Wahlprogramme 2021: Großes Gerangel um die Gunst der Wähler

Am 26. September 2021 Punkt 18 Uhr werden die Wahllokale schließen und die ersten Prognosen über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestags über die Bildschirme flimmern. Bis dahin haben Wahlkämpfer aus 53 Parteien aller Couleur landauf, landab mit Plakaten, Reden, kleinen Geschenken und großen Versprechungen um die Gunst der Wähler für eine der 53 zur Wahl zugelassenen Parteien gerangelt. Realistische Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben allerdings nur sieben, nämlich diejenigen die auch jetzt schon als Volksvertreter das gesetzgebende Organ der Bundesrepublik bilden.

Kleinstparteien haben keine Chance, die Fünfprozent-Hürde zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel die 2013 in Magdeburg gegründete Gartenpartei, die gegen Bebauungspläne auf dem Gebiet von Kleingartenanlagen zu Felde zieht oder die 2016 in München entstandene V-Partei, die der Selbstbeschreibung „Wir lieben das Leben“ zufolge als Vereinigung von Vegetariern und Veganern jedweden Geschlechts unter anderem „das Verbot aller Tierschlachtungen“, fordert, „die in Verbindung mit der Produktion von Nahrungsmitteln, Kosmetik, Kleidung und Gebrauchsgegenständen stehen“.

Bleiben die altbekannten Namen CDU (kam bei der Wahl 2017 auf 200 Sitze), SPD (153), AfD (94), FDP (80), Linke (69), Grüne (67) und CSU (46) übrig. Ein Blick in deren Wahlprogramme – zusammen rund 500 Seiten wie das Düsseldorfer „Handelsblatt“ zählte – lässt den Schluss zu, dass der mittlerweile auf Touren kommende Wahlkampf sich beim Thema Umwelt und Verkehr auf die Geldbörsen von Autofahrern und Autofahrerinnen sowie deren Gasfuß konzentriert.

Stichwort Tempo

Stichwort Tempo 130 auf Autobahnen. Statt freier Fahrt auf einigen vierspurigen Strecken soll es je nach Standpunkt ein Limit geben. So schrieb der Kölner Stadtanzeiger: „Das deutsche Alleinstellungsmerkmal hat nun alle Chancen, zu einem der zentralen inhaltlichen Streitpunkte im Wahlkampf zu werden.“

In der Tat. Nur Unionskanzlerkandidat Armin Laschet wehrt sich strikt gegen eine Höchstgeschwindigkeit auf Deutschlands Schnellstraßen, erhält dabei aber von der Konkurrenz heftigen Gegenwind. „Warum soll ein Elektrofahrzeug, das keine CO2-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen", fragte sich Laschet in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das sei „unlogisch". Außerdem merkte Laschet in „Bild am Sonntag“ an: „Es gibt wenige Strecken in Deutschland, auf denen man tagsüber überhaupt schneller als 130 fahren kann, sodass ein Tempolimit relativ wenig Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß hätte."

Tempo 130 ist hingegen ein ständig wiederholtes Mantra von SPD und Grünen. Die Linke geht sogar noch einen Schritt weiter und liebäugelt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Deren Logik in der Programmaussage „Die Zukunft der Beschäftigten in der Autoindustrie darf nicht länger vom Verkaufserfolg spritfressender Luxuskarossen abhängig sein, deswegen müssen strenge CO2-Grenzwerte für neue Pkw und Lkw eingehalten werden“ erschließt sich dem unbefangenen Leser allerdings kaum.

Unterstützung erhalten die Unionsfraktionen CDU/CSU lediglich von der FDP, deren Standpunkt sich grundsätzlich mit den Worten zusammenfassen lässt: Innovation statt Verbote, Technologie statt Ideologie, Erfindergeist statt Bürokratie. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnt auch die AfD ab, allerdings aus anderen Gründen. Für sie befinden sich die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzplan 2050 und die EU mit dem „Green Deal“ auf dem Holzweg, da die Partei von einem Klimawandel nichts wissen will. Sie befürwortet deshalb den Austritt Deutschlands aus allen Klimaschutz-Organisationen und die Abschaffung der CO2-Besteuerung.

