Fahrbericht Polestar 3: Die Luxus-SUV-Alternative
22. September 2024 Von Frank Wald
Bei künftigen Kundengesprächen der Polestar-Verkäufer jedoch möchte man gerne mal Mäuschen spielen. Wäre es doch interessant zu hören, wie dieser dem potenziellen Käufer die Rangordnung der neuen Elektromodelle erklären wird. Denn entgegen aller branchenüblichen Zahlenwert-Hierarchien ist der Dreier als Fullsize-SUV das größere und höher positionierte Spitzenmodell, während das etwas kleinere SUV-Coupé 4 wiederum als zurzeit stärkster Polestar im Programm firmiert. Am Ende wird vermutlich die Frage nach Einsatzzweck und Design entscheiden.
Und hier geizt der Polestar 3 nicht mit seinen Vorzügen. Mit 4,90 Metern Länge mischt das Fullsize-SUV eindeutig in der Oberklasse mit und stellt sich in die Reihe von Schwergewichten wie dem BMW iX, Mercedes EQE SUV und Audi Q8 e-tron. Und wirkt trotz beeindruckender Maße im Gegensatz zu den heimischen Platzhirschen doch erstaunlich filigran und sportlich. Was nicht zuletzt an der leicht coupé-ähnlich gebogenen Dachlinie und dem reduzierten Design liegt, an dem die schwedische Herkunft gut zu erkennen ist. Eindeutig Volvo-Erbe ist die „Thors Hammer“-Lichtsignatur der Scheinwerfer.
Auch der Innenraum erscheint in typisch skandinavisch-puristischer Eleganz wie eine schicke Loft-Wohnung in Göteborgs Hipster-Viertel Linné: minimalistisch, funktional und dabei doch sehr gemütlich. Hier trifft Minimalismus auf Öko-Bewusstsein. Dabei betonen die Schweden Nachhaltigkeit und sind stolz drauf. So sehr, dass sie den CO₂-Fußabdruck der Materialien sogar groß auf die Sitze drucken. Da steht dann „MicroTech“, eine vegane Lederalternative, direkt auf dem Sitz. Stellt sich die Frage, ob dieser Umwelt-Stempel wirklich notwendig oder eher ein übertriebenes Marketing-Statement ist?
Zumal das haptische Erlebnis nicht durchgängig premium-like ausfällt, wie der Fühl- und Klopftest belegt. Etwas mehr Dämmstoff unter dem hübschen Dekor hätte vielleicht einige Stellen von Instrumententräger und Türinnenverkleidung nicht ganz so hohl klingen lassen. Wenig zu meckern gibt es dagegen an den Platzverhältnissen. Auf den mehrfach verstellbaren Frontsitzen findet jeder seine adäquate Position. Auch auf den Fondsitzen räkelt es sich bequem, bei korrekten Sitzhaltung fehlt es Langbeinigen möglicherweise an Beinauflage, aber dafür haben sie trotz abfallender Dachlinie reichlich Platz. Was für den Kofferraum nicht unbedingt gilt, 484 bis 1411 Liter sind für ein so wuchtiges Schiff nicht gerade viel. Immerhin gibt es einen kleinen „Frunk“ unter der Haube, in den das Ladekabel und Kleinkram passt.
Ein echter Hingucker ist das 14,5 Zoll große Tablet im Hochformat, über das so gut wie alles gesteuert wird, von der Einstellung der Rekuperationsstärke und Außenspiegel bis zum Öffnen des Handschuhfachs. Das ist auf den ersten Blick verwirrend, doch nach einer gründlichen Einführung durch den Verkäufer – oder in unserem Fall dem PR-Agenten – erschließt sich der logische Aufbau recht schnell. Das smarte Android Automotive-Betriebssystem stammt von Google und macht nach einigen Test-Tippereien auf dem schicken Display einen zuverlässigen Eindruck. Mittels Over-the-Air-Updates (OTA) lässt es sich noch aktualisieren und mit neuen Funktionen ausstatten. Für „Autopiloten“ gibt’s gegen Aufpreis den Level-2-Fahrassistenten, der einem kurzzeitig das Lenken abnimmt.
Apropos, insgesamt fünf Radarmodule, fünf externe Kameras und zwölf externe Ultraschallsensoren sorgen für serienmäßige Sicherheit. Darunter als neueste Innovation Radarsensoren im Innenraum, die Bewegungen im Submillimeterbereich erkennen können. Diese sollen verhindern, dass Kinder oder Haustiere unbeabsichtigt im Fahrzeuginneren zurückgelassen werden. Das System ist auch mit der Klimaanlage verbunden, um Hitzschlag oder Unterkühlung zu vermeiden. Leider gibt es aber auch die inzwischen unvermeidlichen
Fahrerüberwachung und Assistenzsystem, die mit Warnmeldungen und Tönen nerven, sobald der Fahrer mal zu lange zum Beifahrer schaut oder das Tempolimit um 1 km/h überschreitet.
