Rüstig, nicht rostig: Geburtstagfahrt mit dem Opel Kadett B Coupé

Da hat der Herbert aber nicht die ganze Wahrheit erzählt. Als er 1984 sein Album „4630 Bochum“ veröffentlicht, legt er mit dem Titelsong eine wahre Hymne für die staubige Stadt im Ruhrpott vor, in der eine nach der anderen Zeche schließt. Er besingt dennoch die Kohle-Kumpel, und die Stahlwerker, obwohl längst ein anderer Herzschlag an der Ruhr zu hören war. Opel, damals unter GM-Regie, hatte 1962 in eben dieser Krisenregion mit hoher Arbeitslosigkeit ein neues Werk gebaut, in dem vor allem der Käfer-Konkurrent Kadett gebaut werden sollte.

Die Autofabrik befand sich auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Schachtanlage Zeche Dannemann, verkehrsgünstig gelegen in der Nähe der Stadtautobahn. Der Laden lief, 13,7 Millionen Autos wurden in 52 Jahren bei Opel in Bochum gebaut, mehr als 20.000 Menschen waren in Spitzenzeiten beschäftigt. 2014 jedoch veranlassten die amerikanischen Opel-Eigentümer den Produktionsstopp und den Abriss des Werkes, es sei nicht mehr lukrativ, in Bochum Autos zu bauen, lautete die Begründung.

Die Werksschließung kommentierte Hans-Wilhelm Gäb gegenüber dem Deutschlandfunk mit den Worten „Das ist ja eines der Probleme in den kulturellen Missverständnissen zwischen Amerikanern und Deutschen, dass der deutsche Geschäftsmann langfristig orientiert ist und die Amerikaner unter dem Druck der Börse kurzfristige Gewinne kreieren wollen.“ Bereits zuvor war er wegen Differenzen über die unternehmerische Strategie als Vize-Präsident von GM Europe zurückgetreten.

Wie auch immer, die Kadett-Geschichte ist eine Erfolgsstory. Gebaut wurde er bereits vor dem Krieg, noch in der damals klassischen Steilheckform mit hohem Kühlergrill in Rüsselsheim. Die Produktionsanlagen gingen auf Beschluss der Siegermächte nach 1945 als Reparationsleistung an die Sowjetunion, die sie nach Osten transportierte und auf ihnen noch bis 1959 den Kadett als Moskwitsch 400 bauten. Der erste Kadett der Neuzeit ging dann 1962 als Kadett A an den Start, blieb aber nur drei Jahre im Programm, bis ihn die weitaus fortschrittlichere Baureihe Kadett B ablöste. Die trat deutlich vergrößert an, ihre neue Karosserie war zehn Zentimeter breiter, 18 Zentimeter länger und hatte einen um 9,1 Zentimeter auf 2,42 Meter vergrößerten Radstand. Auch im Programm: Ein Coupé mit angedeuteten Entlüftungsschlitzen in den C-Säulen, schnell bekam der Zweitürer deshalb die Bezeichnung „Kiemencoupé“.

Die funktionslosen Rippen, die tatsächlich an die Kiemen eines Hais erinnern, sollten das Element der Sportlichkeit symbolisieren. Der Plan ging auf, denn vor allem die Coupés waren bei Hobby-Rennfahrern äußerst beliebt, besonders der sportliche Rallye Kadett. Es verwundert daher kaum, dass der Kadett B 1969 den Wiedereinstieg von Opel in den Motorsport begleitete. Und mehr noch, zeitweilig lag die Baureihe auf Platz eins der deutschen Zulassungsstatistik. 2025 feiert der B-Kadett seinen 60. Geburtstag, ein guter Grund, mit dem rüstigen und gar nicht rostigen Jubilar eine Runde durch die Rhein-Main-Region zu drehen.