CO2-Besteuerung

Was den letzten Punkt betrifft, so hüllen sich CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm in Schweigen. Schließlich hat ihre große Koalition mit der SPD diese Umweltsteuer auf die Emission von Kohlendioxid 2019 selbst beschlossen. Zunächst sollten anfangs zehn Euro pro Tonne CO2 fällig werden. Nach Verhandlungen mit dem Bundesrat wurde der Einstiegspreis auf 25 Euro pro Tonne erhöht. Danach soll der Preis schrittweise bis zu 55 Euro im Jahr 2025 ansteigen. Für das Jahr 2026 soll ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten.

Laut ADAC verteuerte sich dadurch seit Jahresbeginn der Liter Super E10 im Mittel mindestens um 7,7 Cent und der Liter Diesel um 7,6 Cent. „Der CO2-Preis wird jährlich angehoben und soll 2025 bei 55 Euro liegen“, schreibt der Club. „Dann kosten wahrscheinlich der Liter Benzin 15 Cent und der Liter Diesel 17 Cent mehr als Ende 2020.“ Diese Rechnung dürfte sich allerdings als weit zu optimistisch herausstellen.

Auch die SPD hält sich bei der von ihr mit beschlossenen CO2-Abgabe weitgehend bedeckt. Bemerkenswert ist in ihrem Wahlprogramm zu den Themen Umwelt und Verkehr aber im Zusammenhang mit dem Ausbau alternativer Energien der Satz: „Wir werden Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien machen – für die klimaneutrale Erzeugung von Stahl, für CO2-arme PKWs, LKWs und den Schiffs- und Flugverkehr.“

Im Gegensatz dazu will die AfD den Ausbau erneuerbarer Energien einschränken, Photovoltaikanlagen lehnt sie ab. Die Partei stellt sich gegen Wind- und Solaranlagen in Wäldern und Schutzgebieten. Stattdessen setzt sie sich für die Verstromung von Braun- und Steinkohle, für Gaskraftwerke und für die Wiedereinrichtung von Kernforschungszentren ein.

Ganz anders die Linke. Die Partei lehnt höhere CO2-Preise für Verkehr und Gebäude ab. „Das ist klimapolitisch unwirksam und unsozial“, sagte der Klimaexperte der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, zur Berliner Tageszeitung „taz“. Weiter berichtete das Blatt: „Die Partei will einen jährlichen Zubau der Erneuerbaren von sieben Gigawatt Wind an Land, zwei Gigawatt auf See und mindestens zehn Gigawatt Solarstrom – zwei- bis viermal so viel wie in 2020 gebaut wurde und beim Wind an Land noch mal deutlich höher als selbst ambitionierte Ausbaupfade.

CO2-Abgabe, Benzinpreise – geht es nach dem Wahlprogramm den Grünen, wird es teuer. Die Forderung der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach eine Spritpreisanhebung von 16 Cent pro Liter ist inzwischen zwar in den Giftschrank der Argumente gewandert, nicht aber ein Anstieg der CO2-Steuer, im Gegenteil. „Wir wollen als einen Schritt für mehr Klimaschutz die Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorziehen“, heißt es im Wahlprogramm. Danach soll der CO2-Preis so ansteigen, dass er die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert, das ab dann den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorsieht. Zehn Jahre später soll Deutschland die Klimaneutralität erreichen.

Um die Einnahmen aus der geplanten Erhöhung des CO2-Preises direkt an die Bürger zurückzugeben, sollen die EEG-Umlage gesenkt und ein Energiegeld eingeführt werden, das jeder Bürger erhält. Unterm Strich würden damit Geringverdienende sowie Familien entlastet und angeblich vor allem Menschen mit hohem Einkommen belastet. Wie das ohne riesigen bürokratischen Aufwand gehen soll, ist noch unklar.

Wie auch immer. Dass der Klimawandel inzwischen Realität geworden ist, dürften allenfalls Verschwörungs-Theoretiker bezweifeln. Die Folgen werden sich – nicht nur finanziell – immer stärker bemerkbar machen. Doch sollten die daher zu tragenden Lasten auf alle Sektoren gerecht verteilt werden. Nicht nur auf die Mobilität. (aum/hrr)


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Der Reichstag.

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Foto: Autoren-Union Mobilität/Berlin.de