Silence S04: Schmalspur-Schleicher für jung und alt

Die Stellantis-Gruppe hat es mit Citroen Ami, Opel Rocks-e und Fiat Topolino vorgemacht, nun steigt auch Nissan in den Markt der elektrisch betriebenen Leichtkraftfahrzeuge ein. Mit dem Silence S04 des spanischen Mikromobil-Herstellers Acciona, für den die Japaner den Vertrieb übernehmen. Der nur 2,28 Meter lange, 1,27 Meter schmale, aber 1,57 Meter hohe Elektro-Zweisitzer richtet sich vorzugsweise an junge Menschen, aber auch Senioren im urbanen Umfeld, die auf eine individuelle, ÖPNV-unabhängige und wetterfeste E-Mobilität setzen. Ganz sicher eine große Marktlücke – wären da nicht die heftigen Preise.

Ab 11.995 Euro bietet Nissan das Nanocar Silence S04 zurzeit über zehn seiner Vertragshändler an, weitere sollen folgen. Dafür gibt es den Elektrozwerg in der L6e-Version, die auf eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h begrenzt auch von 15-Jährigen mit Führerscheinklasse AM gefahren werden kann. Darüber rangiert eine L7e-Variante mit 70 bis 85 km/h, für die der reguläre Führerschein der Klasse B notwendig ist. Diese kostet mindestens 14.095 Euro. Beide Ausführungen sind wahlweise mit einer oder zwei herausnehmbaren 5,6-kWh-Batterien zu haben.

Der einzelne Akku soll für 75 Kilometer reichen, im Doppel sollen 149 Kilometer (L7e) beziehungsweise 175 Kilometer (L6e) möglich sein. Die höheren Reichweite kostet jeweils 2650 Euro extra, so dass sich der Preis für die teuerste Version auf 16.745 Euro summiert. Das ist eine Stange Geld für die beschränkten Einsatzmöglichkeiten eines Mikromobils, das weder den Komfort noch die Sicherheit eines richtigen Pkw mitbringt. Für das Geld gäbe es auch schon ein richtiges E-Auto wie den Dacia Spring sowie einen gebrauchten Smart Fortwo oder Fiat 500e.

Doch der Silence S04 hat seine Vorzüge, wie wir bei einer ersten Probefahrt herausgefunden haben. Eine davon ist die schmale Form und der extrem kleine Wendekreis von 3,5 Metern, mit denen man fast wie ein Motorrad auch kniffligste Engstellen passieren kann. Dennoch gibt es in der gegen alle Wetterunbillen geschützten Fahrerkabine zwei nebeneinander, leicht versetzt angeordnete und verstellbare Sitze, auf denen man sich alleridngs sehr nahe kommt. Dafür sitzt man vergleichsweise bequem und hoch, mit einem guten Überblick über das Verkehrsgeschehen. Dazu kommt ein 247 Liter großer Kofferraum, viel mehr haben Smart Fortwo oder Fiat 500e auch nicht. Im kommenden Jahr soll eine Cargo-Version mit zusätzlichem Transportvolumen folgen.

Und auch die serienmäßige Ausstattung lässt sich für ein Leichtfahrzeug sehen. Dazu gehören Seitentüren mit veganen Kunstledereinsätzen und elektrische Fensterheber, LED-Scheinwerfer und Zentralverriegelung, Heizung und Klimaanlage, ein Multifunktionslenkrad samt Digitalanzeige im Cockpit sowie ein Audiosystem mit Bluetooth-Schnittstelle. Zur Grundausstattung zählt außerdem eine Smartphone-Halterung mit mehreren Anschlüssen, mit der das Handy aufgeladen wird, und zugleich via Google Maps als Navigationssystem fungiert. Über eine App kann der Ladezustand der Batterien überwacht sowie das Fahrzeug geöffnet, verschlossen und gestartet werden.

Angetrieben wird das Mikromobil von zwei Radnabenmotoren an der Hinterachse. Die bringen es in der L7e-Variante mit zwei Batterien auf 14 kW (19 PS) Dauer- und 22 kW (30 PS) Spitzenleistung, mit der das samt Fahrer und Akkus rund 600 Kilogramm leichte Gefährt schnell auf Trab kommt – zumindest innerhalb des urbanen Tempolimits, das mit weniger als sieben Sekunden angegeben ist. Doch auch hinterm Ortsausgangsschild hält die rollende Fahrgastzelle im Sportmodus bis zu den abgeregelten 85 km/h locker mit. Bei einem kurzen Abschnitt über die Autobahn zeigte der Digitaltacho im Sportmodus sogar konstant 90 km/h an. Allerdings sollte man die Schnellstraßen besser meiden. Zum einen wegen der verwunderten bis genervten Blicke der überholenden Brummi- und Pkw-Fahrer. Zum anderen wegen der lauten Fahr- und Windgeräusche, weil der E-Zwerg für die Einhaltung seines Normgewichts von maximal 450 Kilogramm auf jegliche Dämmung verzichten muss.

Und nicht nur akustisch fühlen sich Fahrzeug und Fahrer bei niedrigeren Geschwindigkeiten wohler. Fahrwerk und Federung verhalten sich angesichts des kurzen Radstands etwas holperig. Vor allem enge Kurven und Kreisverkehre nimmt man besser mit verhaltenem Pedaldruck, weil der hohe und schmale Aufbau mit einer ordentlichen Seitenneigung verbunden ist. Auch die Bremsen, die ohne Verstärker, ABS oder gar ESP arbeiten, müssen sehr vorausschauend eingesetzt werden, will man rechtzeitig vor dem Hindernis zum Stehen kommen. Umgekehrt reagieren die Radnabenmotoren für ein E-Mobil etwas zu träge, um an der Kreuzung oder aus einer Parklücke schnell in den fließenden Verkehr einzufädeln.

Sehr praktisch dagegen sind die maximal zwei Batterien unter den Sitzen, die einzeln herausgezogen werden können, um sie an der heimischen Steckdose oder am Arbeitsplatz wieder aufzuladen. Dazu werden sie entriegelt, wodurch ein Teleskopgriff an der Oberseite freigelegt wird und beim Herausziehen kleine Rädchen an der Unterseite ausklappen. So lässt sich das 41 Kilogramm schwere Akku-Paket wie ein Trolley zur nächsten Stromquelle ziehen, wo es dann zwischen sieben und neun Stunden dauert, um vollständig aufzuladen. Je nach Land soll es künftig auch Batterietauschstationen geben, in denen der leere Akku innerhalb von 30 Sekunden gegen einen geladenen gewechselt werden kann. Perspektivisch könnten nach dem Aufbau einer Infrastruktur dieser Swapping-Stationen Kunden das Nanocar S04 auch ohne Akkus kaufen und dann nur für die Nutzung des Stromspeichers und den Fahrstrom zahlen.

Die gleichen Batterien stecken übrigens auch in den zweirädrigen Scootern Silence S01 und S02, die Nissan ebenfalls in Kooperation mit dem spanischen Mikromobil-Hersteller Acciona anbietet. Mit einem entsprechenden Wechselrichter kann der einzelne Akku außerdem als mobile 230-Volt-Stromquelle genutzt werden, um externe Geräte wie Camping-Kühlboxen, Party-Lichtanlagen oder, wie bei der Präsentation des Fahrzeugs, ein Popcorn-Automat zu betreiben.

Unterm Strich liefert Nissan mit dem Silence S04 eine Mischung aus Stadtflitzer, E-Roller und Mini-Auto. Der charmante, nur 2,28 Meter kurze Zweisitzer punktet mit urbaner Wendigkeit, cleverem Batterie-Konzept und überraschend üppiger Ausstattung. Damit dient er als spezielle Alltagslösung für junge Stadtbewohner – und vielleicht auch ältere Semester, die auf Effizienz statt Status setzen. Aber: Bei einem Einstiegspreis von knapp 12.000 Euro stellt sich die Frage, ob das kleine E-Mobil nicht eher eine große Lücke im Portemonnaie hinterlässt als auf dem Markt. Denn mit den schnelleren und reichweitenstärkeren Varianten, die bis zu 16.745 Euro kosten, konkurriert der Silence S04 schon mit „richtigen“ E-Autos wie dem Dacia Spring. (aum)

Daten Silence S04 L7e

Länge x Breite x Höhe (m): 2,28 x 1,27 x 1,57
Radstand (m): k.A.
Antrieb: Elektrisch, 2 Radnabenmotoren, Direktantrieb, 14-22 kW (19-30 PS)
Max. Drehmoment: k.A.
Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h
Beschleunigung 0 auf 50 km/h: < 7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 16,2 kWh
Batteriekapazität: 11,2 kWh
Reichweite (WLTP): 149 km
Max. Ladeleistung: k.A.
Max. Ladezeit: 7-9 Stunden
Leergewicht / Zuladung: 435 kg /k .A.
Kofferraumvolumen: 247 Liter
Preis: 16.745 Euro


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Silence S04.

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Photo: Nissan via Autoren-Union Mobilität


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Nissans Nanocar Silence 04 und Autor Frank Wald.

Nissans Nanocar Silence 04 und Autor Frank Wald.

Photo: Frank Wald via Autoren-Union Mobilität