Praxistest Kia Niro PHEV: Crossover fürs grüne Gewissen
18. August 2024 Von Frank Wald, cen
Beim Kia Niro gelingt das sogar auf äußert attraktive und komfortable Weise. Die zweite Genenation des seit 2016 angebotenen Crossovers hat gegenüber dem Vorgänger nicht nur in Größe und Geräumigkeit, sondern auch in punkto Präsenz und Ausstrahlung zugelegt. Um 6,5 Zentimeter auf 4,42 Meter in der Länge sowie zwei Zentimeter auf 2,72 Meter Abstand zwischen den Achsen streckt sich der Wagen, was neben der bequemen Kopf- und Beinfreiheit vorne wie hinten auch für strammere Proportionen sorgt.
Die Front nimmt sich ein Beispiel am großen SUV-Bruder Sportage, mit flach abfallender Motorhaube, auf dem der artifizielle Kia-Schriftzug sehr präsent thront, großen Lufteinlässen und angedeutetem silberfarbenen Unterfahrschutz. Ins Auge fallen die weit außen platzierten LED-Scheinwerfer, deren auffällige Tagfahrlicht-Signatur eine Kardiogramm darstellen soll. Ein echter Blickfang ist aber vor allem die Heckansicht mit dem breiten Dachkantenspoiler und der extrem breiten, schwarz hervorgehobenen C-Säule (290 Euro Aufpreis), die durch die vertikal einrahmenden Bumerang-Rückleuchten noch stärker betont wird. Sehr elegant wirkt das – wie bei unserem Testwagen – in Kombination mit der mineralblau-metallic-Lackierung und den optionalen 18-Zoll-Alurädern. Weitere schwarz abgesetzte Elemente wie Stoßfänger, Sideblades und Radläufe sowie der breite silberne Unterfahrschutz am Heck geben einen Hauch von SUV.
Das Interieur wiederum trägt Anleihen von Kias EV-Elektromodellen. Gut zu sehen am integrierten Panoramabildschirm, der das Cockpit mit zwei fast nahtlos verbundenen 10,25-Zoll-Displays für das digitale Kombiinstrument und Multimediasystem dominiert. Dabei lässt sich die Tachoeinheit über Lenkradtasten nach Bedarf individuell konfigurieren, wechselt nach Fahrmodus (Eco, Normal, Sport) die Instrumentendarstellung und zeigt auf Wunsch im Hintergrund auch eine Animation des aktuellen Wetters. Ein buchstäblicher Hingucker ist dazu das Head-up-Display, das alle wichtigen Fahrinformationen in brillanter Darstellung in die Frontscheibe spiegelt. Allerdings gibt es das nur in der Topausstattung – und kostet auch hier noch Aufpreis.
Das zweite Display ist dagegen immer an Bord und als Touchscreen ausgeführt. Intuitiv und selbsterklärend lassen sich hier alle Navigations- und Infotainment-Funktionen aufrufen und steuern. Darunter gibt es, flankiert von zwei analogen Drehknöpfen, eine doppelt belegte Multi-Mode-Bedienleiste, die auf verlängertem Fingertipp die Funktionen der digitalen Touchtasten ändert, von Klimatisierung auf Infotainment und umgekehrt. So lassen sich beide Systeme sehr einfach und schnell bedienen, ohne tief ins Menü eintauchen zu müssen – vorausgesetzt, man hat zuvor auf dem Panel die kleine, orangefarben markierte Umschalttaste entdeckt und auch etwas länger gedrückt.
Eindeutiger und blind zu bedienen sind dagegen der Start-Stopp-Knopf und platzsparende Gangwahl-Drehschalter auf der glänzend-schwarz lackierten Konsole im Mitteltunnel, der von den Tasten für die Sitzklimatisierung, Lenkradheizung und EV-Funktion flankiert wird. Zwei variable Getränkehalter und ein induktives Smartphone-Ladefach sind ebenfalls in Griffnähe – auch wenn letzteres nicht wirklich gut funktionierte, weil es die drahtlosen Ladevorgänge in schöner Regelmäßigkeit unterbrach. Besser klappt es mit den USB-A- und USB-C-Schnittstellen darüber sowie an den Seiten der Vordersitze oder dem optionalen 220-Volt-Anschluss an der Rückseite der Tunnelkonsole.