Der Einstieg fällt nicht so leicht wie erwartet. Vor allem finden die Füße keinen eleganten Weg an der Pedalerie vorbei. Dumm nur, dass links neben dem Kupplungspedal der Gummibalg der Fußpumpe des Schweibenwaschwassers lauert. Und schon rinnt das Nass über die Frontscheibe, immerhin arbeitet der Scheibenwischer zuverlässig. Neben der Lenksäule ist der Choke platziert, der den Motor während des Anlassens mit Zusatzsprit versorgt, spontan und schnurrig springr der Vierzylinder an. 45 PS (33 kW) leistet der 1,1-Liter-Benziner, 74 Newtonmeter Drehmoment springen ab 2400 U/min bis 3200 U/min heraus.

Das Vier-Gang-Getriebe schaltet sich heute noch leichtgängig, nur das Hochziehen des Hebels um die Sperre zum Rückwärtsgang zu überwinden, erfordert etwas mehr Krafteinsatz. Ein Muskelprotz ist der Motor nicht, aber er muss auch nur 750 Kilogramm Gewicht in Schwung bringen. Ungefähr 140 km/h liegen bei Höchstgeschwindigkeit an, für den Sprint von 0 auf 100 nimmt sich das Coupé gut 20 Sekunden Zeit.

Fotografiert haben wir den Jubiläums-Kadett an historischen Orten. Einmal vor den Toren vor den Toren der Stadt Rüsselsheim am Jagdschloss Mönchhof, das bereits in den 1960er Jahren von Opel als Kulisse für Werbe- oder Presseaufnahmen genutzt wurde. Auch der Leinreiter am Mainufer der an die Zeit der motorlosen Schifffahrt und das anstrengende Schleppen der Schiffe mit Pferden erinnert, macht sich zusammen mit dem Oldie gut. Und wenigen bekannt ist das Opel-Mausoleum wo, nicht nur Unternehmensgründer Adam seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Auch ist während dessen Lebzeiten kein einziges Automobil in Rüsselsheim gebaut worden. Damit begannen erst seine seine Witwe Sophie gemeinsam mit den fünf Söhnen Carl, Wilhelm Heinrich, Fritz und Ludwig 1895, drei Jahre nach seinem Tod. Er selbst, der mit der Nähmaschinenproduktion begonnen hat und schließlich auch der Fertigung von Fahrrädern zustimmte, hätte sich gewiss trotzdem über den Besuch gefreut.

Der B-Kadett, der sonst in der eindrucksvollen historischen Sammlung von Opel Classic schlummert, ist in einem tadellosen Zustand und zieht die Blicke eines manchen Zeitgenossen auf sich. Viele der ehemaligen Werker haben dieses Modell ihr eigen genannt und es lieben gelernt. Auch Herbert Grönemeyer hat den Kadett am Ende nicht vergessen. Auf seinem Album „Gemischte Gefühle“ gab es sogar ein eigenes Lied für den Opel, den Titel „Kadett“, in dem der Barde (der im richtigen Leben einen Maserati Quattroporte zu fahren pflegt) seinen Kadett jeglicher Damenverbindung vorzieht und ihm sogar einen Namen gibt: Heinzken sei viel schärfer als die Mädels aus der Nachbarschaft. (aum)


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Bilder zum Artikel

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Opel Kadett B Coupé von 1967.

Opel Kadett B Coupé von 1967.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Werbung für den Opel Kadett B (1969).

Werbung für den Opel Kadett B (1969).

Photo: Auto-Medienportal.Net/Opel


Opel Kadett B.

Opel Kadett B.

Photo: Auto-Medienportal.Net/Opel


Opel Kadett B.

Opel Kadett B.

Photo: Auto-Medienportal.Net/Opel


Opel Kadett B.

Opel Kadett B.

Photo: Auto-Medienportal.Net/Opel


Opel Kadett B Rallye (1971).

Opel Kadett B Rallye (1971).

Photo: Opel via Autoren-Union Mobilität