Praxistest Ahorn Camp ACT 690: Mit den Genen der Toscana

Ahorn Camp hat mit dem Vertrieb von Reisemobilen eine steile Kariere hingelegt. Mit dem Ahornblatt als Markenzeichen ist das Unternehmen mit Stammsitz in Speyer seit gut 30 Jahren auf dem Markt, Präsenz wurde vor allem durch den Einsatz im Vermietgeschäft geschaffen. Ahorn Camp übernimmt ausschließlich den Vertrieb, selbst gebaut wurde kein einziges Wohnmobil. Die Fahrzeuge entstanden zuletzt in Poggibonsi südlich von Florenz bei Trigano und kommen künftig von einer Tochtergesellschaft der Erwin-Hymer-Gruppe, beim in ähnlichen Breiten angesiedelten Hersteller Laika in San Casciano. In allen Baureihen wird ausschließlich auf den Renault Master gesetzt. Wir waren mit dem größten teilintegrierten Reisemobil der Marke auf Tour, dem 6,99 Meter langen ACT 690, der mit einem Basispreis von 58.600 Euro in der Liste steht.

2,35 Meter breit ist der Aufbau, der vor allem wegen der übergroßen Mütze über dem Fahrerhaus, dem „Cappuccino“, sehr massig wirkt. Aber das bringt ein Plus an Wohnraum im Inneren und vermeidet den Verkehrsstau zwischen Küche und Halbdinette, wenn sich die Wege der Besatzung an Bord dort kreuzen. Allerdings verlangt er Augenmaß beim Fahren und Rangieren, die Höhe von fast drei Metern sollte der Chauffeur nicht vergessen.

Die Farbtöne Beige und Braun dominieren im Innenraum für die Flächen der Möbel, Braun setzt den Kontrapunkt an Rahmen und Spangen. Den Kunststoffboden ziert eine gefällige Fliesenoptik. Hinein gelangt man über eine elektrisch ausfahrbare Trittstufe unter der Tür, die gehört leider nicht zur Serienausstattung und kostet 348 Euro extra. Und eine weitere Untiefe gilt es beim Eintritt zu umschiffen. Das Bügelschloss an der Eingangstür ragt gut drei Zentimeter in den ohnehin nicht allzu üppig bemessenen Türausschnitt, daran bleibt dann gerne die Gürtelschlaufe oder die Jackentasche hängen. Das ist eine eher nachlässige Lösung.

Unkonventionell ist auch die Verdunkelung des Fahrerhauses. Statt der üblichen Remi-Jalousien dient ein Vorhang hinter den beiden drehbaren und bequemen Pilotensesseln als Sichtschutz. Zusätzlich lassen sich die Fenster mit einer Faltverdunklung verschließen, die mit 1090 Euro ebenfalls kein Schnäppchen ist.

Der Grundriss des ACT 690 gehört zu den beliebtesten in der Sieben-Meter-Kategorie. Im Heck, über der von beiden Seiten zugänglichen Garage sind zwei einzelne Betten in Längsrichtung eingebaut. Die beiden rund 1,90 Meter langen Liegeflächen lassen sich mit Einlegepolstern verbinden, so dass eine 2,20 Meter breite Matratzen-Landschaft entsteht. Ausstellbare Fenster gibt es auf beiden Seiten, zur Belüftung dient außerdem eine Dachhaube.

Eine solide Tür verschließt das Schlafzimmer, das isoliert auch akustisch. Wem die drei Bordsteckdosen nicht genügen, kann weitere dazu bestellen, die sich Ahorn allerdings wie jede zusätzliche USB- und 12-Volt-Buchse mit jeweils 300 Euro bezahlen lässt. Eine weitere stabile Tür trennt die Nasszelle vom Wohnbereich. Auch hier kann über ein Ausstellfenster ordentlich gelüftet werden, allerdings nutzt der Hersteller hier die Raummöglichkeiten nur halbherzig. In die separate Dusche mit ihren beiden Plexiglastüren schaffen es nicht ganz dürre Camper nur mit Erfindergeist, das Bücken fällt zumindest bei geschlossenen Türen schwer. Immerhin ist der Wasserdruck der Brause dank einer Druckpumpe ordentlich. Ähnliches Geschick ist bei der Nutzung der rechts neben dem Waschbecken freistehenden Kassettentoilette erforderlich, wer kurze Beine oder Erfahrungen mit Origami-Arbeiten hat, ist hier klar im Vorteil.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Bordküche eingebaut. Sie bietet die übliche Ausstattung mit einer Edelstahlspüle, Kühlschrank und einem dreiflammigen Gaskocher, der ausreichend Platz für mittelgroße Töpfe bietet. Die Mischbatterie über der Spüle lässt sich fein zusammenfalten, wenn die getönte Glasabdeckung geschlossen werden soll. Bei der sind die zu harten Auflagenoppen nicht exakt positioniert, wer sich nicht für die dämpfende Geschirrtuch- oder Mikrofasertuch-Einlage während der Fahrt entscheidet, muss nervige Klappergeräusche in Kauf nehmen. Praktisch ist die Zentralverriegelung der beiden unterschiedlich großen, rollengelagerten Küchenschublade. Der waagerecht gestellte Hebel sperrt beide Auszüge. Sehr solide ist der rustikale Verschluss des 89 Liter großen Absorberkühlschranks ausgefallen, er verspricht eine schier endlose Haltbarkeit.

