Carlos Tavares: Der Renditekönig muss gehen

Am Ende gab es die in diesen Fällen übliche Formulierung. Wegen „unterschiedlicher Auffassungen“ tritt Carlos Tavares „mit sofortiger Wirkung“ von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender von Stellantis zurück. Die Entscheidung markiert den Höhepunkt eines verlustreichen Jahres für den 15-Marken-Konzern. Der Aufsichtsrat war gestern Nachmittag zu einer Sondersitzung zusammengekommen und offensichtlich stand da schon fest, dass Tavares den Konzern verlassen würde.

Nach einem Bericht der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ war Tavares erst am Samstag von der Tagung des Gremiums, dessen Mitglied er war, informiert worden. Sein Nachfolger soll im ersten Quartal des kommenden Jahres bestimmt werden. Bis dahin übernimmt der Aufsichtsratsvorsitzende John Elkann, Chef der Agnelli-Familie und mit 14,2 Prozent größter Anteilseigner der Gruppe die Leitung des Konzerns.

Bereits im Oktober war bekannt geworden, dass der 66-jährige Tavares seinen Vertrag nicht über das Ende seiner Amtszeit 2026 verlängern würde. Damals hatte der Portugiese diesen Schritt noch lächelnd mit dem „Druck seiner Frau“ erklärt. In den vergangenen Wochen, berichtet „Le Figaro“, hat sich bei den Aufsichtsräten allerdings „Unruhe entwickelt“. „Der Erfolg von Stellantis hängt seit der Gründung von einer perfekten Abstimmung zwischen den wichtigsten Aktionären, dem Verwaltungsrat und dem Vorstandsvorsitzenden ab. Doch während der vergangenen Wochen sind die unterschiedlichen Ansichten des Verwaltungsrats und des Vorstandsvorsitzenden offensichtlich geworden, so dass wir zu dieser Entscheidung kommen mussten“, erklärte Aufsichtsrat Henri de Castres nach der Sitzung.

Die negative Entwicklung des Konzerns lässt sich auch am Aktienkurs ablesen, der vergangene Woche wie bei der Gründung von Stellantis im Jahr 2021 bei 12,53 Euro lag, was einer Kapitalisierung von 38 Milliarden Euro entspricht. Der herausragende Aufstieg des Konzernwerts, der sich bereits verdoppelt hatte, wurde innerhalb weniger Monate vernichtet. Der Abstieg, so der „Le Figaro“ „ist ebenso gewaltig wie der spektakuläre Aufstieg“. Im ersten Halbjahr hat die Gruppe lediglich einen Gewinn von 5,6 Milliarden Euro eingefahren und damit das Ergebnis aus dem Vorjahr halbiert. Der Absatz hat sich ebenfalls negativ entwickelt und verzeichnet im dritten Quartal einen Rückgang von 20 Prozent in Europa und 36 Prozent in den USA.

In den USA verstopfen inzwischen die unverkauften Modelle von Jeep, Dodge, Chrysler und Ram die Abstellplätze der Händler, und der Stellantis-Marktanteil hat sich von 9,4 Prozent auf 7,2 Prozent verringert. Die Verkaufsanreize, auch Rabatte genannt, um die Lager abzubauen, verringern zusätzlich die Rendite, die am 30. September auf prognostizierte 5,5 bis sieben Prozent zurückgenommen wurde. In Europa kam noch der schleppende Absatz der Elektromobile hinzu. Tavares hatte stets eine zweistellige Nettorendite als Ziel. Im Jahr 2023 lag der Wert noch bei 14,4 Prozent. Dieses Ergebnis war nur möglich, weil Tavares in allen Bereichen, auch bei den Zulieferern, einen radikalen Sparkurs forderte, was sich am Ende für ihn auszahlte. Im vergangenen Jahr überwies Stellantis seinem Chef 36,5 Millionen Euro.

Als Ursache für die Probleme in den USA hat Tavares im Juni bereits drei Problemfelder definiert: Operationelle Schwierigkeiten in drei Fabriken, einen zu hohen Lagerbestand und ein Versagen bei den Marketing-Kampagnen. Im Sommer hatte der Portugiese extra seinen Urlaub verkürzt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Was ihm aber nicht gelang. Tatsächlich werden sich die Verkäufe in den USA deutlich verringern.

In den USA begrüßte der Chef der mächtigen Gewerkschaft UAW Shawn Fain „den wichtigen Schritt in die richtige Richtung für ein Unternehmen, das schlecht geführt wurde. Tavares hinterlässt ein Chaos mit schmerzhaften Entlassungen und zu kostspieligen Automobilen, die auf den Parkplätzen der Händler stehen“. In Frankreich allerdings kritisiert die Stellantis-Gruppe der Force Ouvrière (FO) die „voreilige Entscheidung, die das Unternehmen beschädigt und seine Mitarbeiter verunsichert“. In Italien fordert die Gewerkschaft UILM vom künftigen Stellantis-Chef eine Konzentration auf die italienischen Fabriken und besonders auf Maserati, wo die Verkäufe abgestürzt sind. (aum)


Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

Damals noch Konzernchef: Carlos Tavares mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dem Pariser Autosalon 2024 im Oktober.

Damals noch Konzernchef: Carlos Tavares mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dem Pariser Autosalon 2024 im Oktober.

Photo: Stellantis via Autoren-Union Mobilität