amerikanische Spezialist für Elektrofahrzeuge Lucid expandiert nach Europa und stellt sich der Konkurrenz der etablierten Premiumhersteller. Dabei setzt die junge Marke auf die Kombination von Software-Experten aus dem Silicon Valley und Spezialisten für die Automobilentwicklung, um, so Europachef Alexander Lutz, das „beste aus beiden Welten zu konzentrieren“. Im nächsten Jahr wird die Modellpalette um das SUV Gravity ausgeweitet und 2026 folgt ein Modell in der Mittelklasse.

Mit der Transformation zur Elektromobilität sind zahlreiche neue Hersteller auf den Markt gekommen. Was ist das Besondere an Lucid?

Lutz: Lucid zeichnet der Ingenieur-Ansatz aus, und das bedeutet, das beste und innovativste in einem Gesamtpaket zu entwickeln. Dabei hilft uns der Standort USA ganz erheblich. Wir entwickeln im Silicon Valley und produzieren in Arizona. Entscheidend ist für uns die Kompromisslosigkeit. Denn meistens hat man entweder Leistung, aber keine Effizienz oder gutes Design und keinen Platz, aber andere Abstriche, und das unterscheidet uns vom Wettbewerb.

Das Silicon Valley hat nun aber nicht unbedingt den Ruf als Entwicklungsstandort für Automobile, sondern vielmehr für Software und Konnektivität. Warum hat Lucid diese Region gewählt?

Lutz: Wir haben die besten Talente aus allen Teilen der Welt geholt. Und das Silicon Valley hat uns ermöglicht, die besten Software-Experten zu rekrutieren, die nicht aus dem Automobilbereich kommen. Das hat uns sehr geholfen. Schließlich wird dieses Thema auch für die, sagen wir alte Industrie, immer wichtiger. Aber daneben haben wir Spezialisten für die Automobilentwicklung geholt, die dank ihrer Erfahrung wissen, wie man ein Auto baut, sodass wir das Beste aus beiden Welten an unserem Standort konzentriert haben. Das Silicon Valley hat außerdem den Vorteil, dass man Talente aus allen Teilen der Welt bekommt, was an anderen Standorten so nicht möglich ist.

Was macht Lucid anders als die etablierten Hersteller?

Lutz: Eben, weil wir kein etablierter Hersteller sind, konnten wir bei Null anfangen und haben uns von Anfang an auf das Elektroauto konzentriert. Wir haben keinen Rucksack, den wir mit uns herumschleppen. Wir wollen das beste Auto der Welt bauen, und der Air ist das beste Beispiel dafür. Es gibt kein anderes Auto, dass so viel kann wie der Air. Hinzu kommt die emotionale Bindung, auch da haben wir viel zu bieten. Unsere Modelle sollen Spaß machen. Viele unsere Entwickler fahren privat ein älteres M-Modell. Das sind Autos, die Spaß machen, und das fließt in unsere Modelle ein. Wir testen viel in Deutschland auf der Autobahn und auf dem Nürburgring. Wir arbeiten viel an der Aerodynamik, und das Ergebnis ist das mit einem Cw-Wert von 0,197 aerodynamisch günstigste Serien-Fahrzeug. So erreichen wir Reichweiten von mehr als 800 Kilometern.

Bisher sind die Stückzahlen von Lucid überschaubar. Wie viele Autos haben Sie bisher abgesetzt und welche Ziele haben Sie?

Lutz: Wir sind aktuell bei 15.000 Autos auf der Straße. Wir stehen noch am Anfang und haben einen großen Ausbau vor uns. Wir setzen sowohl auf digitalen Vertrieb und bauen gleichzeitig das physische Erlebnis in unseren Studios und auf Events weiter aus. Zudem bieten wir verstärkt Probefahrten zu Hause an, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, unsere Modelle zu erfahren und zu erleben. Da wir in den Volumenmarkt vorstoßen wollen, ist künftig eine Zusammenarbeit mit Partnern durchaus denkbar und sinnvoll. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Händlern ins Gespräch kommen müssen. Die Fabrik in Arizona hat zurzeit eine Kapazität von 10.000 Fahrzeugen, soll aber auf 300.000 wachsen.

Wann ist dieses Ziel erreicht?

Lutz: Unser Plan sieht vor, dass wir mit unserem SUV Gravity einen großen Sprung machen werden. Danach kommt ein Modell im mittleren Segment. Der Markt für den Air als Limousine ist überschaubar und nicht so groß wie für ein SUV und ein mittleres Modell. Wenn wir unser Produktportfolio auf drei Modelle vergrößert haben, erreichen wir die anvisierte Zahl.

Wer steht hinter Lucid?

Lutz: Der Public Investment Fund aus Saudi-Arabien ist der größte Anteilseigner. Wir sind Teil der 2030-Strategie des Königreichs. Als Investor ein sehr zuverlässiger Partner. Lucid hat seine Wurzeln in der Batterietechnologie und eine langjährige Expertise in der Entwicklung und Herstellung von Elektromotoren. Unsere Technologie ist seit Jahren in der Formel E im Einsatz, was sich direkt in unserem Air widerspiegelt.

Es ist aber schon überraschend, dass Lucid jetzt schon nach Europa kommt? Meistens sichern sich neue Hersteller zuerst ihren Heimatmarkt, bevor sie sich auf neue Märkte wagen.

