Praxistest Hannes Camper Van 64: Alles drin im Kasten
19. November 2024 Von Michael Kirchberger
Tim Aster, seine Frau Carola und Robert Meschede haben den Reiz des Campens schon vor geraumer Zeit erkannt, mit ihrem Unternehmensnamen wollen sie ihr Faible fürs Nordische zum Ausdruck bringen. So klingt das auch irgendwie ein bisschen nach Reeperbahn, zumindest aber nach Hamburg und Waterkant.
Auch das Design der ausgebauten Kastenwagen auf Citroën- oder Fiat-Basis ist hell und luftig, orientiert sich eher am dänischen Bettenlager als an Poltrona Frau. Dabei kommen nur die Ideen für die beiden Modelle Hannes und Großer Hannes aus nördlichen Breiten. Gebaut werden sie beim slowenischen Hersteller Robeta, der sich bereits mit eigenen Premiumausbauten einen guten Namen gemacht hat.
Das Ambiente an Bord ist lässig. Die Möbelklappen sind cremeweiß, die Korpora und der Tisch mit herausdrehbarer Verlängerung in graubeiger Farbe gehalten. Die linke Reihe der Dachstaukästen im Heck hat herkömmliche Klappen mit einem überaus soliden Schließmechanismus, rechts hingegen finden sich offene Fächer, die wie ein Regal wirken und ihren Inhalt dank feiner Spanngummis bei Kurvenfahrten dennoch sicher bewahren. Die Polster sind hell und kaum fleckenempfindlich, filzartiges Material verkleidet die Wände. Überhaupt ist der Hannes ein Meister der Ressourcenschonung. Die Möbel bestehen größtenteils aus recyceltem Kunststoff, er geht allerdings auch sehr schonend mit Farben um. Einzig Grau und Cremeweiß sind im Angebot, eine Wahlmöglichkeit gibt es hier nicht.
Der Grundriss ist vertraut und ein Klassiker im 6,40-Meter-Club. Hinten ein Doppelbett, in dem längs oder quer geschlafen werden kann, links der Waschraum und eine Halbdinette, rechts eine lange Küchenzeile, in deren vorderem Teil ein Kompressorkühlschrank mit 70 Litern Volumen und wechselseitig angeschlagener Tür eingebaut ist. So wahrt er eine achtungsvolle Distanz zum Bett, weshalb die üblichen Arbeitsgeräusche des Kompressors dort kaum zu vernehmen sind, zumal ein halbhoher Wäsche- oder Kleiderschrank zwischen Pantry und Schlafabteil zusätzlich für Abstand sorgt. Fünf rollengelagerte Auszüge und ein Dachstauschrank bieten reichlich Platz für Vorräte und Geschirr, Töpfe und Pfannen sollten jedoch nicht zu groß sein, denn der zweiflammige Gaskocher mit freistehenden Brennern schafft nur einmal 24 Zentimeter Durchmesser, der zweite Tiegel muss dann ein kleineres Format haben.
Großformatig ist dagegen die Edelstahlspüle der Küche, die mattschwarze Armatur von Grohe stellt manch heimische Batterie in den Schatten. Auch den Waschraum veredelt ein Einhebelmischer der Premiummarke, ist hier allerdings mit einem entscheidenden Nachteil behaftet. Da sich die Armatur nicht seitlich wegdrehen lässt, ist der Wasserhahn beim Zähneputzen oder auch nur beim Waschen stets im Weg. Das gläserne schwarze Waschbecken sieht ebenfalls todschick aus, ist aber auch ein Stolperstein beim Duschen.
Ein Highlight bieten die Liegeflächen des Heckbetts. Zwar sind sie mit maximal 1,85 Meter Länge für ausgewachsene Hünen nur bedingt tauglich, bieten aber mit gutem Unterbau und qualitativ hochwertiger Matratze ausgezeichnete Voraussetzungen für erholsamen Schlaf. Und sie lassen sich mittig hochklappen, im Loungestyle kann so der Blick auf das Ostseepanorama oder die Zugspitze durch die geöffneten Hecktüren besonders gut schweifen. Weniger durchdacht ist die Mechanik des mittig geteilten Betten-Unterbaus. Denn um etwa Fahrräder oder anderes Sperrgepäck zu transportieren, muss mindestens eine Seite hochgeklappt werden. Eine Halterung, mit dem das Gestell dann in halber Höhe arretiert werden könnte, fehlt jedoch.
Sehr schick und hilfreich ist der durch die Flügeltür erreichbare rollengelagerte Schubkasten im Heckkofferraum für alle erdenklichen Ausrüstungsgegenstände. Schlecht dagegen ist die Fünf-Kilogramm-Gasflasche untergebracht. Es gibt nur eine zu kleine und obendrein schwergängige Klappe um das Flaschenventil zu öffnen. Um den Stahlzylinder zu wechseln muss die komplette Bettunterlage hochgestemmt werden.
Dafür spart Hannes Camper nicht an Steckdosen. Drei 230-Volt-Zapfstellen finden sich an den passenden Plätzen, ebenso viele USB-Ports und zweimal gibt es herkömmliche 12-Volt-Buchsen. Für die Verschattung der Frontscheibe dient eine nach oben schließende Jalousie, die jedoch schwergängig ist und vor allem im Ruhezustand einen kleinen Teil der Scheibe verdeckt und so die Sicht direkt vor die Motorhaube einschränkt. Die Verarbeitung hingegen ist perfekt, nichts knarzt oder klappert, dadurch lassen sich mit dem „Großen Hannes“ auch längere Strecken entspannt bewältigen.
Der Große Hannes ist mit einem Komplettpreis von 87.700 Euro (einschließlich TV-Sat- und Elektropaket mit Solaranlage und Wechselrichter für jeweils 2900 Euro) kein Mobil, das jemand im Vorbeigehen kauft. Aber er ist ein außerordentlich attraktives Angebot mit einer umfassenden Ausstattung, bei der auch eine Markise, eine Außendusche, das Navigationssystem, die Dieselheizung, 16-Zoll-Leichtmetallräder und sogar eine elektrische Abwasserentleerung nicht fehlen. Kleine Nickeligkeiten sind zu verschmerzen und die eingeschränkten Optionen zur Individualisierung zu ertragen. (aum)
Daten Hannes Camper Van 64
Länge x Breite x Höhe (m): 6,36 x 2,05 x 2,65
Radstand (m): 4,04
Motor: 4-Zyl.Diesel, Hubraum 2179 ccm, FWD, 6-Gang-Getriebe
Leistung: 121 kW / 165 PS bei 3500 U/min
Max. Drehmoment: 370 Nm bei 1750 U/min
Leergewicht: 2999 kg
Zuladung: 501 kg
Max. Anhängelast: 2500 kg
Stehhöhe: 1,95 m
Schlaf-/Sitzplätze: 2/4
Frisch-/Abwassertank: 112 Liter / 80 Liter
Testverbrauch: 10,3 l/100 km
Basispreis: 81.900 Euro
Testwagenpreis: 87.700 Euro
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Hannes Camper Van 64.
Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger
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Hannes Camper Van 64.
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Hannes Camper Van 64.
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