Kommentar: Alles fließt – auch Wasserstoff?

Umfragen jagen Studien und umgekehrt. Der Umweltschutz, das Klima – alle wollen alles wissen und jeder interpretiert die Ergebnisse so, wie sie zur eigenen Position passen. So ist der Leser gut beraten, zunächst zu fragen, wer die Musik bestellt hat und sich dennoch darauf zu verlassen, dass wissenschaftliche Institute mehr noch als Meinungsforscher auf ihre Glaubwürdigkeit achten. So musste die Umweltlobby Transport & Environment in Brüssel kürzlich ertragen, dass die beauftragten Institute sich von der Interpretation ihrer Ergebnisse durch die Auftraggeber distanzierten. Die wollten die e-Fuels in Misskredit bringen. Das könnte kommunikativ misslingen, fand jetzt die „Automobilwoche“ heraus.

Das Fachmagazin hatte den Meinungsforscher Civey beauftragt herauszufinden, ob die Deutschen die aus regenerativer Energien hergestellten e-Fuels eine Alternative zum Elektroantrieb sein könnten. 53 Prozent der rund 5000 Teilnehmer beantworteten die Frage mit "Ja, auf jeden Fall" oder "Eher ja". 26 Prozent waren unentschieden. Nur jeder Fünfte lehnte die e-Fuels als Alternative ab.

Ein solch positives Ergebnis für den Sprit aus Sonne und Wind wäre noch vor wenigen Monaten als utopisch abgetan worden. Doch auch bei aller Zurückhaltung gegenüber Umfragen bleibt festzustellen: Die Menschen lernen schnell; alles fließt – auch die Meinung zu einer Technologie, die außerhalb der zurzeit politisch korrekten Meinung zum Antrieb der Zukunft.

Die „Automobilwoche“-Ergebnisse halten noch eine zweite Überraschung bereit. Danach sind nur 35 Prozent der grünen Wähler gegen e-Fuels. Weichen sie ab vom bisherigen Mainstream? Erstaunlich auch die hohe Zustimmung von 63 Prozent bei den Anhängern von CDU/CSU. Das ist vermutlich mehr als der Reflex, nun in der Opposition eine andere Meinung vertreten zu müssen.

Bei e-Fuels handelt es sich um aus regenerativen Energien erzeugte synthetische Kraftstoffe, die mittels Elektrolyse hergestellt werden. Die Gegner eines solchen Verfahrens konnten sich also offenbar mit ihren Argumenten nicht durchsetzen. Danach wird der regenerativ gewonnene Strom mit Batterie und Elektromotor besser direkt in Bewegung umgesetzt und in Kraftstoffe umgewandelt. Aber unsere Mobilität beruht nun einmal auf weltweit 1,4 Milliarden Fahr- und Flugzeugen mit Motoren, die Kraftstoffe verbrennen. Da kann es keine Frage der Effizienz allein sein. Es geht darum, dem Klima die 20 Extraprozent an Kohlendioxid-Emissionen zu ersparen. Die 4,5 Millionen vollelektrischen Autos heute weltweit und die mehrere Dutzend Millionen E-Autos im nächsten Jahrzehnt werden das Problem kaum ändern.

Wenn die „Automobilwoche“ heute bei jedem Zweiten starke Sympathien für e-Fuels fand, dann spricht das auch für die Sorge, als Bürger die Kosten tragen zu müssen. Schon die Feinstaubplakette hatte ihn durch Wertverlust seines Gebrauchen ein paar Tausender gekostet. Bei der ungerechtfertigten Hetze gegen den Diesel waren die nächsten Tausender fällig. Sollte weiterhin ein Verbot des Verbrennungsmotor diskutiert werden, sind wieder ein paar Tausender Wertverlust fällig. Dann muss ein neues Elektroauto angeschafft werden, bei künstlich verteuerten Preisen für Strom. Und dann noch die neuen Vorschriften für Heizung und Bau. Wieso ich?

Sollte nicht besser die Mineralölindustrie aufgefordert sein, für einen kohlendioxidneutralen Kraftstoff zu sorgen, der die heutigen fossilen Kraftstoffe ersetzt? Genug verdient hat sie schließlich. Und als systemrelevante Industrie wird sie diese Aufgabe nicht allein erfüllen müssen. (aum/Peter Schwerdtmann)



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Bilder zum Artikel

Das Prinzip der Herstellung von e-Fuels.

Das Prinzip der Herstellung von e-Fuels.

Foto: Autoren-Union Mobilität/mobil.org


Geplante Pilotanlage in Chile zur Herstellung von E-Fuels.

Geplante Pilotanlage in Chile zur Herstellung von E-Fuels.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Siemens Energy


Peter Schwerdtmann.

Peter Schwerdtmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net