Ansonsten ist das wohnliche Interieur aufgeräumt und aufgeschäumt. Was man vor sich sieht und greift, fühlt sich wertig und gut gearbeitet an – abgesehen vielleicht von den Türinnenseiten, die großflächig aus billigem Hartplastik gearbeitet sind. Die ergonomischen Sitze sind bequem, in der passenden Ausstattung elektrisch vielfach zu verstellen sowie beheiz- und belüftbar. Hinten geht es etwas enger zu, auch wenn zwei Erwachsene immer noch ausreichend Platz finden. Viel Gepäck geht dann allerdings nicht mehr rein. Im Gegensatz zu seinen Hybrid- und EV-Modellzwillingen räumt der Plug-in-Hybrid hinter den aufgestellten Rücksitzlehnen nur schlappe 348 Liter rein. Werden die nach vorn geklappt, entsteht eine nahezu ebene Ladefläche, die 1342 Liter aufnehmen kann. Pfiffig ist dabei die flexible Kofferraumabdeckung, die den nötigen Sichtschutz bietet, aber sich bei Bedarf maximal leicht zusammenzufalten lässt. In der von uns gefahrenen Topversion gehört außerdem eine sensorgesteuerte elektrische Heckklappe zur Serie.
In Fahrt gebracht wird der Kia Niro Plug-in Hybrid von einem 1,6 Liter großen Vierzylinder-Benziner mit 93 PS (69 kW), der in Kombination mit einem Elektromotor mit weiteren 62 kW (84 PS) eine Systemleistung von 171 PS (126 KW) und ein Systemdrehmoment von 265 Newtonmetern bereitstellt. Das ist allemal genug für den 1,6 Tonnen schweren Wagen, der flott und leise zur Sache geht. Auch ein Verdienst des unaufgeregt und zuverlässig schaltenden 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebes, das den Wechsel zwischen Elektro-und Verbrennerbetrieb komfortabel und nahezu unbemerkt meistert. Dies ganz besonders bei niedrigen Geschwindigkeiten. Geht es auf der Landstraße oder Autobahn mal zügiger voran, überträgt der Vierzylinder seine Mühen in den offensichtlich wenig gedämmten Innenraum deutlich hörbar. Was bei einem Blick ins Datenblatt aber auch nicht weiter verwundert: Für den Sprint auf Tempo 100 braucht der Wagen 10,6 Sekunden und die Spitze ist auf 153 km/h limitiert.
Dafür zeigt der Niro PHEV in der Stadt seine Talente. Mit seinen übersichtlichen Maßen und der guten Rundumsicht lässt es sich gekonnt rangieren. Und bei niedrigen Geschwindigkeiten ist er hier – mit aufgeladener Batterie – sogar durchgängig elektrisch unterwegs. Bis zu 76 Kilometer gibt Kia für die Stadt und 59 Kilometer im WLTP-Modus für die Version mit 18-Zoll-Rädern an. Mehr als 60 Kilometer haben wir auch selten erreicht, aber voll aufgeladen reichten uns dann tatsächlich knapp zwei Liter Sprit auf 100 Kilometer. Und selbst mit leerer Batterie blieb es im städtische Stop-and-Go bei knapp fünf Litern, weil dann aus dem Plug-in- ein normaler Hybrid wird, der die Energie aus Bremsen und Schubbetrieb wieder zurückgewinnt.
Für eine volle Ladung reicht das natürlich nicht. Dafür muss er an die Steckdose. Und hier hat der Niro Plug-in-Hybrid inzwischen ein Problem. Denn die 11,1 kWh-Batterie kann nur mit maximal 3,3 kW geladen werden, was in der Praxis weit über drei Stunden bedeutet, um den Elektronenspeicher wieder aufzufüllen. Mal eben beim Einkauf im Supermarkt die Batterie aufladen, wie das inzwischen bei einigen Konkurrenten möglich ist, entfällt damit. Immerhin besitzt der Niro PHEV nun eine neuartige Hochvoltheizung, die dafür sorgen soll, dass im Winter die elektrische Reichweite nicht in die Knie geht.