Lutz: Europa ist die Champions League. Wenn man ein Auto auf der Autobahn und dem Nürburgring entwickelt und dabei Weltrekorde gebrochen hat, dann weiß man, dass man mit den Besten konkurrieren kann. Wir sind eine globale Premiummarke, und deshalb haben wir beschlossen, nach Europa und vor allem nach Deutschland zu gehen, denn der deutsche Markt ist der wichtigste und am meisten umkämpfte Markt der Welt.

Wie will Lucid seine potenziellen Kunden erreichen?

Lutz: Wir sind aktuell in München und Düsseldorf vertreten, und werden dieses Jahr noch Stützpunkte in Frankfurt und Hamburg eröffnen, sodass wir in Deutschland vier Studios haben. Stuttgart und Berlin werden Anfang kommenden Jahres folgen. In der Schweiz sind wir in Zürich und Genf vertreten, zudem haben wir Studios in Hilversum nahe Amsterdam und in Oslo. An diesen Standorten bieten wir unseren Kunden und Kundinnen Probefahrten an, informieren und begeistern für die Marke. Wir kommen auch mit unseren Autos direkt zu den Kunden, damit sie von zuhause oder vom Büro aus die Fahrzeuge testen können. Zudem sind wir sehr aktiv mit Testfahr-Events und setzen auf zeitlich begrenzte Pop-up-Studios wie gerade in Mannheim. Wir haben ein klares Ziel: Unsere Fahrzeuge erlebbar und erfahrbar zu machen. Sehr wichtig ist auch das Thema Service. Bis Ende 2024 bauen wir die Zahl unserer Servicepunkte auf mehr als 50 aus. Nicht alle werden dabei so groß sein wie unsere neu eröffneten Service-Center in München und Zürich. Neben den physischen Servicestationen setzen wir auf mobile Servicefahrzeuge, mit denen wir immer in der Nähe unserer Kunden sind und direkt und ohne lange Wartezeiten Service anbieten.

Lucid hat sich den Markennamen „Earth“ gesichert. Ist das ein Hinweis auf ein neues Modell, oder anders gefragt, was kommt nach dem Gravity auf den Markt?

Lutz: Nach dem Gravity im nächsten Jahr kommt ein Midsize-Modell, das vom Volumen her für uns das wichtigste sein wird. Das Auto wird alles, was wir bisher gezeigt haben, verinnerlichen. Also ein sehr großes Platzangebot, sehr gute Leistungsdaten und eine hohe Reichweite sowie Innovationen im Software- und Hardwarebereich. Das Modell wird im Jahr 2026 in den USA auf den Markt kommen und danach in Europa.

Was macht sie optimistisch, dass Lucid im von deutschen Marken beherrschten Premiumbereich erfolgreich sein kann?

Lutz: Ich glaube, dass diese Hersteller noch keinen Konkurrenten hatten, der technisch so stark ist. Der Lucid Air ist die schnellste und effizienteste Limousine der Welt mit einem Platzangebot wie in keinem anderen Modell und Software aus dem Silicon Valley. Es gibt kein Unternehmen, das sich so auf die Entwicklung des besten Produkts konzentriert wie Lucid. Das ist das Verdienst von unserem CEO Peter Rawlinson und den vielen Top-Ingenieurinnen und Ingenieuren bei Lucid, die wissen, wie man ein Auto in Bezug auf Software und noch wichtiger Mechanik perfekt abstimmt. Diese Erfahrung kommt aus dem Rennsport, und das spürt man in unseren Fahrzeugen.

Lucid ist mit Aston Martin eine Partnerschaft eingegangen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Lutz: Aston Martin wird die Lucid-Technologie in Zukunft für seine Elektromodelle nutzen. Außerdem sind wir in Gesprächen mit anderen Herstellern, die an unserer Soft- und Hardware interessiert sind. Wir verstehen uns auch als Systemlieferant.

Welche Märkte hat Lucid noch im Visier?

Lutz: Wir werden in Zentraleuropa expandieren, aber der Fokus liegt eindeutig auf Deutschland, und wir werden hier weitere Studios eröffnen. Zurzeit sind wir in der Schweiz, Deutschland, Niederlande und Norwegen vertreten.

Wo sehen Sie Lucid in fünf Jahren?

Lutz: In fünf Jahren sehe ich Lucid als einen etablierten Premium-Hersteller mit drei Modellreihen, sehr zufriedenen Kundinnen und Kunden, der die Elektromobilität und die Mobilität als Ganzes auf ein neues Niveau gehoben hat. Und in fünf Jahren wird auch nicht mehr darüber diskutiert, welcher Antrieb der Beste ist. (cen)


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Bilder zum Artikel

Lucid Europa-Chef Alexander Lutz.

Lucid Europa-Chef Alexander Lutz.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Lucid


Lucid Air Pure RWD.

Lucid Air Pure RWD.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Lucid


Lucid Air Pure RWD.

Lucid Air Pure RWD.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Lucid


Lucid Air Pure RWD.

Lucid Air Pure RWD.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Lucid


Genf 2024: Lucid Gravity.

Genf 2024: Lucid Gravity.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Andreas Herker


Lucid Gravity.

Lucid Gravity.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Lucid