Weniger Staub, mehr Sicherheit: Brembo erfindet die Bremse neu

Daniele Schillaci, Vorstandschef der Bremsenhersteller Brembo, hat das 24-Stunden-Rennen in Le Mans mit großer Gelassenheit beobachtet. Egal welcher der 62 gestarteten Rennwagen als erste der Zielflagge sieht, er ist mit Bremsen von Brembo ausgestattet: „Hier fährt kein Auto, das nicht mit Brembo bremst“, sagt Schillaci. Seit Enzo Ferrari vor 50 Jahren den norditalienischen Bremsenhersteller als Ausrüster für sein Formel-1-Team ausgesucht hat, ist die Brembo aus dem Rennsport nicht mehr wegzudenken. Dabei ist das Engagement bei Auto- und Motorradrennen nicht nur Marketing: Erfahrungen von den Rennpiste überträgt Brembo verstärkt in die Serie – mit spannenden Ergebnissen.

„Im 24-Stunden-Rennen von Le Mans legen die Rennwagen 5000 Kilometer zurück. Die Fahrer müssen 4000-mal bremsen“, erklärt Schillaci. Die Bremsen werden dabei bis zu 850 Grad heiß und drücken die Fahrer mit dem dreifachen ihres Körpergewichts in die Gurte, so groß ist die Verzögerung bei vollem Bremsdruck. Dabei müsse während des Rennens, bei dem die Distanz von Rom bis ans Nordkap zurückgelegt wird, weder die Bremsbeläge noch die Scheiben gewechselt werden. Sie halten die gesamte Distanz. Eine spezielle Beschichtung der Bremsscheiben – Karbon in der Supersport-, Gusseisen in der GT-Klasse – reduzieren den Verschleiß.

Was den Rennwagen wie dem siegreichen Ferrari oder dem zweitplatzierten Porsche einen großen Vorteil bringt – der Bremsenwechsel würde unnötig Zeit kosten –, das kann auch den Endkunden eines Straßenfahrzeugs von Nutzen sein und die Umwelt schonen. Mit Einführung der Abgasnorm Euro 7 wird auch der Abrieb der Bremsen reguliert und muss reduziert werden. Der Anteil der Bremsen und Reifen an der Feinstaub-Emission im Straßenverkehr ist mittlerweile höher als der von Benzin- und Dieselmotoren.

Die Antwort von Brembo auf diese Herausforderung ist die Greentell-Bremse: Sie reduziert nicht nur den Bremsabrieb und damit den Verschleiß um 80 Prozent. Gleichzeitig ist die Bremse auch gegen Korrosion geschützt. Denn Elektroautos nutzen die Bremsen weit weniger häufig als Verbrenner, weil sie meist rekuperieren, also elektrisch verzögern und dabei Energie zurückgewinnen. Rost ist die Folge, der die Bremsen beschädigen kann. Brembo verhindert das unter anderem mit einer Beschichtung der Bremsscheiben, die per Laser in zwei Schichten aufgetragen wird. Hinzu kommen spezielle Bremsbeläge.

Mit Brake-by-Wire geht Brembo noch einen Schritt weiter: Sensify heißt das System, bei dem die Bremse nicht mehr hydraulisch angesteuert wird, sondern per elektrischem Impuls durch einen Draht („Wire“). Damit, so Schillaci, lässt sich jedes Rad einzeln abbremsen. Alle vier Bremsen arbeiten unabhängig voneinander. „Das wird den Standard für Bremsen definieren“, verspricht der Brembo Chef. Auch andere Hersteller wie ZF und Continental arbeiten daran.

Sensify berechnet in Echtzeit mittels Künstlicher Intelligenz die optimale Bremsleistung für jedes Rad und führt sie aus. Das soll nicht nur die Sicherheit erhöhen: „In einer Kurve kann es sinnvoll sein, dass nicht alle vier, sondern nur zwei oder drei Bremsen eingreifen. Das bedeutet auch weniger Bremsen-Verschleiß.“ Schon bald werde Brembo sagen können, wann und in welchem Fahrzeug das System auf den Markt kommt.

Weiterer Vorteil von Sensify: Bei einer Vollbremsung sorgt der Antiblockiersystem für ein Pulsieren im Bremspedal. Schillaci: „Viele Fahrer sind erschrocken, nehmen den Fuß von der Bremse und tun damit genau das Falsche.“ Durch Sensify bleibt der Gegendruck des Bremspedals konstant und vermittelt dem Fahrer ein Gefühl der Sicherheit.

Um den Bremsweg weiter zu verkürzen, arbeitet Brembo nun mit dem Reifenhersteller Michelin zusammen. Deren Reifen soll wie ein Sensor arbeiten und Teil des Sensify-Systems werden: „Der Vorteil besteht darin, dass der Reifen Informationen über seinen Zustand an Sensify weitergibt. Sensify erkennt den Zustand des Reifens und dosiert die Bremskraft, um Blockieren, Rutschen oder Schlupf zu vermeiden. Dadurch erhöht sich die Sicherheit“, sagt Schillaci. Tests hätten ergeben, dass bei einer Notbremsung auf nasser Fahrbahn bei 90 km/h der Bremsweg vier Meter kürzer wird. Schillaci: „Vier Meter! Das kann den Unterschied zwischen einem schweren Unfall und einem leichten Blechschaden sein.“

In Le Mans kam es bei Unfällen in diesem Jahr erneut nur zu Blechschäden. Alle Fahrer kamen bei hochsommerlichen Temperaturen sicher ans Ziel. Der Siegerwagen, der Ferrari 499P von Philip Hanson, Robert Kubica und Ye Yifei, hatte zwischenzeitlich Probleme mit einer zu hohen Motortemperatur. Den Brembo-Bremsen hingegen machte die Hitze nichts aus. (aum)




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Bilder zum Artikel

Rot glühende Brembo-Bremsscheiben an einem Le-Mans-Rennwagen (Oreca 07).

Rot glühende Brembo-Bremsscheiben an einem Le-Mans-Rennwagen (Oreca 07).

Photo: Brembo via Autoren-Union Mobilität


Rennbremsen des norditalienischen Herstellers Brembo.

Rennbremsen des norditalienischen Herstellers Brembo.

Photo: Brembo via Autoren-Union Mobilität


Carbon-Bremse von Brembo für ein Formel-1-Auto.

Carbon-Bremse von Brembo für ein Formel-1-Auto.

Photo: Brembo via Autoren-Union Mobilität


Brembo-Chef Daniele Schillaci (links) im Gespräch mit Guido Reinking, Chefredakteur der Autoren-Union Mobilität.

Brembo-Chef Daniele Schillaci (links) im Gespräch mit Guido Reinking, Chefredakteur der Autoren-Union Mobilität.

Photo: Brembo via Autoren-Union Mobilität