Neben Optik und Interieur gibt es auch technisch Parallelen zum neuen Volvo-Schwestermodell EX90. Beide fahren auf der gleichen Scalable Product Architecture von Volvo (SPA 2), die ursprünglich für Verbrenner entwickelt wurde. Darin integriert ist hier allerdings ein 111 kWh großes Batteriepack. Und inzwischen wird der Polestar 3 auch nicht mehr nur in China, sondern wie das schwedische Pendant in der gleichen Fabrik im US-amerikanischen South Carolina gebaut – wohl um drohende EU-Strafzölle zu umschiffen.
Angeboten wird das Luxus-SUV in drei Leistungsversionen. Die Basis bildet dabei eine 220 kW (299 PS) starke Variante mit nur einem Motor auf der Hinterachse. In der Long-Range-Dual-Motor-Version kommt ein Motor auf der Vorderachse dazu, mit dem die Leistung auf 360 kW (490 PS) ansteigt. Mit einem optional bestellbaren Performance-Paket wächst die Gesamtleistung auf 380 kW (517 PS). Mit letzterem waren wir im Alpenvorland unterwegs.
Mit derart wuchtiger Leistung bestückt, ist das Fahren selbstverständlich mehr als kommod. Auch mehr als zweieinhalb Tonnen Eigengewicht hindern den Wagen nicht daran, sportwagengleich in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100 zu schnellen, dass es einen schwindelt. Vor allem bei spontanen Überholmanövern auf der Landstraße oder auf steileren Streckenabschnitten schieben die bärigen 910 Newtonmeter Drehmoment unerbittlich voran. Selbst in schnell gefahrenen und engen Kehren kaschiert der Koloss dank serienmäßiger Luftfederung und elektrischer Torque-Vectoring-Funktion leichtfüßig seine Pfunde. Auf der Autobahn wird sogar erst bei 210 km/h elektronisch der Riegel vorgeschoben.
Wobei dazu aber auch schon ein Blick auf die Verbrauchsanzeige reichen dürfte, die bei forcierter Fahrweise auch schnell über die 30-kWh-Marke springt. Und die sind zumindest an der heimischen Wallbox mit maximal 11 kW Wechselstrom nur mühsam wieder aufgefüllt. Einer der wenigen Schwachpunkte des großen SUV. Geschlagene 11 Stunden vergehen, bis der riesige Akku wieder voll ist. Belohnt wird es allerdings mit einer respektablen Reichweite, in der von uns gefahrenen Version bis zu 560 Kilometer, nochmal gut 70 Kilometer mehr ohne das Performance-Paket und in der Single-Motor-Version sogar bis zu 650 Kilometer. Schneller wieder flott ist man an einem Gleichstrom-Schnellader, wo sich die Batterie mit bis zu 250 kW in 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent vollsaugen soll. Was, wenn es denn stimmt, für ein 400-Volt-Auto eine respektable Leistung wäre.
Bleibt noch der Preis. Der ist nicht ohne. Die von uns gefahrene Performance-Version startet bei 92.190 Euro. Bei Bestellung bis zum 15. November gibt`s noch einen Rabatt von 4000 Euro. Dennoch, wer noch das Plus-Paket mit der beeindruckenden Bower&Wilkens-Dolby-Surround-Anlage mit 25 Lautsprechern inklusive Head-up-Display und heizbare Rücksitze und Lenkrad für 6000 Euro, sowie noch schicke Felgen und Farben haben möchte kratzt schnell an der 100.000-Euro-Marke. Dennoch, im Vergleich zur deutschen Konkurrenz in Form eines BMW iX xDrive50 (ab 107.900 Euro), Mercedes-AMG EQE (ab 104.800 Euro) oder Audi SQ8 e-tron (ab 99.150 Euro) immer noch eine Alternative. Und in der Single-Motor-Variante mit Heckantrieb sowie 650 Kilometer Reichweite gibt es ihn auch schon ab 78.590 Euro – fast ein Schnäppchen. (aum)
Daten Polestar 3 Dual Motor Performance
Länge x Breite x Höhe (m): 4,90 x 1,97 x 1,61
Radstand (m): 2,99
Antrieb: Elektrisch, 380 kW (517 PS), Allradantrieb, Automatikgetriebe
Max. Drehmoment: 910 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,7 Sek.
Batteriegröße: 111 kWh
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 22,1-23,0 kWh
Reichweite (WLTP): 561 km
Ladeleistung: 11 kW AC/ 250 kW DC
Leergewicht: 2660 kg
Kofferraumvolumen: 484-1411 Liter
Basispreis: 92.190 Euro
Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar
Polestar 3.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Polestar