Sergio Marchionne und Ferraris Weg zur Luxusmarke

Seit Anfang Mai führt FCA-Chef Sergio Marchionne auch die Sportwagen-Manufaktur Ferrari mit juristischem Sitz im niederländischen Amsterdam sowie Verwaltung und Produktion im italienischen Maranello. Deren Aktien gehören nach dem Börsengang 2015 inzwischen zu 80 Prozent den Aktionären von Fiat Chrysler Automobiles (FCA), die seither einen herben Kursverlust zu verkraften hatten. Mit Ferrari hat sich deshalb der umtriebige Boss von FCA viel vorgenommen. Er will die Marke auf eine breitere Basis stellen.

Mit Kleinigkeiten pflegt sich der Italo-Kanadier Sergio Marchionne, 64, nicht abzugeben. Das war schon zu seiner Studentenzeit so, als er auf ein Studium von Philosophie und Betriebswirtschaft zusätzlich noch eins in der Jurisprudenz draufsattelte. Danach arbeitete er als Anwalt und Wirtschaftsprüfer, absolvierte später ein paar Positionen als Topmanager, sanierte 2002 quasi im Vorbeigehen den Schweizer Warenprüfkonzern Société Générale de Surveillance mit seinen 83 500 Mitarbeitern in 120 Ländern und fungiert seit 2004 als Fiat-Vorstandsvorsitzender. Auch hier schuftete er für die Rettung des Konzerns in Finanznot und vereinte 2014 das italienische Unternehmen mit dem amerikanischen Chrysler-Konzern. Jetzt halste er sich zusätzlich noch den Chefposten von Ferrari auf. Dort will er es mit der Herstellung teurer Sportwagen in limitierter Auflage und dem Engagement in der Formel Eins nicht bewenden lassen. Ferrari soll zum Inbegriff eines luxuriösen Lebensstils werden.

Die Weichen dazu hatten schon Marchionnes Vorgänger Ferrari-Geschäftsführer Amedeo Felisa und Verwaltungsratsvorsitzender Luca Cordero di Montezemolo gestellt. Da Ferrari, selbst wenn sich das mittlerweile etwas zu ändern scheint, traditionell seine Produktionszahlen im Interesse der Exklusivität der Fahrzeuge begrenzt, bekam die Vermarktung von Lizenzen der Marke als Einnahmequelle wachsende Bedeutung. Doch so recht hat sich dieses Vorhaben noch nicht durchgesetzt. Das Manager Magazin schrieb jüngst: „Begehrte Autos zu hohen Preisen verkaufen, diese Kunst beherrscht Ferrari noch immer. Im vergangenen Jahr waren sogar mehr als je zuvor. Dennoch sind viele Analysten unzufrieden mit der Marke." Grund: Entgegen aller Versprechungen des neuen Befehlshabers in Maranello habe die Marke im Gegensatz zu ähnlichen Unternehmen den Weg „in die oberste Luxus-Liga nicht gefunden". Namen wie Gucci, Hermès oder Louis Vuitton würden mit Produkten, die außerhalb ihres angestammten Sortiments liegen das Geld nahezu scheffeln. Davon sei Ferrari noch weit entfernt.

Zwar können sich Formel 1-Fans mit roten T-Shirts oder Kappen schmücken, Geschäfte mit teureren Klamotten wie Lederjacken für mehr als 1000 Euro, Schuhen um die 500 Euro oder ein Formel 1-Baby-Strampelanzug für um die 100 Euro gehen aber eher schleppend. Auch mit Uhren, Schmuck oder Lederwaren, die das Cavallino rampante (zu deutsch: das sich aufbäumende Pferdchen) als Markenzeichen tragen, sind keine Millionen zu verdienen. Gleiches gilt für handgefertigte Sammlerstücke, wozu Modellautos im vier- und sogar fünfstelligen Euro-Bereich und Memorabilien aus der Formel 1-Szene zählen.

Erfolgreicher ist dagegen der 2010 gegründete Themenpark "Ferrari-World" im Scheichtum Abu Dhabi am Persischen Golf, eine Art Disneyland für Tempo-Freaks auf einer Grundfläche von 25 Hektar. Davon sind acht überdacht, klimatisiert und deshalb im Guinness-Buch der Rekorde verzeichnet. 20 Attraktionen locken die Besucher, darunter eine ganz besondere Achterbahn. Deren Fahrgäste sitzen in Wagons, die einem Ferrari nachempfunden sind und werden einer Beschleunigung ausgesetzt, die dem Start eines realen Ferraris entsprechen soll. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei respektablen 240 km/h. Im vergangenen Jahr bekam die Ferrari-World eine Auszeichnung als attraktivste Touristen-Attraktion des Mittleren Ostens. In ihrer unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich auch die Formel 1-Rennstrecke Yas-Marina-Circuit, wo der große Preis von Abu Dhabi ausgetragen wird.

