Praxistest Audi A6 Avant e-Tron: Zurück zur Normalität

Na also, es geht doch: Nach dem holprigen Einstieg der deutschen Hersteller in die Elektromobilität, fahren sie mit ihren neuesten Modellen immer mehr auf Augenhöhe mit der kalifornischen und asiatischen Konkurrenz. Das jedenfalls war unser Eindruck nach zwei Wochen Test mit dem Audi A6 Avant e-Tron Performance. Neben rein elektrospezifischen Vorzügen wie dem 800-Volt-System mit bis zu 270 kW Ladeleistung und einer 100 kWh Batterie, die im Idealfall 720 Kilometer Reichweite generiert, sticht vor allem eine gute deutsche Autobauertugend buchstäblich ins Auge: Produktqualität.

Der erste Eindruck zählt – und der A6 Avant e-Tron Performance liefert. Von einem Kombi jedenfalls ist nichts zu sehen, eher erinnert er an ein Shooting Brake. Das knapp fünf Meter lange Fahrzeug steht flach und gestreckt auf der Straße, mit sanft abfallender Dachlinie, coupéhaftem Heck und nahezu geschlossener Front. Der Singleframe-Grill ist nur noch angedeutet, flankiert von schmalen LED-Augen, deren digitale Lichtsignaturen nach Belieben verändert werden können. Am Heck zieht ein durchgehendes OLED-Leuchtenband den Blick auf sich, das je nach Fahrsituation Warn- oder Begrüßungsanimationen zeigt. Dazu glatte Flächen, versenkte Türgriffe, optionale Digital-Außenspiegel und ein cW-Wert von 0,24 – der Avant wirkt nicht wie ein Kombi-Kompromiss aus Raum und Stil, sondern wie ein Statement.

Der Innenraum hält, was die Hülle verspricht, ein Audi-typisches Erlebnis aus Materialien, Licht und Technik. Stoffbezogene Sportsitze mit Kunstleder-Applikationen, textilverkleidete Türpaneele, gebürstetes Aluminium, lackierte Flächen – alles greift harmonisch ineinander. Das Panoramadisplay zieht sich im Curved-Design quer durchs Cockpit: ein 11,9-Zoll-Instrumentendisplay, ein 14,5-Zoll-Touchscreen in der Mitte, dazu optional ein 10,9-Zoll-Beifahrer-Display und ein Augmented-Reality-Head-up-Display, das Pfeile und Spuren direkt auf die Straße projiziert. Selbst das Panoramadach lässt sich per Flüssigkristalltechnik abdunkeln – was man sonst eher in Luxuslimousinen sieht.

Auch in Sachen Raumgefühl kann der Avant überzeugen. Mit fast drei Metern Radstand genießen Passagiere vorne wie hinten großzügige Platzverhältnisse. Der Kofferraum bietet 502 bis 1422 Liter Stauraum – Kombi bleibt Kombi, auch wenn die Form anderes vermuten lässt. Für Ladekabel oder kleinere Gepäckstücke gibt’s zusätzlich einen 27-Liter-Frunk unter der Fronthaube. Die Sportsitze unseres Testwagens boten hohen Komfort und satten Seitenhalt, auch auf langen Strecken. Einziger Wermutstropfen: Im Fond sitzen großgewachsene Mitfahrer mit angewinkelten Knien, was der dicken Batterie im Unterboden geschuldet ist.

Unter dem eleganten Kleid steckt die neue Premium Platform Electric (PPE), die Audi gemeinsam mit Porsche entwickelt hat. Sie ermöglicht das 800-Volt-System, mit dem Ladeleistungen bis 270 kW möglich sein sollen. Im Idealfall heißt das: 10 bis 80 Prozent Batterieladung in nur 21 Minuten. Am Ende schaffte unser Testwagen zwar nie ganz die angegebene Ladeleistung, aber mit stabilen 210 bis 240 kW war der Akku schneller wieder fit als man einen Cappuccino trinken konnte. Hilfreich im urbanen Alltag sind auch die zwei Ladeanschlüsse – CCS-Schnellladung links, Typ 2 für Wechselstrom rechts, was das Einparken an engen Stationen deutlich einfacher macht. Ärgerlich bleibt jedoch die magere AC-Ladeleistung von nur 11 kW – hier dauert eine volle Ladung mehr als 9 Stunden.

