Praxistest Can-Am Pulse: Kräftiger Puls, schwaches Herz

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind 199 Elektromotorräder mit über elf kW Leistung neu zugelassen worden. Das sind 14 Fahrzeuge bzw. 7,6 Prozent mehr als von Januar bis Mai 2024. Noch sind Marken wie Honda – immerhin der weltgrößte Motorenhersteller –, BMW oder Yamaha in diesem Bereich nicht vertreten. Und mit Energica musste jüngst einer der Pioniere Insolvenz anmelden. Nun schickt sich ein weiterer Hersteller an, Marktführer Zero Konkurrenz zu machen: Can-Am.

Die Pulse (und ihre Enduro-Schwester Origin) wird von einem neu entwickelten Motor des hauseigenen Herstellers Rotax angetrieben. Er schöpft die maximal erlaubte Leistung für den A2-Führerschein aus. 48 PS reichen auch hier für beeindruckende Beschleunigungswerte aus – in unter vier Sekunden geht es im Idealfall aus dem Stand auf 100 km/h. Wer in den „Sport“-Modus wechselt, der spürt förmlich, wie das Vorderrad fast schon abzuheben droht. Auch in der Stufe „Normal“ muss sich niemand über mangelnde Leistung beklagen. Die Einstellungen „Rain“ und „Eco“ nehmen spürbar Schwung raus, ohne dass die Pulse gleich zur lahmen Ente wird. Mit Rücksicht auf die Reichweite und die doch recht kleine Batterie setzt die Elektronik weiterer Beschleunigung bei 127 km/h stets ein Ende.

Eine Besonderheit der schick gestylten Can-Am ist die Energierückgewinnung. Fällt die übliche Rekuperation selbst in der stärksten Einstellung ungewöhnlich schwach aus, verfügt die Pulse noch über eine ebenfalls mehrstufige „aktive Regeneration“. Sie bremst den Motor bewusst ab, wenn der Fahrer den Fahrgriff über die Nullstellung hinaus nach vorne dreht. In der stärksten Einstellung entsteht das, was beim Elektroauto „One Pedal Driving“ genannt wird. Es ist schlichtweg faszinierend, das Motorrad nur allein über den Handgriff nach der Beschleunigung auch wieder abzubremsen. Das sorgt für ein völlig neues Fahrgefühl auf zwei Rädern.

Die Can-Am lässt sich wunderbar spurgenau führen und begeistert durch ihr spielerisches Handling, das schon fast einer 125er gleicht. Sie ist hervorragend ausbalanciert und lässt sich auch problemlos und wackelfrei im Schritttempo bewegen. Die Federung ist für ein batteriebetriebenes Motorrad recht komfortabel. Die vollgekapselte und im Ölbad laufende Kette ist so gut wie wartungsfrei und absolut geräuschlos. Ob allerdings das konnektivitätsfähige Touch-Display tatsächlich 10,25 Zoll groß sein muss, sei dahingestellt.

Der Puls der Pulse schlägt also kräftig, das Batterie-Herz allerdings erweist sich als etwas schwach. Doch daran kränkelt nicht nur die Can-Am. Nicht umsonst geben die E-Hersteller gerne immer auch die Reichweite für die Fahrt in der Stadt an, wo der Stromverbrauch drastisch sinkt. Uns kosteten beispielsweise fünf Kilometer im urbanen Verkehr nur einen Kilometer auf der Reichweitenanzeige. Doch Motorräder sind nun einmal eigentlich vor allem für die Landstraße gemacht. Dort können gerade Elektrobikes durch ihre souveräne Unaufgeregtheit glänzen.

Bei voller Ladung wurde uns ein Aktionsradius von 125 Kilometern versprochen. Das passt, nennt der kanadische Hersteller doch eine Normreichweite von 130 Kilometern sowie eine City-Range von 160 Kilometern. Can-Am will das Modell ohnehin eher als Pendlerfahrzeug im urbanen Umfeld verortet wissen. Ob man damit freizeitorientierte Motorradfahrer abholt? Für „smarte Pendler und urbane Entdecker“ (O-Ton Can-Am) eignet sich ein Elektroroller sicher besser, gleichwohl bietet ein batteriebetriebenes Motorrad viel mehr Fahrspaß.

Löblich ist, dass die Reichweitenangabe der Pulse bei sparsamerer Fahrt nicht plötzlich wieder nach oben schnellt, sondern der zuletzt genannte Wert so lange stehen bleibt, bis er tatsächlich unterschritten wird. Das sorgt für mehr Sicherheit als wenn die Zahl immer hin und her springen würde. Bei 20 verbliebenen Kilometern im Akku wechselten wird dann aber doch sicherheitshalber in den Eco-Modus.

Immerhin ist die mit 8,9 Kilowattstunden recht kleine Batterie in gut zwei Stunden an einer Wallbox oder öffentlichen Ladesäule wieder voll gefüllt. Gleichwohl offenbarte sich in der Alltagspraxis erneut, wie kompliziert die Ladeinfrastruktur zuweilen ist. Wer keine Wallbox besitzt, der muss entweder die heimische 220-Volt-Steckdose benutzen oder schauen, wo er bei sich in der Nähe laden kann. Die Ladegeschwindigkeit an der heimischen Steckdose konnten wir leider nicht testen, da das entsprechende Kabel nicht vorhanden war.

Die Nutzung eines CCS-Kabels schließt sich an der Can-Am aufgrund der Mode-3-Steckdose ohne Blindaussparung leider aus. Und die 22-kW-Säulen der hiesigen Stadtwerke fand unsere App eines Energieversorgers trotz gegenteiliger Behauptung des heimischen Betreibers nicht, so dass der Ladevorgang nicht gestartet werden konnte. Ganz zu schweigen, dass die einfache Nutzung via EC-Karte einmal mehr nicht möglich war und auch gar nicht vorgesehen ist. Zwei weitere angezeigte Standorte eines anderen Stromanbieters erwiesen sich gar nicht erst als betriebsbereit.

Und natürlich steht auch der Preis einer größeren Verbreitung von Elektromotorrädern im Weg. Mindestens 15.899 Euro ruft der Importeur für eine Pulse auf, egal ob mit elf kW für A1- und B196-Inhaber oder mit 35 kW. (aum)

Daten Can-Am Pulse

Motor: elektrisch
Spitzenleistung: 35 kW / 48 PS
Drehmoment: 72 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 127 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,8 Sekunden
Getriebe: ein Gang
Antrieb: gekapselte Kette
Normreichweite: 130 km
Batteriekapazität: 8,9 kWh
Sitzhöhe: 784 mm
Gewicht: 177 kg
Zuladung: 151 kg
Bereifung: 110/70-17 (v.)/150/60-17 (h.)
Basispreis: 15.899 Euro
Testmotorrad: 18.199 Euro


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Can-Am Pulse.

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Rotax-Elektromotor der Can-Am Pulse.

Rotax-Elektromotor der Can-Am Pulse.

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