Mit dem "Ferrari Land Barcelona" befindet sich zur Zeit ein ähnlicher Themenpark in der Nähe von Tarragona an der Costa Daurada im Nordosten Spaniens im Bau, eine Autostunde von Barcelona entfernt. Das Konzept gleicht dem Vorbild im Scheichtum Abu Dhabi aufs Haar: Auch hier wird es eine Achterbahn der Superlative geben: Mit einer Höhe von 112 Metern die größte Europas. Die Wagen sehen aus wie feuerrote Formel 1-Boliden und dürften sich auch so anfühlen. Innerhalb von fünf Sekunden sollen sie auf gerader Strecke von 0 auf 180 km/h beschleunigen können. Wem das nicht reicht, kann sich in der 75 000 Quadratmeter großen Themenwelt außerdem in Formel-1-Simulatoren und auf einer Rennstrecke austoben. Die Eröffnung soll im kommenden Jahr erfolgen. In unmittelbarer Nähe gibt es schon jetzt einen weiteren Vergnügungspark mit einem Fünf-Sterne-Ferrari-Themen-Hotel, Konferenz-Zentren, Spielbanken, Luxusläden, Theatern, einem Golf- und einem Beach-Club.

Weitere Parks sollen folgen. Zur Zeit ist China im Gespräch. Wie die „South China Morning Post“ berichtet, soll er in einer der „wichtigsten Städte“ in China gebaut werden. Details zum genauen Standort gibt es aber bisher ebenso wenig wie die Investitionssumme oder einen Zeitplan. Konkreter scheinen dagegen die Pläne für Nummer vier, einen Ferrari-Vergnügungspark in den USA zu sein. Hoffnungen als Standort machen sich sowohl Los Angeles in Kalifornien als auch Orlando in Florida, das ebenso wie die Konkurrenz am Pazifik bereits eine ganze Reihe ähnlicher Freizeit-Stätten beherbergt. Universal Studios, SeaWorld, Epcot Center oder Walt Disney World dürften den meisten Florida-Touristen bekannt sein. Da sich die Italiener in Abu Dhabi und Spanien jeweils erfahrene einheimische Partner ins Boot geholt haben und diese auch in den USA Gewehr bei Fuß stehen, sind die Chancen zwischen Kalifornien und Florida gleich verteilt.

Zu Hause in Maranello soll jetzt Luca Fuso, bislang Manager beim italienischen Luxus-Brillenhersteller Safilo, dabei helfen, Ferrari auf ein festeres Fundament zu stellen. Er ersetzt Andrea Perrone, einst Chef des Luxus-Schneiders Brioni, der die Marke Ferrari um die teure Kollektion „Pr1ma“ mit Kaschmir-Bomberjacken (2000 Euro), Pullovern (450 Euro) oder exklusiven T-Shirts (180 Euro) ergänzt hatte. Den Ferrari-Aktionären schrieb jetzt Sergio Marchionne mit Blick auf das 70jährige Firmenjubiläum im kommenden Jahr: „Wir haben eine hervorragende Basis und eine einzigartige DNA um unsere Marke zu erweitern. Aber wir müssen das sehr behutsam tun."

Davon sind auch die Börsenanalysten überzeugt, die allerdings im Gegensatz zum neuen Ferrari-Boss die Ferrari-Themenparks eher skeptisch beurteilen. Die Ferrari-Zielgruppe, also finanzkräftige Kundschaft, die sich einen Sportwagen aus der Edelmanufaktur leisten können, lassen sich ihrer Ansicht nach auf solchen Rummelplätzen eher seltener sehen. Damit dürften sie Recht haben.



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Bilder zum Artikel

Sergio Marchionne.

Sergio Marchionne.

Foto: Auto-Medienportal.Net


Sergio Marchionne.

Sergio Marchionne.

Foto: Auto-Medienportal.Net


Geplanter Ferrari-Park in Barcelona.

Geplanter Ferrari-Park in Barcelona.

Foto: Ferrari


Die höchste Achterbahn der Welt für Barcelona.

Die höchste Achterbahn der Welt für Barcelona.

Foto: Ferrari


Geplanter Ferrari-Park in Barcelona: Bau der höchsten Achterbahn in Europa.

Geplanter Ferrari-Park in Barcelona: Bau der höchsten Achterbahn in Europa.

Foto: Ferrari


Ferrari-World in Abu Dhabi.

Ferrari-World in Abu Dhabi.

Foto: Ferrari


Ferrari-World in Abu Dhabi.

Ferrari-World in Abu Dhabi.

Foto: Ferrari


Ferrari-World in Abu Dhabi.

Ferrari-World in Abu Dhabi.

Foto: Ferrari


Ferrari-World in Abu Dhabi.

Ferrari-World in Abu Dhabi.

Foto: Ferrari


Ferrari-Junior-Shop in Shanghai.

Ferrari-Junior-Shop in Shanghai.

Foto: Ferrari


Ferrari-Shop in Dubai.

Ferrari-Shop in Dubai.

Foto: Ferrari


Ferrari-Museum in Maranello

Ferrari-Museum in Maranello

Foto: Ferrari


Ferrari-Museum in Maranello

Ferrari-Museum in Maranello

Foto: Ferrari


Ferrari-Museum in Maranello

Ferrari-Museum in Maranello

Foto: Ferrari