Leben in der Cloud (7): Die Cloud und ihr Wert für Autokonzerne

Die Zukunft des Internets liegt in den Wolken, genauer gesagt im Cloud-Computing. Dieser Begriff steht für die Verknüpfung von zahlreichen Servern zu einem übergeordneten Netzwerk, das eine zentralisierte Datenspeicherung und gleichzeitig den Online-Zugriff von unbegrenzt vielen Nutzern auf eine Vielfalt von Computerdienstleistungen ermöglicht. Das autonom fahrende Auto, der Straßenverkehr von morgen und auch weite Teile der Industrie sind ohne Cloud-Computing nicht vorstellbar. Für die Automobilunternehmen wächst die Bedeutung der Cloud von Tag zu Tag.

Bekanntlich schreitet die Vernetzung des Autos und des Straßenverkehrs immer weiter voran. Ob Car-to-Car, Car-to-Infrastructure, Car-to-Everything – in Zukunft sollen nicht nur die Autos miteinander kommunizieren, sie sollen auch mit ihrer übrigen Umwelt interagieren. Das A und O dabei sind intelligente Autos sowie ein gut und vor allem schnell funktionierendes Netz. Gerade einmal vor sieben Jahren startete in Deutschland das erste LTE-Netz und markierte einen neuen Meilenstein in der Mobilfunktechnik. Auch wenn seine Möglichkeiten heute noch längst nicht ausgeschöpft sind, steht schon wieder eine neue Technik vor der Tür.

Das sogenannte 5G-Netz soll alle bisherigen Möglichkeiten in den Schatten stellen: unter anderem 100fach höhere Datenrate als heute, 1000fach höhere Kapazität und von weltweit 100 Milliarden Mobilfunkgeräten gleichzeitig ansprechbar. Um den Anschluss nicht zu verpassen, haben sich im Herbst vergangenen Jahres die Unternehmen Audi, BMW, Daimler, Ericsson, Huawei, Intel, Nokia und Qualcomm zur 5G Automotive Association (5gaa) zusammengeschlossen.

Zusammen wollen sie neue Kommunikationslösungen entwickeln, testen und fördern. Damit sollen vor allem die Themen autonomes Fahren, intelligente Verkehrslösungen und die Smart City forciert werden. Die 5gaa arbeitet global und steht weiteren Partnern aus der Informations- und Kommunikationsbranche, der Automobilindustrie und anderen Bereichen des Fahrzeug- und Straßenverkehrswesens offen. Mehrere Unternehmen haben bereits ihre Beitrittsabsicht bekundet, der Teilnehmerkreis liegt zur Zeit bei 33 Mitgliedern.

Bei den neuen Modellen von Audi ist aktuell der Modulare Infotainment-Baukasten (MIB) in seiner zweiten Generation in Serie. Der Audi e-tron Quattro Concept integriert bereits die nächste Ausbaustufe, den MIB2+, der für die neuen Infotainment-Funktionen notwendig ist. Er hat mehr Rechenleistung zur Unterstützung von mehreren hochauflösenden Displays. Zudem verschmelzen mit ihm Onboard- und Online- Informationen: Das Auto wird noch stärker als bisher ein Teil der Cloud. Hierbei spielt auch die vollständige Integration des Mobilfunks eine entscheidende Rolle – mit der Integration des Standards LTE Advanced.

Ein weiteres Beispiel: Die A5/S5 Cabrios sind so mit anderen Audi-Modellen vernetzt, dass sie Informationen über die Audi Connect SIM quasi in Echtzeit untereinander austauschen. Bei der Verkehrszeicheninformation analysiert die bordeigene Kamera Tempolimits und meldet die Daten über das Mobilfunknetz an einen Server in der Cloud. Dieser sammelt sie, bereitet sie auf und stellt sie anderen Audi-Fahrern zur Verfügung.

Auch Mercedes-Benz setzt konsequent auf Cloud-Computing. Die Software des Infotainment-Systems Comand Online ist dabei nicht im Fahrzeug gespeichert, sondern läuft auf dem Daimler Vehicle Backend. Vorteil: Anwendungen können so kontinuierlich in der Cloud aktualisiert werden und neue Anwendungen erhalten Mercedes-Benz Kunden ohne einen Besuch in der Werkstatt.

In der Formel 1 kommt es nicht nur auf das Tempo der Rennwagen, sondern ebenso auf die Geschwindigkeit der Datenübermittlung an. Wo es von großer Bedeutung ist, die Leistungsdaten der Rennwagen schnell analysieren zu können, entscheiden inzwischen Zehntel- und manchmal sogar Hundertstelsekunden über Sieg oder Niederlage. Deshalb führen zum Beispiel Qualcomm Technologies aus San Diego/USA (ebenso wie Daimler Mitglied bei 5gaa) und Mercedes-AMG Petronas Motorsport Feldversuche durch, um den kabellosen Hochgeschwindigkeits-Download von Informationen aus den Fahrzeugsensoren zu testen.

