Los Angeles 2024: Der Elektro-Entzug beginnt
25. November 2024 Von Jens Meiners
Wer befürchtet hat, dass im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen Proteste ausbrechen würden, darf aufatmen. Viele US-amerikanische Demoskopen hatten den Sieg von Donald Trump bereits vorausgesehen, lediglich das Ausmaß des Vorsprungs überraschte. Und natürlich ist die Politik Gesprächsthema, denn sie betrifft auch die Autoindustrie. Trump hat versprochen, Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen, und deshalb Strafzölle für Autos aus China und Mexiko angekündigt. Viele Beobachter gehen allerdings davon aus, dass es sich dabei – jedenfalls im Hinblick auf Mexiko – vor allem um Verhandlungsmasse für ein strafferes Grenzregime handelt.
Klar ist hingegen: Die umstrittene Vision vom großen Schwenk zur E-Mobilität ist erledigt. Trump hat Elektroautos im Wahlkampf häufig mit beißendem Spott überzogen, und selbst der zum engen Präsidentenberater und Medien-Mogul avancierte Tesla-Chef Elon Musk hat eine weitere Subventionierung klar abgelehnt. Kalifornien will die Elektrifizierung zwar weiterhin erzwingen, doch Gouverneur Gavin Newsom gilt als Pragmatiker. Gut möglich, dass seine mächtige CARB-Behörde, in der seit Jahrzehnten autofeindliche Ideologen walten, demnächst als sprichwörtlicher Bettvorleger landet.
Die Kundschaft hat den bislang politisch erwünschten Wechsel zur E-Mobilität ohnehin nur schleppend nachvollzogen, die Verkäufe in den USA erreichen noch nicht einmal die Zehn-Prozent-Marke. Für diejenigen Hersteller, die sich der E-Mobilität bereits restlos verschrieben hatten, ist die neue Situation eine gewaltige Herausforderung. Sie müssen hastig die bereits abgeschriebene Verbrenner-Technologie aufpolieren. Auf die rhetorischen Pirouetten der nächsten Monate darf man schon jetzt gespannt sein.
In Los Angeles gibt es heuer jedenfalls Premieren der unterschiedlichsten Art zu sehen. Die bedeutendsten von ihnen kommen aus Korea: Der Hyundai Ioniq 9, ein großer SUV mit variablem Innenraum und leistungsstarken Elektromotoren, ist eine globale Weltpremiere. Technisch ist er mit dem Kia EV9 verwandt, stilistisch setzt er völlig eigenständige Akzente. Der Koreaner ist großzügig verglast, das Dach fällt nach hinten sanft ab, die Designer haben sich vom kultigen Audi A2 inspirieren lassen. Im Fahrzeugboden stecken Akkus mit bis zu 110 kWh Kapazität.
Kia hält kräftig dagegen: Das Schwestermodell EV9 kommt in der GT-Variante, die eigentlich schon im August in Pebble Beach präsentiert werden sollte. An seine rund 375 kW (510 PS) kommt der Ioniq 9 noch nicht heran. Der EV9 GT simuliert je nach Fahrprogramm eine Acht-Gang-Automatik, das elektronische Sperrdifferential sorgt für Agilität.
Kia hat noch mehr zu bieten, so etwa das in Europa bereits präsentierte Facelift des EV6 mit einer erheblichen Leistungssteigerung für den GT, sowie das umfangreiche Facelift für den Sportage. Die Studie ADVNTR erhebt den EV9 zum echten Off-Roader, und die Studie WKNDR, die jüngst auf der SEMA-Messe in Las Vegas gezeigt wurde, ist ein weiterer Vorgriff auf die teilautonomen, elektrischen PV5-Transporter.
Genesis zeigt das Facelift des sportlichen SUV-Modells GV70, das es in den USA übrigens auch mit einem sportlichen V6-Turbomotor gibt. Und mit der Studie Hyundai Initium unterstreicht der Konzern seine Wasserstoff-Kompetenz: Es handelt sich um einen kaum verklausulierten Hinweis auf den Nachfolger des Nexo. Von Hyundai, Kia und Genesis wird man in Zukunft noch viele Typen mit Brennstoffzellen-Antrieb sehen.
Der Honda-Konzern zeigt zwei reine Verbrenner: Die nächste Generation des mittelgroßen, in den USA gebauten SUV Passport, geländegängig und mit einem 3,5-Liter-Saugmotor ausgerüstet, und den Acura ADX als Nobelvariante des HR-V. Beide Modelle verzichten auf eine aufwendige und teure Hybridisierung. In der langfristigen Strategie setzte Honda bisher noch voll auf Elektroautos, die Anpassung an neue Realitäten ist aber bereits eingeleitet.
Ford feiert mit der Stroppe Edition den sensationell erfolgreichen, konventionell angetriebenen Geländewagen Bronco. Das Sondermodell spielt auf den Sieg beim Baja-1000-Rennen im Jahr 1971 an. Die zwischenzeitlich gestrichene Basisvariante mit Stahlfelgen wird wieder ins Programm aufgenommen, mit einem äußerst erschwinglichen Einstandspreis von deutlich unter 40.000 Dollar (ca. 38.200 Euro). Der Bronco ist dann übrigens auch mit Handschaltung ausgerüstet, einem Merkmal, das in Europa neuerdings gerne als obsolet bezeichnet wird.
Fiat präsentiert den Fiat 500e Giorgio Armani Edition im Armani-Store in Beverly Hills. Der elegante Kleinwagen kommt in Grün oder Keramikgrau, und was im Interieur nach Leder und Holz aussieht, ist lediglich Chemiewerkstoff, allerdings so elegant verarbeitet, wie man es von dem italienischen Couturier erwartet.
Der Volkswagen Tiguan – so heißt hier die Langversion, die in Europa als Tayron auftritt – ist für die Wolfsburger von größter Bedeutung. Er soll an den Erfolg seiner Vorgänger anknüpfen. Und es kommt endlich auch der ID Buzz in die USA, den es hier nur in der Langversion gibt. Er löst das im Jahre 2001 mit dem Microbus gegebene Versprechen ein. Der Prototyp hatte seinerzeit wahre Begeisterungsstürme ausgelöst. Doch damals wurde er von einem 3,2-Liter-VR6 angetrieben, heute stecken Elektromotoren unter der schönen Haut.
Elon Musks Kultmarke Tesla zeigt mit dem Robotaxi, dass ein vollautonomes Auto auch schön sein kann. Die Kunden des bereits vor sieben Jahren angekündigten Roadster müssen sich unterdessen weiter in Geduld üben: Bei diesem Modell handele es sich nicht nur um das „Sahnehäubchen, sondern um die Kirsche obendrauf“, formulierte Musk auf einer Investorenkonferenz blumig. Andere Projekte hätten weiterhin Vorrang.
Vom Dodge Charger auf der technologieoffenen STLA-Plattform von Stellantis gibt es Neuigkeiten: Ursprünglich sollte das Modell nur als Elektroauto kommen, doch eine wahre Protestflut bewog Markenchef Tim Kuniskis, auch Varianten mit dem turboaufgeladenen Hellfire-V6 nachzuschieben. Es war die große Überraschung beim Debüt; die Reaktion der Fans war begeistert und nur dadurch getrübt, dass der berühmte Hemi-V8 entfallen soll.
Damals behauptete Kuniskis, die Elektroversionen seien „interessanter und aufregender“, es sei deshalb folgerichtig, dass sie Vorrang bekämen. Doch jetzt ist zu hören, dass die Verbrenner mit höchster Priorität fertigentwickelt und so schnell wie möglich auf den Markt gebracht werden sollen. Offenbar hält sich das Interesse an den E-Varianten in überschaubaren Grenzen. Vielleicht geht der Lernprozess sogar so weit, dass man den V8 noch einmal aus der Versenkung holt.
Nicht vor Ort, doch in aller Munde ist die britische Nobelmarke Jaguar, die sich vollständig neu positionieren will. Ein am 20. November lancierter Online-Clip, der an eine provokante Fashion-Show erinnert, sorgt dabei für spöttische bis entsetzte Reaktionen. Die Briten setzen künftig auf vollelektrische Modelle. Laut Flurfunk in Los Angeles sollen sie viel teuer sein als das aktuelle Modellprogramm und sich der Marktpositionierung von Bentley nähern.
Erst vor wenigen Jahren hatte Jaguar einen fertig entwickelten, neuen XJ im letzten Moment eingestampft. Insider wissen, dass dieses Modell technologieoffen ausgelegt war und neben dem bereits kommunizierten Elektroantrieb auch als Plug-in-Hybrid mit Verbrennungsmotor eingeführt werden sollte.
Man trete mit den sehr hochpreisigen neuen Elektroautos (man rechnet mit 150.000 Euro und mehr) ohnehin nicht in Konkurrenz mit anderen Autos, sondern mit Luxusgütern. Die niedrigeren Stückzahlen sollen durch hohe Margen überkompensiert werden. Mit diesem Plan haben sich Chefdesigner Gerry McGovern und Markenstratege Santino Pietrosanti, der in den sozialen Medien als neues Gesicht der Marke gilt, auf ganzer Linie durchgesetzt.
Die Messe in Los Angeles ist noch bis zum 1. Dezember geöffnet. (aum)
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Weltpremiere des Hyundai Ioniq 9 am Vorabend der Messe in Los Angeles.
Photo: Hyundai via Autoren-Union Mobilität
Hyundai Ioniq 9 und Chefdesigner SangYup Lee.
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Hyundai Initium.
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Genesis GV70.
Photo: Genesis via Autoren-Union Mobilität
Kia Sportage.
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Kia EV9 GT.
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Kia EV6.
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Kia PV5 WKNDR und EV9 ADVNTR.
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Tesla Robotaxi.
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Tesla Robotaxi.
Photo: Tesla via Autoren-Union Mobilität
Acura ADX.
Photo: Acura via Autoren-Union Mobilität
Honda Passport.
Photo: Honda via Autoren-Union Mobilität
Volkswagen Tiguan (USA).
Photo: Volkswagen via Autoren-Union Mobilität
Ford Bronco Stroppe Edition.
Photo: Ford via Autoren-Union Mobilität
Fiat 500e Giorgio Armani Edition.
Photo: Stellantis via Autoren-Union Mobilität
Dodge Charger Sixpack.
Photo: Stellantis via Autoren-Union Mobilität
Jaguar-Logo.
Photo: JLR via Autoren-Union Mobilität