Zum Fahrprofil des urbanen Gleiters passt auch die leichtgängige Lenkung, die dennoch bei höheren Tempo gern ein wenig straffer hätte ausfallen können. Auch das Fahrwerk ist, selbst mit den 18-Zöllern, betont komfortabel gestimmt. Querfugen und Gullideckel nimmt es gekonnt lässig, erst bei Asphaltaufbrüchen und kurzen Stößen wird es etwas stuckerig. Doch insgesamt überzeugt der Wagen mit einem sehr ausgeglichenem Fahrverhalten.
Vorbildlich ist die Serienausstattung, eher nickelig die Aufpreisgestaltung. Die Basisversion „Edition 7“ kostet aktuell ab 38.690 Euro, darin enthalten u.a. bereits das 10,25-Zoll-Infotainment samt Navi, Over-the-Air-Updates und Smartphone-Integration, 2-Zonen-Klimaautomatik, Parksensoren hinten plus Rückfahrkamera, Sitz- und Lenkradheizung, 16-Zoll-Leichtmetallräder sowie ein Frontkollisionswarner mit Abbiegefunktion, Fernlicht-, Geschwindigkeit- und Spurhalteassistent inklusive Lenkeingriff und ein Abstandstempomat mit Stop&Go-Funktion immer an Bord.
In der von uns gefahrenen Topversion „Spirit“ kommen neben den erwähnten Dual-LED-Scheinwerfern, dem integrierten Panoramadisplay und induktiven Ladefach für Smartphones, der elektrischen Heckklappe und den 18-Zoll-Alufelgen noch ein Premium-Soundsystem von Harmon /Kardon, Sitzbezüge in Ledernachbildung sowie ein Autobahn-, Totwinkel- und Ausstiegsassistent und ein Querverkehrswarner mit Notbremsfunktion hinzu. Kostenpunkt: ab 44.090 Euro.
Bei den Optionen wird’s dann hakelig. Nicht nur sind das Head-up-Display in Kombination mit einem Auspark-Kollisionsvermeidungs- und ferngesteuertem Remote-Parkassistenten für 1290 Euro Aufpreis ausschließlich in der Topversion verfügbar. Ebenso wie das gleich teure „Relax-Paket“ mit dem zur Liege umlegbaren Beifahrersitz, Sitzheizung und 220-Volt-Steckdose hinten. Auch die metallic-schwarz lackierte C-Säule ist nur in der Ausstattung Spirit zu haben. Die kostet dann zwar nur 290 Euro, doch gibt es diese Option – warum auch immer – nur in Verbindung mit den beiden erstgenannten Paketen, heißt also nochmal 2580 Euro drauf. Gleiches gilt für das „Glasdach-Paket“ für 690 Euro, unter anderem mit elektrischem Glas-/Schiebe-Hubdach und LED-Gepäckraumbeleuchtung und -Lesespots vorn. So läpperte sich der Preis unseres Testwagens am Ende auf über 48.000 Euro. Für ein paar Hunderter mehr (48.990 Euro) gäb‘s dann auch schon den größeren SUV-Bruder Sportage mit Stecker. (cen)
Daten Kia Niro 1.6 GDI Plug-in-Hybrid
Länge x Breite x Höhe (m): 4,42 x 1,83 x 1,55
Radstand (m): 2,72
Antrieb: Plug-in-Hybrid, Front, 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Systemleistung: 125,8 kW / 171 PS
Max. Drehmoment: 265 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 153 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 10,6 Sek.
Verbrauch Benziner (WLTP): 1,0 l
Energieverbrauch (WLTP): 14,0 kWh
CO2-Emissionen (WLTP): 23 g/km
Batteriegröße: 11,1 kWh
Reichweite (WLTP): 59 km
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 1594 kg / max. 466 kg
Kofferraumvolumen: 348-1342 Liter
Basispreis: 38.690 Euro
Testwagenpreis: 48.350 Euro
Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia