Würth: „Wir brauchen die Menschen für die Intelligenz.“
17. Oktober 2025 Von Bernd Ostmann
Die Würth-Gruppe, mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro, feiert in diesem Jahr 80jähriges Bestehen. Kerngeschäft sind sogenannte C-Teile – Teile mit geringem Wert – zumeist Schrauben, Befestigungs-Elemente sowie Hilfs- und Betriebsstoffe. Man spricht auch gern von Kleinteilen, wobei dieser Begriff leicht irreführend ist. Das Sortiment von rund 1,4 Millionen Artikel reicht von Kleinstteilen, beispielsweise für mechanische Uhren, bis zu Megaschrauben, die Windräder zusammenhalten.
„Diese Bandbreite ist unsere Stärke“, so Jauss. In den Würth-Hochlagern in Bad Mergentheim gibt es 700.000 Lagerplätze, täglich werden rund 20.000 Positionen an Kunden verschickt. Die Lager optimieren sich selbst: Schnelldreher lagern vorn, Teile, die weniger oft abgerufen werden, weiter hinten. Die Prämisse bei Würth: Ein Mitarbeiter bei den Kunden darf nicht ohne Material dastehen.
„In dem Moment, in dem einen Mensch sein Material suchen oder bestellen muss, ist die Wertschöpfung eines C-Teils vorbei“, verrät der Manager. Der Kunde bestellt keine Teile. Würth kümmert sich darum und liefert automatisch an jeden Arbeitsplatz. RFID-Etiketten an allen den Teileboxen. RFID steht für „Radio Frequency Identification" und ist eine Technologie zur drahtlosen, kontaktlosen Identifikation von Objekten mithilfe von Funkwellen. Nicht nur Teileboxen werden so automatisch erfasst. In anderen Fällen wird der Inhalt über Waagen überwacht.
„Ohne KI geht da nichts“, betont Jauss. Man darf sich keine Panne leisten. „Unsere C-Teile sind zwar nicht so wichtig wie ein Motor, aber wenn eine Schraube fehlt, dann steht das Fließband“, beschreibt er den potentiellen Supergau. Qualität geht über alles – bei den Produkten wie auch bei den Prozessen. Deshalb arbeitet Würth bei allen Kunden vor Ort rund um die RFID-Technik mit eigener Stromversorgung, mit Batterien, die automatisch überwacht werden. Und mit einer eigenen Datenbasis und eigenen Sever-Systemen. Datensicherheit ist „elementar wichtig. Wir haben keine Daten in der öffentlichen Cloud“, verspricht Jauss. Man leistet sich den Luxus von drei Rechenzentren, zwei davon in Europa, eines in Amerika.
Würth ist in allen Industriebereichen aktiv; der Autobereich trägt zum Jahresumsatz der Industrie Services-Sparte allerdings gerade mal zehn Prozent bei. „Dies reicht mir nicht“, erklärt Jochen Woletz, Leiter Vertrieb Automotive. Dass man im Autogeschäft unterrepräsentiert ist, liegt daran, dass sich die Firmengruppe nicht komplett in die Abhängigkeit der großen Auto-Hersteller begeben wollte. Man konzentrierte sich lieber auf das Geschäft mit den großen Zulieferern.
Dies soll sich wieder ändern, man will enger mit den Autobauern zusammenarbeiten. Keine leichte Aufgabe, denn in den Einkaufsabteilungen wird nach wie vor in erster Linie auf den Preis der einzelnen Schraube geschaut und nicht auf den Prozess dahinter, den Würth anbietet.
Um die Marke mit ihrem Konglomerat von 400 Einzel-Gesellschaften bei den Herstellern in den Fokus zu rücken, veranstaltete Würth Industrie Services jetzt zum dritten Mal ein Symposium der besonderen Art. Dabei ging es um die Potentiale von Robotern bei der Transformation der deutschen Wirtschaft, um die Bedeutung der Automatisierung für die Standortsicherheit und um die Kreislaufwirtschaft.
Aber es ging auch darum, was ein deutscher Zulieferer beispielsweise vom harten Konkurrenzkampf im Motorsport und der Formel 1 lernen könnte. Norbert Haug, ehemaliger Mercedes-Benz-Motorsportchef und Unternehmensberater, unterstrich, dass die Formel 1 nicht nur eine gigantische Sport- und Marketing-Bühne ist, sondern auch eine Karriereschule für junge Ingenieure: „Du verlierst mehr, als dass du gewinnst. Und du musst immer wieder schnell aufstehen. Denn der Motorsport lässt dir keine Zeit. Bereits am nächsten Wochenende musst du dich der nächsten Herausforderung stellen. Das gilt für Fahrer ebenso wie für die Techniker.“ Die stehen im Schatten der Piloten - aber sie sind „positiv besessen. Bei der Arbeit an der Rennstrecke macht es einen Unterschied, ob du performen musst oder ob du willst.“
Und: „Die Formel 1 schult die Innovationskraft und trainiert das schnelle, präzise Arbeiten.“ Mehr noch: Der Motorsport ist in einigen Bereichen immer noch ein Entwicklungslabor für die Serie. Haug: „Schaeffler arbeitet im Rennsport beispielsweise an Steer-by-wire-Lenkungen, man experimentiert mit E- Fuels und entwickelt an neuen Bremssystemen.“
Zudem ist der Motorsport ist nach wie vor ein Publikumsmagnet. Dies zeigte die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft gerade wieder mit einem spannenden Finale in Hockenheim. Durch das Engagement von Mercedes und den Einstieg von Audi in die Formel 1 sieht Haug auch wieder gute Chancen auf ein heimisches Formel 1-Rennen: „Zum Autoland Deutschland gehört ein Deutscher Grand Prix.“
Um Kommunikation ging es beim Vortrag von Frank Klaas über die Geschichte des chinesischen Geely-Konzerns. 1986 gegründet von Li Shu Fu, der als junger Mann Fotoapparate und dann Mopeds an Reisbauern verkaufte, entwickelte sich der Autohersteller aus Hangzhou zu einem international respektierten Unternehmen mit über 80.000 Mitarbeitern.
Klaas, Vice President Communications bei Geely Europe, beschrieb den Erfolgsweg des
chinesischen Unternehmens. Ein Weg, der in Europa erst richtig bekannt wurde, als das Unternehmen im Jahr 2010 Volvo für zwei Milliarden Dollar von Ford übernahm. Im letzten Jahr verkaufte Geely 25 Prozent seiner Anteile an Volvo für 20 Milliarden Dollar – ein Beispiel für den Geschäftssinn der Chinesen.
Das Unternehmen, das gerne für seine Technologieoffenheit steht, musste aber global auch einige Rückschläge hinnehmen. Marken wie LEVC, das legendäre London Taxi in seiner elektrischen Neuauflage oder auch die elektrischen Produkte der Sportwagenmarke Lotus, verkaufen sich nicht von selbst. Im Marketing- und Sales-Bereich ist der Weg nicht von Erfolg gekennzeichnet - was auch das Scheitern der Verkaufsstrategie von Lynk & Co zeigt: 2016 mit großen Schlagzeilen als Vertriebskonzept ohne Händler geplant, kehrt man jetzt in Europa zu klassischen Vertriebssystemen zurück. Bei allen Rückschlägen zeigt das Beispiel Geely aber den langen Atem und das Durchhaltevermögen der chinesischen Marktteilnehmer – sicherlich eine Tugend, auf die sich die Europäer einstellen müssen.
Das Thema Durchhaltevermögen, gepaart mit der Bereitschaft zur Innovation, war dann auch der Punkt, an dem sich die Aussagen von Haug und Klaas trafen. Denn die Bereitschaft, mutige Entscheidungen zu treffen, schnell und ohne bürokratische Prozesse zu reagieren, das ist eine Tugend, die sowohl im Geschäftsleben wie auch im Motorsport zum Erfolg führt.
Martin Jauss von Würth spricht abschließend die bürokratischen Prozesse in Deutschland an, für ihn ein echtes Problem: „Wir neigen in Deutschland dazu, die Vorschriften, die uns die Europäische Union macht, noch zu verkomplizieren. Trotzdem sehe ich die Zukunft für den Standort Deutschland positiv. Wir haben starke Unternehmer im Land.“ (aum)
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Martin Jauss, Executive Vice President und CEO Würth Industrie Service, Frank Klaas, Norbert Haug und Jochen Woletz, Leiter Vertrieb Automotive Würth (von links)
Photo: Würth via Autoren-Union Mobilität
Der Industriepark Würth in Bad Mergentheim.
Photo: Würth via Autoren-Union Mobilität
Jochen Woletz (Würth)
Photo: Würth via Autoren-Union Mobilität
Norbert Haug (links), ehemaliger Mercedes-Benz-Rennleiter, und Frank Klaas, Vice President Communications Geely Europe
Photo: Würth via Autoren-Union Mobilität