Plug-in-Hybrid – von Kunden geliebt, von Brüssel nicht
29. August 2024 Von Guido Reinking, cen
Denn nicht nur Kunden lieben ihren PHEV, auch die Automobilindustrie, die hier das Beste aus zwei Welten unter die Haube bringt: Ein Elektroantrieb mit Batterie, die sich am Stromnetz wieder aufladen lässt und ein Verbrennungsmotor. Strecken von bis zu 100 Kilometer und mehr lassen sich elektrisch zurücklegen, dann springt der Benziner ein. Auf dem Papier sieht das Konzept überzeugend aus. Statt hunderte Kilo an Batterien herumzuschleppen, die 50 oder 70 kWh Strom speichern können, begnügen sich PHEVs meist mit einem kleinen Akku für 10 bis 20 kWh.
Der Antrieb kommt an – zumindest bei den Kunden. Das beweisen die Verkaufszahlen: Im Juli waren rund 15.000 der 46.000 Elektrofahrzeuge PHEVs, ein Wachstum von 3,2 Prozent. Gleichzeitig ging die Nachfrage nach BEVs um 36,8 Prozent auf 31.000 zurück. Ein Trend, der seit Monaten anhält: Zwölf Prozent Plus bei den PHEV seit Jahresbeginn, 20 Prozent Minus bei den BEV.
Dabei wurde die Kaufprämie für beide Antriebsarten zeitgleich eingestellt. Nur der geringere Steuersatz für Firmenwagen mit Privatnutzung, 0,5 statt ein Prozent vom Listenpreis, macht Plug-in-Hybride als Dienstwagen attraktiv. Reine Elektroautos werden mit 0,25 Prozent versteuert
Auch in China erfreut sich der PHEV wachsender Beliebtheit. Das meistverkaufte Elektroauto im Reich der Mitte, der BYD Song, wird zu 85 Prozent als PHEV ausgeliefert: Von rund 300.000 verkauften Song in diesem Jahr waren nur 42.000 rein elektrisch. Beide Antriebsarten gelten in China als „New Energy Vehicle“ (NEV). Das Wachstum des NEV-Sektors kommt vor allem vom Plug-in-Hybrid: Plus 72 Prozent in diesem Jahr.
Diesen Erfolg will BYD in Deutschland wiederholen – mit dem Seal U. Das SUV fährt 70 Kilometer rein elektrisch, dann setzt ein Benziner ein. Mehr als 1000 Kilometer Reichweite verspricht BYD, erst dann muss wieder geladen oder getankt werden. Sowas können eigentlich nur Diesel.
Die EU, die Verbrennungsmotoren ab 2035 ohnehin nicht mehr neu zulassen will, hat andere Pläne: In Brüssel wird schon länger angezweifelt, dass Plug-in-Hybride einen positiven Effekt auf den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs haben. Die meisten der Modelle gehen mit einem Wert von unter 50 Gramm CO2 in die Flottenemission der Autohersteller ein. Das hilft den Unternehmen, die strenger werdenden Grenzwerte ihrer Neuwagen einzuhalten.
Sie bauen deshalb so viele PHEV wie noch nie: 187 Modelle zählt der ADAC auf dem deutschen Markt. Derzeit meist verkauftes Modell ist der Mercedes GLC 300 e 4-Matic EQ Hybrid. In der CO2-Bilanz des Herstellers schlägt er mit nur 13 Gramm pro Kilometer zu Buche, was einem Verbrauch von 0,5 Litern Benzin auf 100 Kilometer entspricht. Das erreicht das SUV aber nur, wenn er meistens elektrisch gefahren wird.
Die EU bezweifelt aber, dass PHEV so oft elektrisch unterwegs sind. Die EU ändert deshalb den Utility Faktor, wie der elektrische Nutzungsgrad genannt wird. Schon im nächsten Jahr werden die CO2-Werte der Fahrzeuge erhöht. Der Mercedes GLC EQ Hybrid, der immerhin 123 Kilometer elektrisch fahren kann, dürfte dann mit über 20 Gramm CO2 bewertet werden. Das macht es Autoherstellern wie Mercedes schwer, ihre ebenfalls strenger werdenden Flottengrenzwerte zu erreichen. 2026 kommt eine weitere Verschärfung.
„Mit den neuen Faktoren wird nun ein geringerer elektrischer Nutzungsgrad angenommen, was sich negativ auf die CO2-Bilanz der Flotte auswirkt“, heißt es beim Verband der Automobilindustrie (VDA). „Der VDA unterstützt den verabschiedeten Zwei-Stufen-Ansatz, nach dem im ersten Schritt das Fahrprofil bestimmt wird – anhand täglicher Fahrstrecken, Fahrbedingungen und dem Ladeverhalten – und erst im zweiten Schritt die Berechnung des Nutzungsfaktors erfolgt.“ Die EU lässt sich von den Herstellern die Fahrprofile der PHEV-Nutzer anonymisiert übermitteln: Wie oft laden sie ihre Autos, wie lang fahren sie elektrisch.
Nur wenn die Autohersteller größere Batterien einbauen, was die elektrischer Nutzung erhöhen soll, erreichen die OHEV weiter eine günstige CO2-Einstufung. Nur treiben die Batterien den Fahrzeugpreis in die Höhe. Der EU hofft, dass sich dadurch mehr Kunden gleich für ein BEV entschieden. Bisher kosten reine Elektroautos noch deutlich mehr als Hybride oder Verbrenner.
Die Autohersteller wollen aber das PHEV-Segment nicht kampflos aufgeben und erhöhen die elektrische Reichweite: Modelle von BMW, Range Rover und Mercedes-Benz fahren bereits mehr als 100 Kilometer rein elektrisch. Der neue Volkswagen Golf e-Hybrid, Modelljahr 2025, schafft sogar 143 Kilometer nach WLTP-Norm. Dennoch bescheinigt ihm die EU einen CO2-Wert, der schlechter sein soll als der des Vorgängers. Der kam elektrisch nicht mal halb so weit.
Der VDA sieht trotz allem für den nächsten Jahre gute Verkaufsargumente für den doppelten Antrieb: „Mindestens solange die Ladeinfrastruktur nicht flächendeckend und bedarfsgerecht ausgebaut ist, sind PHEVs ein wichtiger Baustein zur Schaffung von Vertrauen in die reine Elektromobilität.“ (cen)
Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.
Kia Niro Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Kia
Mercedes-Benz GLC Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz
Mercedes-Benz GLC Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz
BYD Seal U.
Photo: Autoren-Union Mobilität/BYD
Schauspieler Peter Lohmeyer mit seinem GWM Wey 03 Plug-in Hybrid AWD 2.0.
Photo: Autoren-Union Mobilität/GWM
Mitsubishi Eclipse Cross Plug-in-Hybrid.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Mitsubishi