Denn die Batterie bringt es immerhin auf 100 kWh brutto, 94,9 kWh netto, was laut WLTP bis zu 720 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. In der Realität sind es eher 500 Kilometer, weil sich der Verbrauch schon bei mäßig-sportlicher Fahrweise doch bei rund 25 kWh einpendelt. Wer es ruhiger angeht, kommt auch mit 20 kWh aus – immer noch ein respektabler Wert in dieser Fahrzeugklasse. Unterstützt wird die Effizienz durch die Rekuperation bis zu 220 kW, die sich über Lenkrad-Paddel steuern lässt. Zwischen sanftem Gleiten, klassischem Segeln und One-Pedal-Driving ist alles möglich.

Und damit sind wir beim Fahren. Auch hier zeigt Audi einmal mehr beste deutsche Ingenieurskunst. Das elektrische Herz arbeitet fein dosiert und kultiviert. Der Wagen beschleunigt kraftvoll, aber nie ruppig. Der Heckantrieb liefert 270 kW (367 PS) und 565 Nm Drehmoment, was den Stromer in 5,4 Sekunden auf 100 km/h schnellen lässt. Bei 210 km/h ist Schluss – eine elektronische Limitierung, die für den Alltag allerdings mehr als ausreichend ist.

Die optionale Luftfederung, kombiniert mit einem schärfer abgestimmten Fahrwerk als beim SUV-Bruder Q6, verleiht dem „Kombi“ trotz 2,2 Tonnen Gewicht eine überraschende Leichtigkeit, bügelt Bodenwellen glatt, bleibt aber straff genug, um auch auf kurvigen Landstraßen ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Besonders im Dynamic-Modus macht der Avant richtig Spaß. Die Lenkung ist präzise, das Heck spielt leichtfüßig mit, bleibt aber immer beherrschbar. Im Balance-Modus wird er zum souveränen und spurtreuen Langstrecken-Gleiter, mit dem selbst hunderte Autobahnkilometer fast wie Kurzstrecken erscheinen.

Weniger überzeugend waren die Assistenzsysteme. Zwar überwacht eine Armada aus Sensoren und Kameras das Umfeld, mit denen selbst in schmalen Tiefgaragen stressfrei zu rangieren ist. Dafür reagiert der Spurassistent zu nervös, und der Tempowarner plärrt schon bei kleinsten Überschreitungen. Das nervt, aber immerhin lassen sich viele Systeme nach kurzer Eingewöhnung individualisieren oder auf Knopfdruck deaktivieren.

Doch wie immer hat Premium seinen Preis – vor allem bei Audi. Wer wie wir den A6 Avant e-Tron performance fährt, muss mindestens 77.200 Euro investieren. Mit Extras wie Luftfahrwerk, digitalen Kamera-Außenspiegeln, AR-Head-up-Display, Panorama-Glasdach und, und, und klettert der Preis auch schnell über 90.000 Euro. Damit spielt er zwar auf Augenhöhe mit seinen direkten Konkurrenten BMW i5 und Mercedes EQE, bleibt aber immer ein kostspieliger Spaß.

Doch unterm Strich zeigt der Audi A6 Avant e-Tron Performance, wie sich Elektromobilität anfühlen sollte: ruhig, stark, edel – und so vertraut, dass man den Wechsel vom Verbrenner kaum bemerkt. Insofern steht er sinnbildlich für das, was deutsche Hersteller lange versäumt haben: Elektromobilität als Weiterentwicklung, nicht als Bruch. Der elektrische A6 ist kein Aufbruch ins Unbekannte, sondern eine Rückkehr zur Normalität. Denn wer ihn fährt, will ihn nicht mehr abstellen, wer ihn bezahlt, reibt sich allerdings auch zweimal die Augen. (aum)

Daten Audi A6 Avant e-Tron Performance

Länge x Breite x Höhe (m): 4,93 x 1,92 x 1,53
Radstand (m): 2,95
Antrieb: Elektrisch, 270 kW (367 PS), Heckantrieb
Max. Drehmoment: 565 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,4 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 17,0-14,8 kWh
Batteriekapazität, brutto/netto: 100 kWh/94,9 kWh
Reichweite (WLTP): 628-720 km
Max. Ladeleistung: 11 kW AC/ 270 kW DC
Leergewicht / Zuladung: 2260 kg / 500 kg
Kofferraumvolumen: 502-1422 Liter + 27 Liter (Frunk)
Anhängelast: 2100 kg
Preis: ab 77.200 Euro


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Audi A6 Avant e-Tron.

Audi A6 Avant e-Tron.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald


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Photo: FRANK WALD via Autoren-Union Mobilität


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