Zusammen mit den beiden Pilotensesseln wird die Halbdinette zur gemütlichen Runde für vier. Ein fünfter Camper findet auf der Sitztruhe neben der Eingangstür Platz, die drehbare Tischplatte samt Verlängerung lässt auch ihn komfortabel am Diner teilnehmen. Allerdings sollten alle Teilnehmer der Tafelrunde keinen Beinkontakt mit der Unterseite der Tischplatte suchen. Die Bördelung an den gerundeten Ecken ist extrem scharfkantig, dem feinen Zwirn der Freizeithose ist bei Tuchfühlung arg gefährdet. Über der Dinette und unter dem Dach schwebt während der Fahrt ein elektrisch absenkbares Hubbett (220 mal 120 Zentimeter) das dank vernünftiger Absturzsicherungen durchaus zwei Campern nachts eine Schlafstätte bietet. 1390 Euro kostet diese Erweiterung des Schlafplatzangebotes.

Das Stauraumangebot im Ahorn Camp ist gut. Im Bettenunterbau nehmen unterschiedlich große Fächer Wäsche und andere Bekleidung auf, an Kleiderstangen lassen sich Blusen und Bundfaltenhosen unterbringen. Drei Dachstaukästen gibt es außerdem, ihre Verriegelung ist angenehm unkompliziert und daher komfortabel. Die Bedienung erleichtert außerdem das Revotion-System, mit dem sich über einen am Eingang befestigtem Tablett-PC und seine angeschlossenen Module alle wesentlichen Funktionen im Wohnbereich steuern lassen. So kann auf Wunsch über das Smartphone aus der Ferne unter anderem die Kühlschranktemperatur kontrolliert und verändert werden. Gut, wenn gerade Eingekauftes nach der Rückkehr zum Mobil eingefroren werden soll. Zudem lassen sich alle Füllstände kontrollieren, die Lichter im gesamten Fahrzeug schalten oder die Stromentnahme aus der Bordbatterie prüfen. Die Ausrüstung mit der Revotion-Steuerung ist modular möglich, das Komplettprogramm kostet dann auch immerhin 3900 Euro.

Der Renault Master erweist sich auch mit dem schwächeren der beiden angebotenen 2,3 Liter-Dieselmaschinen als ausreichend motorisiert. 145 PS und 360 Newtonmeter Drehmoment bei 1500 Umdrehungen in der Minute genügen für munteres Vorankommen. Der Durchschnittsverbrauch von 10,5 Litern liegt unter dem Mittel des Konkurrentenfeldes. Die Bedienung des französischen Transporters fällt leicht, Ablagen finden sich im Fahrerhaus in angemessener Zahl und auch der Federungskomfort kann auf langer Strecke überzeugen. Nur der Seitenwind ist kein Freund des Master, weht er, sind häufige Kurskorrekturen erforderlich.

Der teilintegrierte Ahorn-Camper ist ein überaus geräumiges Reisemobil, dass auch mit mehr als zweiköpfiger Besatzung noch nicht an seine Grenzen stößt. Kleine konstruktive Schwächen sind verzeihlich, ob sich nach dem Wechsel des Zulieferers daran etwas ändern, werden wir beobachten. Einen Blick gilt es ebenso auf die Preisentwicklung zu werfen, denn Ausstattungen wie die Klimaanlage im Fahrerhaus, der Ladebooster für die Bordbatterie und die erwähnte Einstiegsstufe kosten deftige Aufpreise. Bei anderen Marken gehört das zum Serienstandard. (aum)

Daten Ahorn Camp ACT 690

Länge x Breite x Höhe (m): 6,99 x 2,34 x 2,96
Radstand (m): 4,33
Motor: 4-Zyl.-Diesel, 2298 ccm, FWD, 6 Gänge
Leistung: 107 kW/145 PS bei 3500 U/min,
Max. Drehmoment: 360 Nm bei 1500 U/min
Leergewicht: 2960 kg
Zuladung 540 kg
Max. Anhängelast: 2000 kg
Stehhöhe: 1,95 m
Schlaf-/Sitzplätze: 4/4
Frisch-/Abwassertank 85/120 Liter
Durchschnittsverbrauch: 10,5 Liter
Basispreis: 58.600 Euro
Testwagenpreis: 72.620 Euro


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Bilder zum Artikel

Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Ahorn Camp ACT 690.

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Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

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Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Ahorn Camp ACT 690.

Ahorn Camp ACT 690.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Grundriss Ahorn Camp ACT 690.

Grundriss Ahorn Camp ACT 690.

Photo: Ahorn Camp via Autoren-Union Mobilität