Außerdem sicherte sich bereits im vergangenen Jahr das Mercedes-Team die Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Unternehmen Pure Storage. Bei jedem Grand Prix werden sieben Milliarden Datenpunkte erzeugt. Der Einsatz von Pure Storage verringert die typischen Verarbeitungszeiten um 95 Prozent. Gleichzeitig können die Ingenieure die Renndaten mit einer um 36 Prozent erhöhten Geschwindigkeit laden, was wiederum für eine genauere und schnellere Entscheidungsfindung sorgt.

Jüngstes Beispiel für die Nutzung der Cloud durch Volkswagen ist die Zusammenarbeit der Wolfsburger mit Mobileye. Das israelische Unternehmen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Technologien zur Unfallprävention und zum automatischen Fahren. REM™ gehört dabei zu den neuesten Mobileye-Systemen. Und so funktioniert REM™ in der Praxis: Die mit Frontkameras ausgestatteten Volkswagen erfassen durch optische Sensorsysteme von Mobileye Fahrbahnmarkierungen und Straßeninformationen, die komprimiert in eine Cloud fließen. Diese Flottendaten werden zur kontinuierlichen Verbesserung von HD-Navigationskarten mit hochpräziser Lokalisierungsfähigkeit eingesetzt. Sie sind nicht zuletzt eine Grundvoraussetzung für das automatische Fahren und die Weiterentwicklung vieler Assistenzsysteme.

So wie VW zusammen mit Mobileye Daten via Crowdsourcing zur präzisen Lokalisierung und Orientierung verwendet, will Ford diese Methode zur Suche von Straßenschäden einsetzen. Das Ford Research und Innovation Center in Aachen experimentiert mit Bord-Kameras und Modems, die im Zusammenspiel während der Fahrt detaillierte Informationen über Schlaglöcher und andere Hindernisse sammeln. Diese virtuellen Schlaglochkarten werden dann automatisch in eine Daten-Cloud hochgeladen und können in Echtzeit auf den Fahrzeugdisplays anderer Autofahrer abgerufen werden. Bei Bedarf schlägt das System sogar alternative Ausweichstrecken vor. Diese Technologie, die den Autofahrern und Versicherungen bares Geld sparen könnte, soll noch im Verlauf dieses Jahres ersten Praxistests unterzogen werden.

Währenddessen will die amerikanische Ford Motor Company in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde US-Dollar in Argo AI investieren – ein auf künstliche Intelligenz und Robotik spezialisiertes Start-up-Unternehmen aus Pittsburgh, Michigan, USA. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung einer Software-Plattform für autonome Fahrzeuge, die Ford bis 2021 auf die Straße bringen will. Argo AI wird eng mit Ford kooperieren, um selbstfahrenden Fahrzeuge zur Marktreife zu verhelfen. Auch dabei spielt die Cloud eine Hauptrolle.

Beispiele wie die genannten ließen sich bei nahezu allen Automobilproduzenten der Welt finden – zumindest bei denen, die sich mit der Entwicklung des autonom fahrenden Autos befassen.

Es sind gerade einmal fünf Jahre her: Im März 2012 klagte das Fachmagazin „automotiveIT“ aus Hannover, dass der „IT-Branchenverband Bitkom auf seinem Internetportal www.cloud-practice.de noch kein einziges Fallbeispiel aus der Automobilindustrie" vorweisen konnte. Das hat sich in kurzer Zeit rasant geändert, kein Autounternehmen kann es sich leisten, an dieser Technik vorbei zu gehen, Fachleute sind gesucht. Im März 2017 war bei „automotiveIT“ zu erfahren: „Die Autobranche ist für IT-Experten besonders lukrativ, wie eine Studie des Vergleichsportals Gehalt.de zeigt. Im Median zahlt die Automotive-Industrie IT-Profis ein Einstiegsgehalt von 48 700 Euro, etwas mehr als die Luft- und Raumfahrt (48 040 Euro) und die Energiewirtschaft (47 600 Euro)." (ampnet/hrr)


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Bilder zum Artikel

Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler


Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler


Arbeit am weltweiten Schlaglocharchiv.

Arbeit am weltweiten Schlaglocharchiv.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford


Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Versuchsfahrzeug fürs autonome Fahren.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford


Die Cloud "sieht" alles.

Die Cloud "sieht" alles.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler